Protocol of the Session on June 22, 2012

Zu Tagesordnungspunkt 12 ist ein Antrag auf sofortige Abstimmung gestellt worden. Die Fraktionen der CDU und der FDP haben diese sofortige Abstimmung über ihren Antrag in der Drs. 16/4875

beantragt und damit die zweite Beratung über den Antrag gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 unserer Geschäftsordnung gleich anschließen lassen.

Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, dass zu diesem Antrag der Änderungsantrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/4927 (neu) vorliegt. Die SPD-Fraktion hat bereits signalisiert, dem Wunsch der Antragsteller nach sofortiger Abstimmung über den Antrag und somit auch über den Änderungsantrag zu folgen.

Der guten Ordnung halber frage ich unter Hinweis auf die soeben von mir zitierte Geschäftsordnungsbestimmung gleichwohl, ob noch eine Ausschussüberweisung mit dem nach § 27 Abs. 2 Satz 1 unserer Geschäftsordnung erforderlichen Quorum von 30 Mitgliedern des Landtages verlangt wird. - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Damit kommen wir jetzt zur Abstimmung.

Entsprechend § 39 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 31 Abs. 3 Satz 1 unserer Geschäftsordnung stimmen wir zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 16/4927 (neu) ab. Nur im Fall der Ablehnung dieses Änderungsantrags stimmen wir anschließend über den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/4875 ab.

Wer den Änderungsantrag in der Drs. 16/4927 (neu) zu dem Antrag in der Drs. 16/4875 annehmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Zweite war die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in Drs. 16/4875 ab. Wer diesen Antrag annehmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist so entschieden worden.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das letzte Wort hat sowieso Karlsruhe!)

Damit können wir diesen Tagesordnungspunkt verlassen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 46 auf:

Erste Beratung: Betreuungsgeld verhindern - Finanzmittel für Krippenausbau verwenden - Krippengipfel einberufen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4862

Einbringen wird diesen Antrag die Kollegin Staudte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben das Wort, Frau Staudte. Bitte sehr!

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist heute nicht das erste Mal, dass wir hier im Landtag über das Betreuungsgeld diskutieren, und es wird vermutlich auch nicht das letzte Mal sein; denn ich kann Ihnen versprechen, dass zumindest wir vonseiten der Opposition nicht eher Ruhe geben, als bis dieser Betreuungsgeld-Irrsinn aufgegeben worden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich möchte jetzt keine näheren Ausführungen zum Thema Betreuungsgeld machen; denn ich glaube, dass ich die Grundinformationen bei allen Abgeordneten als bekannt voraussetzen kann. Sie alle kennen unser Hauptanliegen: Wir wollen, dass die Bundesmittel, die für das Betreuungsgeld vorgesehen sind, hier in Niedersachsen, wo wir einen eklatanten Mangel an Betreuungsplätzen haben, in den Ausbau der Infrastruktur umgeleitet werden. Wir haben hier zu wenig Krippenplätze, wir haben zu wenig Hortplätze, und wir haben zu wenig Ganztags- und Zweidrittelplätze.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann übernimmt den Vorsitz)

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal auf den Bildungsbericht der Bundesregierung eingehen, der ja heute veröffentlicht worden ist. In diesem Bericht wird deutlich, dass wir einen sehr viel größeren Fehlbedarf bei den Betreuungsplätzen haben. Es fehlen nicht nur 160 000 Plätze, sondern 260 000 Plätze.

In dem Bericht wird noch einmal ganz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass gerade diejenigen Kinder, die zu Hause weniger gefördert werden, durch den Besuch einer Krippe eine kompensatorische Unterstützung erfahren könnten. Wir alle wissen, dass gerade in Deutschland im Vergleich zu den Nachbarländern dieser Zusammenhang von Herkunft und Bildungserfolg sehr eng ist; enger als er eigentlich sein dürfte. Von daher ist es sehr wichtig, dass wir hier keine negativen Gegenanreize schaffen.

Ein weiterer für mich interessanter Punkt in dem Bildungsbericht der Bundesregierung ist, dass wir in unseren Kitas mit sehr großen Segregationsten

denzen zu kämpfen haben. Mit anderen Worten: Jedes dritte Kind, das zu Hause nicht deutsch spricht, geht in eine Kita, in der 50 % der Kinder ebenfalls nicht deutsch sprechen. Wir müssen also sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen, um eine alltagsintegrierte Sprachförderung zu finanzieren.

(Glocke des Präsidenten)

Wir haben heute Morgen schon über das Thema Erzieherinnenmangel diskutiert, als es um die Situation bei Schlecker ging.

Ich möchte hier auf einige Äußerungen von Kultusminister Althusmann eingehen, der heute Morgen davon gesprochen hat, dass wir bundesweit ungefähr 16 000 Betreuungsplätze bräuchten,

(Glocke des Präsidenten)

dass gleichzeitig aber 12 000 Erzieherinnen und Erzieher in Ausbildung seien.

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Einen letzten Satz, bitte!

Das waren jetzt sechs Minuten?

Ich bin hier nach der Uhr gegangen. Das waren nur drei Minuten. - Entschuldigung, Sie haben recht. Sie haben ja mehr Redezeit.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Manchmal lohnt sich der Widerspruch!)

Vielen Dank.

(Zurufe von der CDU)

- Und wenn Sie das Betreuungsgeld aufgeben würden, könnten wir sogar sofort aufhören und uns auch die Ausschussberatungen und die Zweite Beratung hier im Plenum sparen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zurück zum Thema Erzieherinnenmangel. 16 000 Erzieherinnen und Erzieher werden bundesweit fehlen; in Niedersachsen sogar 5 000. Wir können nicht einfach sagen: die 12 000 sind in Ausbildung; denn die sind ja bereits abgezogen. Die 16 000 oder sogar 19 000, die das deutsche Jugendinstitut errechnet hat, sind der Saldo. Die werden auf

jeden Fall fehlen, wenn wir nicht entschieden handeln.

Inzwischen ist es ja zu einer Art Sport geworden, sich öffentlich vom Betreuungsgeld zu distanzieren. Einige machen das ja sehr glaubwürdig, und ich habe absolute Hochachtung vor Damen wie Rita Pawelski, die wirklich sehr vehement die Revolte proben.

Es gibt aber auch jede Menge Politiker, bei denen ich mich frage, wie ernst das gemeint ist. Wenn z. B. unser FDP-Minister Herr Birkner, der gleichzeitig Landesvorsitzender der FDP ist, sagt „Ich halte persönlich nichts vom Betreuungsgeld“ und sein Kollege Herr Döring sagt „Nein, das muss noch optimiert werden, wir wollen die Wahlmöglichkeit für die Länder“, also Betreuungsgeldgutschein oder Kita-Ausbau, dann frage ich mich schon: Sind das eigentlich nur Lippenbekenntnisse, oder werden auch irgendwelche Taten folgen?

Im Bundesrat wird ja die Möglichkeit bestehen, Einfluss zu nehmen. Im Moment befinden sich von den 69 Stimmen im Bundesrat 30 bei den betreuungsgeldkritischen A-Ländern. Auch das Saarland hat schon gesagt, dass es da nicht mitmachen möchte. Niedersachsen hätte mit seinen Stimmen wirklich die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen; es ist Zünglein an der Waage.

Deshalb haben wir den Antrag heute noch einmal eingebracht: um Ihnen die Möglichkeit zu geben, Ihre Position noch einmal zu ändern.

Dabei will ich es zunächst einmal bewenden lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Staudte. - Es tut mir leid. Wir hatten den falschen Tagesordnungspunkt in die Sitzungsuhr eingegeben. Deshalb war Ihre Redezeit zu kurz. Jetzt haben wir aber alles berichtigt.

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Reichwaldt von der Fraktion DIE LINKE. Danach können wir abstimmen, weil mir weitere Wortmeldungen nicht vorliegen.

(Björn Thümler [CDU]: Hätten Sie ge- schwiegen, Herr Präsident!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegin Staudte hat schon erwähnt, dass wir uns

heute wahrhaftig nicht zum ersten Mal über das Betreuungsgeld unterhalten. Der Bezeichnung „familienpolitischer Irrsinn“ kann ich mich nur anschließen. Ich glaube, es waren drei Versuche eines Entschließungsantrages. Letztes Mal war es die Aktuelle Stunde. Einen neuen Höhepunkt des absurden Theaters auf Bundesebene haben wir letzte Woche erleben können.

Für mich hat das nur eines deutlich gezeigt: Der Widerstand in Ihren eigenen Reihen ist eigentlich gewaltig. Aber man hält daran fest. Die kleine bayrische Schwesterpartei spielt mit den Muskeln. Das nennt man auch „wag the dog“. Kurz gesagt, man droht mit dem Bruch der Koalition, und man hält weiter an diesem - - - Ich mag es gar nicht als „familienpolitisches Instrument“ bezeichnen; denn das Betreuungsgeld ist frauenfeindlich, arbeitsmarktfeindlich und bildungsfeindlich, weil es diejenigen Kinder, die einer besonderen Förderung bedürfen, von den Krippen fernhält. Es ist integrationsfeindlich, es ist familienfeindlich.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Keiner will es. 80 % der Bevölkerung sind dagegen. Und das angesichts der Situation - die Kollegin Staudte hat das schon ausführlich ausgeführt, und es steht auch in dem Antrag -, dass Niedersachsen den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz im nächsten Jahr nicht erfüllen kann. Die Landesregierung gibt z. B. in den Antworten auf unsere Anfragen selbst zu, dass dringend auch Bundesmittel gebraucht werden. Es ist klar: Es gibt genug Möglichkeiten, das Geld, das zur Verfügung stünde, auf Landesebene sinnvoll einzusetzen.

Über die Abweichler in den eigenen Reihen habe ich schon gesprochen. Vor einigen Wochen habe ich Frau von der Leyen morgens im Frühstücksfernsehen gesehen. Sie bekam die Frage gestellt, ob sie nicht irgendetwas Positives über das Betreuungsgeld sagen könne. Sie sagte zwar, man müsse daran festhalten, fuhr dann aber fast wörtlich fort: Nein, ich weigere mich, hier irgendetwas Positives über das Betreuungsgeld zu sagen.

(Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])