Protocol of the Session on July 18, 2012

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Klein das Wort.

(Jens Nacke [CDU]: Wollen Sie auch mehr Schulden machen, Herr Kollege?)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Unsicherheiten der Krisenentwicklung machen Politikberatung heutzutage sehr schwer. Aber sie machen es natürlich der Fraktion DIE LINKE sehr einfach, in ihrer Aktuellen Stunde zu behaupten, dass dieser Fiskalpakt das Land und die Kommunen hart treffen werde. Diese Möglichkeit ist in der Tat nicht ausgeschlossen, aber sie ist natürlich auch alles andere als zwangsläufig. Sie hängt im Wesentlichen von der weiteren politischen Gestaltung ab.

Zunächst einmal, finde ich, ist es zu begrüßen, dass sich das Bundesverfassungsgericht nicht von angeblichen wahrscheinlichen Reaktionen der berüchtigten Märkte hat treiben lassen, sondern „Sorgfalt vor Eile“ entschieden hat.

(Zuruf von Hans-Henning Adler [LINKE])

Das zeigt, meine Damen und Herren: Es gibt eine Alternative zur Merkel’schen Politik, unsere Demokratie durch angeblich alternativlose Anpassungen an Marktmechanismen immer weiter auszuhöhlen. Wir brauchen nicht weniger, sondern wir brauchen mehr Demokratie in Europa!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Frau Merkel hat ihre Zustimmung zum Pakt von Bundestag und Bundesrat bekommen. Jetzt ist es an ihr zu liefern, damit die Maßnahmen positiv wirken. Den Ländern hat die Bundesregierung zugesagt, deren Budgetrecht zu wahren. Das heißt: Es darf keine Verschärfung gegenüber den Festlegungen geben, die die Länder im Zuge der Einhaltung der nationalen Schuldenbremse getroffen haben, und es darf keine Haftung für Belastungen aus Verstößen gegen den Fiskalpakt für die Länder geben.

Eine weitere offene Forderung für 2013 ist das Auflegen des ersten Deutschlandbonds. Meine Damen und Herren, ich versichere Ihnen: Mit unserer Regierungsbeteiligung wird sich Niedersachsen daran auch beteiligen und nicht aus ideologischen Gründen das Geld unserer Steuerzahler verschenken.

Liefern muss Frau Merkel auch bei der Verbesserung der Kommunalfinanzen. Das heißt, die

Grundsicherung im Alter ist, wie vorgesehen, bis 2014 vollständig vom Bund zu übernehmen. Unverzüglich sind auch die Voraussetzungen für die nachfolgende Übernahme der Eingliederungshilfe zu schaffen, und natürlich ist sicherzustellen, dass die Zusagen für den weiteren Kita-Ausbau 2013 umgesetzt werden. Wenn dann das Land auch endlich seine Verpflichtungen für den Kita-Ausbau wahrnimmt, kann das Gesamtpaket eine deutliche Entlastung der kommunalen Finanzen bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir zur Bundes- und EU-Ebene. Meine Damen und Herren, nach vielen folgenlosen Reden müssen jetzt endlich die Verursacher der Krise mit einer Finanztransaktionssteuer an den Kosten beteiligt werden, und das nicht mit einem FDPentschärften Light-Modell, sondern auf der Basis der guten Kommissionsvorschläge vom September 2011.

(Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE])

Weiterhin muss natürlich die gescheiterte Austeritätspolitik durch eine ausgewogene Wachstums- und Konsolidierungspolitik ersetzt werden. Meine Damen und Herren, wer nur spart, konsolidiert nicht. Die Bundesrepublik hat zugesagt, dass die Europäische Investitionsbank mit 10 Milliarden Euro zusätzlich gestärkt wird. Die EU-Strukturfonds sollen gezielt für Wachstum eingesetzt werden. Und ich füge hinzu: in sinnvoller Weise für die ökologische Transformation unserer Wirtschaft im Sinne eines Green New Deals. Alles andere macht keinen Sinn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein so flankierter Fiskalpakt wird Land und Kommunen sicher nicht hart treffen. Aber, meine Damen und Herren, er wird auch die europäischen Probleme nicht lösen. Notwendig sind hierfür schnelle und wirkungsvolle Maßnahmen zur Senkung des Zinsdrucks in den Krisenländern und zur Entkoppelung von Banken- und Staatsschuldenkrise. Die Bankenunion, ein gemeinsamer Währungsfonds, Eurobonds oder ein Schuldentilgungsfonds und schließlich auch die Möglichkeit der direkten Staatsfinanzierung durch die EZB sind die Stichworte dazu. Darüber hinaus brauchen wir einen europäischen Steuerpakt, der die Besteuerung in Europa harmonisiert, und wir brauchen einen europäischen Sozialpakt mit Mindeststandards für die soziale Absicherung. Dazu gehört natürlich ein

europäischer Mindestlohn, der sich an dem jeweiligen nationalen Bruttoinlandsprodukt bemisst.

Ich füge hinzu, um die aktuelle Diskussion aufzunehmen: Wir brauchen auch einen europäischen Höchstlohn. 500 000 Euro als Deckelung für den Betriebsausgabenabzug für Gehälter scheinen mir angemessen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Spitzensteuersatz, meine Damen und Herren, von 99 % für Gehälter ab 2 oder 3 Millionen Euro könnte viel für den sozialen Frieden bewirken und täte niemandem wirklich weh.

(Beifall bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: Aber sonst geht es Ihnen noch gut? Sie fordern einen Steuersatz von 99 %! - Christian Grascha [FDP]: Jetzt sind Sie aber näher bei den Linken, als Ihnen lieb ist! Die Sahra Wagenknecht der Grünen!)

Im Fazit brauchen wir, meine Damen und Herren, eine Wirtschafts- und Solidargemeinschaft, und dafür brauchen wir natürlich, Herr Kollege, einen europäischen Konvent und ein europataugliches Grundgesetz.

Es ist eine Binsenweisheit, dass jede Krise auch eine Chance bietet. Begreifen wir die europäische Krise endlich auch als Chance, die europäische Integration einen großen Schritt voranzubringen auf dem Weg zu einer umfassenden politischen Union!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Ich erteile jetzt Herrn Möllring das Wort.

(Jens Nacke [CDU]: Herr Wenzel, Sie sind weg vom Fenster! Links ist ange- sagt bei den Grünen! - Gegenruf von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Herr Minister, Sie haben das Wort, wenn der Gedankenaustausch der Fraktionen untereinander beendet ist. - Ich gehe davon aus, dass das jetzt der Fall ist. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Wenzel, vor Ihrer Zeit

gab es Jungsozialisten, die sagten, man dürfe nur 5 000 DM brutto verdienen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist et- was anderes als 3 Millionen Euro, Herr Finanzminister!)

Alle, die das damals im Bundesvorstand mitbeschlossen haben, haben später ordentlich Karriere gemacht. Manche verkaufen ihre Memoiren ja für 1 Million Euro an Herrn Maschmeyer. Ich weiß nicht, ob das, umgerechnet auf die Arbeit, dann den 5 000 DM entspricht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Manche kriegen den Hals nie voll!)

Manches, was hier gesagt wurde, war durchaus zutreffend. Aber manches war auch sehr merkwürdig. Herr Klein hat gesagt, der Mindestlohn müsse sich am Bruttoinlandsprodukt ausrichten. Soll der Stundenlohn dann 0,00001 % des Bruttoinlandsprodukts betragen? Oder wie wollen Sie das ausrechnen? - Überlegen Sie doch manchmal, was Sie sagen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christian Dürr [FDP]: Das wäre wirk- lich revolutionär!)

Man muss ein Argument manchmal auch zu Ende denken. Dann merkt man die Absurdität dieses Argumentes.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Nur weil Sie es nicht verstanden haben, Herr Minister!)

- Nein, ich habe es nicht verstanden. Man kann den Mindestlohn nicht nach dem Bruttoinlandsprodukt organisieren.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Reden Sie nicht über Dinge, die Sie nicht kennen! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

„Die Auswirkungen des Fiskalpakts werden Niedersachsen und seine Kommunen hart treffen“ - ich habe während des Beitrages von Dr. Sohn lange darauf gewartet, dass er überhaupt auf die Kommunen zu sprechen kommt, habe aber nicht festgestellt, dass er irgendwann nachgewiesen hätte, dass es sie hart treffen werde. Herr Dr. Sohn, ich habe es Ihnen bereits mehrfach gesagt: Ein Grundrecht auf Schuldenmacherei gibt es nicht, schon gar nicht bei den Ländern. Der Häuslebauer haftet mit seinem Vermögen und mit sei

nem Haus für seine Schulden. Wenn Politiker Schulden machen, haften die späteren Steuerzahler. Das ist das Schlimme.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Detlef Tanke [SPD]: Da kennen Sie sich ja aus!)

Deshalb ist es gut, dass es uns mit der Kommission unter Struck und Oettinger gelungen ist, das Verschuldungsverbot wieder in das Grundgesetz zu schreiben, das bis 1969 gegolten hat. Denn bis dahin war es dem Staat, und zwar dem Gesamtstaat, verboten, Schulden zu machen. Und das war gut so.

Der Fiskalpakt ist ein wichtiger Baustein zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise in Europa. Er trifft die Kommunen gerade nicht hart, im Gegenteil. Erstens belegt die bundesweite Statistik, dass die Kommunen schon jetzt den gesamtstaatlichen Verschuldungsgrad senken und nicht heben. Zweitens ist Ergebnis der Bund-Länder-Gespräche zur Umsetzung des Fiskalpaktes, dass der Bund zusätzliche Haushaltsmittel zur Entlastung der Kommunen bereitstellt.

Herr Schostok, ich war bei diesen peinlichen Gesprächen dabei, in denen es um die bundesstaatliche Verantwortung der Bundesländer geht. Da hieß es immer: Was zahlt der Bund, wenn wir zustimmen? - Wenn aber Schäuble gefragt hat, ob die Länder dem Bund ihre Zustimmung verkaufen wollten, hieß es: Nein, natürlich nicht! Aber wir wollen nur zustimmen, wenn ordentlich bezahlt wird. - Wenn das kein Gefeilsche ist, dann frage ich mich, was es dann sein soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Alle, die der Ratifikation des Fiskalpaktes zugestimmt haben, sind ihrer Verantwortung für die Stabilisierung der öffentlichen Finanzen in Europa nachgekommen. Der Fiskalpakt setzt auf stärkere Haushaltsdisziplin und Stabilisierung der öffentlichen Finanzen. Eine klare wirtschaftspolitische Koordinierung verbessert die Wettbewerbsfähigkeit und mit ihr die Wachstumschancen. Das liegt im Interesse des Landes Niedersachsen und seiner Kommunen. Denn wir brauchen stabile Rahmenbedingungen zur Sicherung der Tragfähigkeit unserer Finanzwirtschaft.

Niedersachsen wird sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass wichtige Auflagen von ESM und Fiskalpakt von allen europäischen Partnern beachtet werden. Daher haben wir einen entsprechenden Antrag in die morgige Sitzung der Europakammer