Die Folgen solcher Schrumpfstrategien wie beim Fiskalpakt sind in Griechenland zu beobachten. Sie sind tragisch. Mehr als ein Fünftel ist arbeitslos, bei Jugendlichen sind es über 40 %. Seit 2010 hat sich die Selbstmordrate verdoppelt. Die Gehälter sind um ein Viertel gesunken. Arme Mütter geben ihre Kinder in Kinderheimen ab oder geben sie zur Adoption frei.
Ihr Kurs führt Länder in die Depression. Sie greifen mit diesem Fiskalpakt und den zugehörigen Automatismen in die Haushaltshoheit von Ländern und Parlamenten ein und wollen offensichtlich die Konjunkturpolitik endgültig abschaffen. Da hat es sich dann mit KP II und ähnlichen Dingen. Was Sie da leider in einer ganz großen Koalition tun, das grenzt an ökonomischen Terrorismus.
CDU und FDP haben hier im Landtag dargestellt, dass nach ihrer aktuellen Planung in Niedersachsen 2014 ungefähr 720 Millionen Euro und 2015 470 Millionen Euro neue Schulden gemacht werden sollen. Mit Ihrem Ja zum Fiskalpakt können Sie diese Planung in der Pfeife rauchen, weil Sie damit die zulässige Höchstgrenze von ca. 400 Millionen Euro verletzen. Wo wollen Sie dann wieder streichen und kürzen?
Was die Betroffenheit von Kommunen angeht, die auch unter den Pakt fallen würden, so sind wir durch die Antwort der Bundesregierung auf eine aktuelle Anfrage der Linken überhaupt nicht beruhigt. Die Aussage, Kommunen seien normalerweise im Plus und man plane keine Änderungen bezüglich der Kommunen, ist keine Sicherheit. Wir fürchten weitere Schwimmbadschließungen und Lehrkräfteabbau.
Damit sind wir nicht alleine. Auch das Präsidium des Deutschen Landkreistages zeigt in seiner Pressemeldung von gestern Bedenken.
Begreifen Sie endlich, dass Schulden nicht durch eine reine Kürzungspolitik abgebaut werden können! Stimmen Sie Fiskalpakt und ESM nicht zu! Koppeln Sie Darlehen an notleidende Staaten nicht an Sozialabbau! Sorgen Sie für ein europaweites Zukunftsinvestitionsprogramm, eine Vermögensabgabe und überhaupt für eine gerechtere Besteuerung!
Machen Sie wenigstens endlich einen ersten Schritt gegen das Krisen verursachende Lohn- und Sozialdumping in Deutschland, indem Sie einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro einführen!
Meine Damen und Herren, wenigstens SPD und Grünen sollte doch zu denken geben, dass ver.di, der DGB und viele andere sich klar gegen den Fiskalpakt aussprechen.
Ich kann mich erinnern, dass Ihr Vorsitzender gesagt hat, die SPD dürfe sich nie wieder so weit von den Gewerkschaften entfernen, wie es in den letzten Jahren der Fall war. Sie sollten sich das zu Herzen nehmen und den Empfehlungen des DGB und von ver.di folgen.
Ich würde Ihnen ohnehin empfehlen, am besten alle vorliegenden Anträge zurückzuziehen. Damit wäre allen mehr geholfen als mit dem, was Sie hier beschließen lassen wollen. DIE LINKE wird dem Fiskalpakt jedenfalls nicht zustimmen, sondern am nächsten Freitag einen Eilantrag in Karlsruhe stellen. Das Bundesverfassungsgericht wird Sie dann hoffentlich einmal mehr in die Schranken weisen und die Unterschrift des Bundespräsidenten unter dieses unsägliche Werk verhindern.
Auf den Beitrag von Frau Flauger hat sich Herr Wenzel zu einer Kurzintervention gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Wenzel.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Flauger, vielleicht haben Sie unseren Antrag gelesen und festgestellt, dass wir in dem Antrag, der am Mittwoch diskutiert wurde, eindeutig mehr Ehrlichkeit bei den Einnahmen gefordert haben. Wir haben nämlich sehr deutlich gesagt, dass wir die Vermögenden über eine Vermögensteuer und über eine Erbschaftsteuer zur Finanzierung unseres Gemeinwesens heranziehen wollen. Das ist der zentrale Punkt, bei dem man endlich zu Lösungen kommen muss.
Ob es zu einem Kompromiss kommt, entscheidet sich frühestens am Sonntag, vorbehaltlich einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Bundestages und des Bundesrates.
Entscheidend ist am Ende aber, ob Europa einen Weg findet, um sich gemeinsam diesen Angriffen gegen den Euro zu stellen. Dazu bedarf es endlich einer Maßnahme, um das Kasinospiel an den Börsen zu stoppen. Das ist z. B. die Finanztransaktionssteuer. Das ist ein erster wichtiger Schritt.
Darüber hinaus - das ist der Punkt, an dem ich angesichts der bisherigen Entwicklung noch sehr pessimistisch bin - braucht es auch einen Mechanismus, der verhindert, dass jetzt gegen das nächste und dann gegen das übernächste Euroland spekuliert wird. Deshalb brauchen wir am Ende entweder den Altschuldentilgungsfonds oder eine Banklizenz für die EZB.
Das ist am Sonntag noch nicht Verhandlungsgegenstand, und deswegen bin ich sicher, dass die Lösung am Sonntag auch noch nicht gefunden wird.
Vielen Dank. - Lieber Kollege Wenzel, dass Sie an anderer Stelle in einem anderen Antrag irgendwelche Forderungen aufstellen und sich etwas wünschen - ohne das zur Bedingung für Ihre Zustimmung zum Fiskalpakt, der jetzt im Raum steht, zu machen -, ist ja schön und gut. Aber Sie haben sich Ihre Zustimmung doch bereits abkaufen lassen. Sie haben doch schon ganz klar Ja gesagt.
Und Sie haben für sehr wenig Ja gesagt! Was Sie an Spardiktaten den Ländern in Europa überstülpen wollen, bewegt sich in der Größenordnung von 500 Milliarden Euro. In einer Größenordnung von jedenfalls unter 200 Milliarden Euro - ich weiß es nicht genau - spielt sich das ab, was Sie meinen herausgehandelt zu haben, und das auch noch unverbindlich.
Die Finanztransaktionssteuer soll es geben, wenn sich neun Länder finden, die das irgendwie mitmachen. Meine Güte, aufgrund solch vager Zusicherungen lassen Sie sich auf solche Zugeständnisse ein? - Das ist doch peinlich!
Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich die FDP einigermaßen ins Fäustchen lacht über den Kompromiss, den Sie da erzielt haben. Sie wollen neun Länder dazu bringen, ebenfalls eine Finanztransaktionssteuer zu beschließen, die sich nach dem, was Sie verhandelt haben, übrigens auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen würde. Es gibt genug Auswege, um das nicht zu erreichen. Angela Merkel wird dann sagen: „Tut mir leid, ich habe es ja versucht.“ Und die FDP wird sagen: „So haben wir es uns von Anfang an vorgestellt.“
Der nächste Beitrag kommt von Frau Polat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Frau Polat, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Entwicklungen sind - Herr Aller hat es gesagt - sehr dynamisch, was europäische Angelegenheiten betrifft. Zwei Ereignisse waren in dieser Woche entscheidend für die Debatte heute im Landtag.
Zum einen war das das Karlsruher Urteil zur Klage unserer Fraktion im Bundestag. Meine Damen und Herren, die Grünen haben in ihrem Kampf für starke Parlamentsrechte vor dem Bundesverfassungsgericht einen wichtigen Sieg errungen.
Das muss an dieser Stelle noch einmal gesagt werden, weil das auch Inhalt des SPD-Antrags ist, dem wir zugestimmt haben. Damit wurde zum einen Schäubles Vernebelungstaktik von den Richtern abgestraft und zum anderen - das möchte ich hier betonen - der unwürdige Zustand, dass sich Abgeordnete die Informationen und Unterlagen von Parlamenten aus den Nachbarländern besorgen müssen. Sie müssen sich dieses Urteil wirklich einmal durchlesen. Es ist unfassbar, wie in solch entscheidenden Fragen mit Parlamentsrechten umgegangen wird. Deshalb war diese Woche wirklich eine gute Woche für die Stärkung der Demokratie in Europa.
Für die Bundesregierung ist das Urteil eine herbe Niederlage. Monatelang hat sie das Parlament an der Nase herumgeführt. Für uns hier in Niedersachsen ist wichtig, dass das bisherige Motto „Friss oder stirb“ passé ist.
Zum anderen darf der Fiskalpakt die Bedingungen der nationalen Schuldenbremse für Länder und Kommunen nicht verschärfen. Das hat der Kollege Hans-Jürgen Klein gestern in der Beratung zu unserem Antrag deutlich gemacht. In den Kurzinterventionen sind meine Kollegen darauf eingegangen. Wir haben das in Bezug auf den Abbaupfad bis 2020 mit Blick auf Artikel 109 des Grundgesetzes deutlich gemacht. Die Ausnahmen dürfen nicht eingeschränkt werden. Es bedarf einer angemessenen Finanzausstattung, einer lastengerechten Steuerpolitik und - ganz wichtig - der kritischen Bewertung der gesamtstaatlichen Aufgabenverteilung. Das ist auch in Ihrem jetzt eingebrachten Änderungsantrag nicht ausreichend berücksichtigt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zum Abschluss: Herr Kollege Dr. Matthiesen, Sie schreiben in Ihrem Antrag selbst, dass der Fiskalpakt ein Instrument der Krisenprävention ist. Was wir aber wirklich brauchen, um die Probleme der Euroländer zu lösen, ist, dass die Refinanzierungsschwierigkeiten gelöst werden und der Zinsdruck aus den Märkten genommen wird. Wenn das nicht passiert, bringen alle anderen Instrumente nichts. Bis heute verweigern Sie sich den Vorschlägen des Sachverständigenrates, einem Schuldentilgungsfonds zuzustimmen oder Eurobonds einzuführen.
Das Wichtigste ist es, den Zinsdruck aus den europäischen Krisenländern herauszunehmen. Erst dann wirken Instrumente wie der Fiskalpakt oder ähnliche Wachstums- und Investitionsprogramme.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit sind wir am Ende der Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst zu Tagesordnungspunkt 28. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drs. 16/4585 ablehnen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das Erste war die Mehrheit. Damit ist der Beschlussempfehlung gefolgt worden.
Zu Tagesordnungspunkt 12 ist ein Antrag auf sofortige Abstimmung gestellt worden. Die Fraktionen der CDU und der FDP haben diese sofortige Abstimmung über ihren Antrag in der Drs. 16/4875