Damit komme ich zum zweiten wesentlichen Punkt der vorgesehenen Änderungen. Die erforderliche Mitgliederzahl zur Herstellung der Beschlussfähigkeit wird auf sieben Mitglieder festgesetzt. Eine geringere Anzahl birgt die Gefahr, dass Abstimmungsergebnisse davon abhängen, welche stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind. Damit wäre die Absicht der Landesregierung, die Härtefallkommission mit den wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen Niedersachsens zu besetzen und dadurch einen breiten Konsens für deren Entscheidungen herbeizuführen, gefährdet.
Ich bin auch zuversichtlich, dass sich die Sitzungen mit mindestens sieben stimmberechtigten Mitgliedern organisieren lassen. Bereits jetzt kann sich jedes Mitglied durch einen Stellvertreter vertreten lassen. Zukünftig sollen auch mehrere Stellvertreter möglich sein, sodass wirklich sichergestellt ist, dass auch jede Organisation bei den Abstimmungen präsent ist.
Zu Frage 2: Die bisherige Praxis hat Schwächen in der Anwendung der Härtefallkommissionsverordnung aufgezeigt. Folgende wesentliche Änderun
gen sind vorgesehen: die bereits erwähnte Veränderung des Quorums und der Mitgliederzahl zur Herstellung der Beschlussfähigkeit; die Einbeziehung der Kommission in Entscheidungen über die Annahme von Eingaben durch Einrichtung eines Vorprüfungsgremiums; die Streichung des Nichtannahmegrundes „Verurteilung wegen fahrlässiger Straftaten“; Belehrungspflicht der Ausländerbehörden im Hinblick auf die Möglichkeit, die Härtefallkommission anzurufen; die Einführung einer Beschleunigungsregelung, die den Interessen der betroffenen Ausländerinnen und Ausländern gerecht wird und die Belastung der Kommissionsmitglieder berücksichtigt.
Die Forderung einzelner Verbände, in die Härtefallkommissionsverordnung Regelungen aufzunehmen, die besonders schutzbedürftige Personen - wie Alte, Kranke und Alleinstehende - bevorzugt, wird nicht erfüllt. Eine derartige Regelung wäre schlicht und ergreifend rechtswidrig.
Zielrichtung der bundesgesetzlichen Regelung des § 23 a Aufenthaltsgesetz ist die Lösung von Einzelfällen. Regelungen, die Gruppen betreffen, sind nach § 23 Aufenthaltsgesetz entweder von der obersten Landesbehörde oder vom Bundesminister des Inneren zu treffen, nicht aber von der Härtefallkommission.
Zu Frage 3: Seit Beginn der Arbeit der Härtefallkommission sind zwei Kommissionsmitglieder ausgeschieden, weil sie mit Entscheidungen der Kommission nicht einverstanden waren. Darüber hinaus gab es folgende weitere Veränderungen in der Zusammensetzung der Kommission: In drei Fällen sind Mitglieder ausgeschieden, da sie innerhalb ihrer Organisation mit neuen Aufgaben betraut wurden. Bei drei Personen endete die Amtszeit zum 31. Dezember 2009. In neun Fällen haben Kommissionsmitglieder aus persönlichen Gründen ihre Aufgaben in der Kommission nicht mehr wahrnehmen wollen, insbesondere wegen Wahrnehmung eines anderen Amtes oder weil sie zu große Belastungen hatten.
Mit der Frage nach der Geschäftsführung ist vermutlich der Vorsitz gemeint. Die jetzige Vorsitzende, Frau Schaffer, ist die vierte Person, die diese Funktion innehat, und zwar seit dem 1. November 2010. Diejenigen, die dieses Amt vorher innegehabt haben, haben andere, in der Regel höhere Positionen eingenommen.
Vielen Dank, Herr Minister. - Mir liegen inzwischen sechs Zusatzfragen vor. Die erste Frage wird von Frau Polat von Bündnis 90/Die Grünen gestellt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass der Minister gerade selber noch einmal ausgeführt hat, dass im Gesetzestext „abweichend von den Erteilungsvoraussetzungen im Aufenthaltsgesetz“ steht und bei grundlegenden Entscheidungen nur humanitäre und persönliche Gründe relevant sind, frage ich die Landesregierung: Warum werden über die vom Bundesgesetzgeber formulierten Kriterien hinaus in der Verordnung weitere Kriterien formuliert, und welche sind das?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich lese Ihnen das gerne aus der Verordnung vor - es geht um § 5 der jetzigen Verordnung; denn nur daraus kann ich im Moment vorlesen -:
„(1) Die Härtefallkommission entscheidet durch ihr vorsitzendes Mitglied, ob die Voraussetzungen für ihr Tätigwerden vorliegen. Eine Eingabe wird nicht zur Beratung angenommen, wenn
1. sich die Ausländerin oder der Ausländer nicht im Bundesgebiet aufhält oder der Aufenthaltsort nicht bekannt ist,“
- das geht eindeutig aus dem Aufenthaltsrecht hervor; wenn er gar nicht da ist, kann er dieses Recht natürlich nicht haben -
„2. für die Ausländer oder den Ausländer eine Niedersächsische Ausländerbehörde nicht zuständig ist,“
- das ist logisch; wenn Niedersachsen nicht zuständig ist, kann eine Niedersächsische Härtefallkommission nicht darüber befinden -
„4. der Termin für eine Abschiebung der Ausländerin oder des Ausländers bereits feststeht oder Abschiebungshaft angeordnet wurde,“
- auch das ist ziemlich eindeutig, weil ansonsten eine Abschiebung überhaupt nicht mehr vorgenommen werden könnte; dann würde ja immer abgetaucht, und wir hätten keine Möglichkeit, das in Zukunft durchzusetzen -
„5. die Ausländerin oder der Ausländer in den letzten drei Jahren vor Eingang der Eingabe zu einer oder mehreren Geldstrafen von insgesamt mindestens 90 Tagessätzen oder zu einer oder mehreren Freiheitsstrafen von insgesamt mindestens drei Monaten verurteilt wurde,“
- meine Damen und Herren, dass jemand, der in einem so erheblichen Maße straffällig geworden ist, nicht von einer Härtefallregelung profitieren kann, ergibt sich aus dem Sinn des Aufenthaltsrechtes; insofern ist dieses auch eindeutig geregelt -
„6. für die Ausländerin oder den Ausländer beim Landtag eine Eingabe in einer aufenthaltsrechtlichen Angelegenheit anhängig ist,“
- das betrifft den Fall, dass sich die Angelegenheit im Petitionsverfahren befindet; da haben wir ja eine andere Zuständigkeit -
„7. der Landtag nach dem 1. Januar 2005 abschließend entschieden oder die Härtefallkommission sich mit einer Eingabe befasst hat und sich weder der Sachverhalt noch die Rechtslage zugunsten der Ausländerin oder des Ausländers nachträglich geändert hat“
- d. h. wenn über den Sachverhalt bereits entschieden worden ist und die Sachlage völlig eindeutig ist, kann man das Ganze natürlich nicht noch einmal beliebig oft in die Härtefallkommission geben; auch das ist ziemlich klar -
„oder 8. ausschließlich Gründe vorgetragen werden, die durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfen sind.“
„(2) Liegt bei der Eingabe einer betroffenen Ausländerin oder eines betroffenen Ausländers ein Grund nach Absatz 1 Satz 2 nicht vor, so entscheidet die Härtefallkommission, ob sie die Eingabe beraten wird.
(3) Das vorsitzende Mitglied teilt dem Fachministerium unverzüglich die Fälle mit, die von der Härtefallkommission beraten werden. Das Fachministerium ordnet an, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung über die Eingabe zurückgestellt werden.“ Ich muss sagen: Wo ist da das Problem? - Im Prinzip ist alles geregelt und sehr gut nachvollziehbar. Deshalb verstehe ich Ihre Aufregung hier nicht. (Beifall bei der CDU und bei der FDP)
Vielen Dank. - Herr Präsident! Vor dem Hintergrund, dass der Herr Minister sowohl in der gestrigen Aktuellen Stunde als auch heute gesagt, dass die neue Härtefallkommissionsverordnung am Dienstag vom Kabinett beschlossen werden soll, frage ich ihn, nachdem nun klar ist, dass sich nach der Geschäftsordnung des Landtags die Integrationskommission mit dieser wichtigen Frage befassen darf und sich auf Antrag jeden einzelnen Mitglieds damit auch befassen muss: Herr Minister, wie stehen Sie dazu, dass die Integrationskommission aufgrund des sofortigen Inkrafttretens der neuen Verordnung keine Chance bekommt, zu den Stellungnahmen der Verbände und Organisationen eine Empfehlung auszusprechen? - Das nämlich würde passieren, wenn Sie schon am Dienstag beschließen und insofern alles ad absurdum führen, zumal ein umfangreiches Papier der Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtsverbände mit kritischen Hinweisen Änderungswünsche und ablehnenden Voten zu Ihrem Entwurf vorliegt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Beratungsverfahren des Parlaments habe ich als Innenminister nicht Stellung zu nehmen. Ich habe Ihnen bereits gestern gesagt, dass das Kabinett am Dienstag beschließen wird.
- Das kann ich nicht sagen. Es mag ja noch die Möglichkeit geben, für den Montag einzuladen. Aber das habe ich nicht zu verantworten.
Im Übrigen: Wenn die Landesregierung eine Verordnung erlässt, ist ein ganz bestimmtes Prozedere einzuhalten. Die Betroffenen werden angehört. Wir haben sogar zwei Wochen zusätzliche Zeit zur Verfügung gestellt, weil darum gebeten worden ist. Meiner Ansicht nach ist es wichtig, dass wir das vernünftig abwägen. Das machen wir. Wir führen bis Dienstag sogar noch parallel Gespräche dazu. Das heißt: Eine Transparenz ist auf jeden Fall vorhanden.
Wenn Sie, nachdem die Landesregierung beschlossen hat, darüber beraten wollen, ist das in Ordnung. Aber es gibt keine Regelung, die einem anderen Gremium die Möglichkeit verschafft, vor der Beschlussfassung durch das Kabinett etwas dazu zu sagen. Daran sollten Sie sich gewöhnen, und ich glaube, das ist auch der richtige Weg. Wenn Sie trotzdem vorher zu irgendwelchen Sitzungen einladen wollen, dann ist Ihnen das völlig unbenommen.
Meine Damen und Herren, die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
präsident des Bundesverfassungsgerichts, Herr Gottfried Mahrenholz, schreibt in einer Stellungnahme zu Ihrer Härtefallverordnung mit Bezug auf das Entscheidungsrecht der Vorsitzenden über die Annahme oder die Verweigerung der Annahme eines bestimmten Falles:
„Das gesamte deutsche Rechtssystem beruht ohne jede Ausnahme darauf, dass nicht nur die Tat und nicht nur die Verurteilung angesehen werden, sondern der betreffende Mensch.“