Protocol of the Session on June 20, 2012

Wir haben natürlich auch eine klare Position zu den Finanzströmen. Unserer Ansicht nach ist das beim Präsidium gut aufgehoben; denn das Präsidium kann dies richtig und gut machen. Wir werden sehen, wie es weiter läuft. Dann kann man darüber nachdenken, ob man gegebenenfalls eine Trennung vornehmen sollte.

Man kann sich auf der einen Seite bemühen, konstruktiv miteinander umzugehen. Auch wir hätten hier noch unsere Vorschläge, die wir schon im Ausschuss unterbreitet haben, mit einbringen können, wie Sie es getan haben. Das ist aber banaler Unsinn. Wir haben diesen Prozess abgeschlossen. Wir werden jetzt über den Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung abstimmen. Wir werden ihm zustimmen. Das, denke ich, ist konstruktive Arbeit.

(Beifall bei der SPD - Hans-Dieter Haase [SPD]: Jawohl, guter Mann!)

Herr Kollege Perli möchte antworten. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

Herr Wulf, ich habe heute etwas gelernt: Ihre konstruktive Mitarbeit besteht darin, Vorschläge zu unterbreiten, die von CDU und FDP allesamt abgelehnt werden, und hinterher doch noch zuzustimmen. Um ein Beispiel zu nennen: Was die Zusammensetzung des Beirats angeht, haben Sie gesagt, Sie hätten erreicht, dass die Statusgruppen berücksichtigt werden. Der Punkt ist doch, dass zehn Professorenvertreter zwei plus zwei plus zwei Vertretern der Statusgruppen gegenüberstehen. Das ist ein totales Ungleichgewicht.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Vorher waren überhaupt keine dabei!)

Das Schlimme ist: Sie haben sich mit der Zusammensetzung des Gremiums aufgehalten und dabei vergessen, sich dafür einzusetzen, dass die Mitglieder von der eigenen Gruppe benannt werden können. Jetzt ist geregelt, dass die Präsidentin der Universität vorschlägt, wer die Gruppe der Studierenden, der Professoren und der Beschäftigten

vertritt. Das ist doch keine Demokratie, meine Damen und Herren!

(Zuruf von der SPD)

- Nein. Wir haben die konkreten Änderungsvorschläge von den Beschäftigten, von den Studierenden, vom Senat und aus den anderen Fachbereichen aufgegriffen, in Änderungsanträge gegossen, sie in die Beratung eingebracht und diskutiert. Sie haben sich an vielen Punkten unter dem Stichwort „Vertrauensvorschuss“ zurückgezogen. Wenn man keine Argumente mehr hat, dann kommt der Vertrauensvorschuss, meine Damen und Herren. Das ist das Pauschalargument für eine intransparente Lösung.

Deswegen ist die Aussage, wir seien fundamentalistisch, gänzlich zurückzuweisen. Uns geht es darum, dass dieses Projekt ein Erfolg wird. Ein Erfolg kann es aber nur werden, wenn alle Beteiligten mit dabei sind und mitentscheiden dürfen. Genau diese Variante wurde aber nicht gewählt. Sie möchten ein Präsidium und einen Dekan, die alles entscheiden dürfen; der Rest darf nur mitreden, aber nicht mitentscheiden. Das machen wir nicht mit. Wir wollen mehr Demokratie!

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat die zuständige Ministerin Frau Professorin Dr. Wanka das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, heute ist ein wichtiger Tag für die Oldenburger Region. Man schaut darauf, was heute in diesem Landtag beschlossen wird. Wir haben es gerade gehört: Mit diesem Gesetz wird der einzige weiße Fleck auf der Landkarte der Bundesrepublik Deutschland beseitigt, wo es keine maximale Krankenversorgung gab. Um das Außergewöhnliche klar zu machen: Das die erste Neugründung einer medizinischen Fakultät in der Bundesrepublik Deutschland seit 1972, also seit 40 Jahren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP sowie von Wolfgang Wulf [SPD])

Bei dieser Gründung gibt es eine ganze Reihe von Besonderheiten. Dass es ein grenzüberschreitender Studiengang ist, ist bereits gesagt worden. Es gibt kein Universitätsklinikum, sondern die praktische medizinische Ausbildung erfolgt über ein Kooperationsmodell mit verschiedenen Kranken

häusern. Es gibt im Ansatz neue Strukturen; man kann zwar das klassische Staatsexamen absolvieren, aber es ist anders strukturiert.

Meine Damen und Herren, wenn man so viel Neues beginnen will, dann müsste man schon in einer bestehenden Hochschule überlegen, wie man das alles regelt. Wenn man an einer bestehenden Hochschule eine neue Fakultät und dann auch noch eine medizinische Fakultät gründen will, dann ist das ein außerordentlich komplizierter Prozess. Es ist ganz klar: Wenn alles von den anderen Fakultäten bestimmt wird, solange diese Fakultät noch nicht existiert, besteht eine große Gefahr darin, dass das zulasten der neu zu gründenden Fakultät geht. Deswegen musste man auch im Hinblick auf die Rechte der Selbstverwaltungsorgane in der Universität - Senat etc. - überlegen, wie man sicherstellen kann, dass in der Zeit, in der vielleicht erst zwei oder drei Professoren der medizinischen Fakultät da sind, adäquate Entscheidungen für die medizinische Fakultät getroffen werden.

Herr Wulf, das alles geschah mit äußerster Schnelligkeit. Wenn irgendjemand von uns oder von den Beteiligten vor Ort Dienst nach Vorschrift gemacht hätte, dann hätten wir unser Ziel nicht erreicht.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben z. B. für den Gründungsausschuss hochkarätige medizinische Vertreter aus der ganzen Bundesrepublik Deutschland gewonnen, die nebenbei auch ihre regulären Tätigkeiten - Operationen usw. - ausüben mussten. Sie haben es aber geschafft, innerhalb kürzester Zeit mehrfach zu tagen und ihre Kraft und Energie einzubringen.

Gestern Abend wurde der Beschluss im Präsidium gefasst, dass die Fakultät zum 15. Juli - wie im Gesetz geregelt - gegründet wird. Die komplizierten Vertragsverhandlungen mit den Krankenhäusern sind in der Endphase. Wir werden den Kooperationsvertrag mit Groningen noch in der ersten Juli-Hälfte abschließen.

(Zustimmung bei der CDU)

Vor diesem Hintergrund war es ganz wichtig, dass der Landtag, der natürlich auch intensiv beraten hat, den Beschluss nicht auf die lange Bank schiebt. Es wäre ein ganz schlechtes Signal gewesen - das habe ich Ihnen gesagt -, wenn es trotz dieser schnellen und intensiven Arbeit im letzten Schritt verhindert worden wäre, dass dieser Studiengang im Oktober starten kann.

Von den Punkten, die im Gesetzgebungsverfahren diskutiert worden sind, möchte ich drei aufgreifen. Der erste Punkt, der heute noch nicht angesprochen worden ist, aber im Schriftlichen Bericht zu lesen ist, betrifft das Hausberufungsverbot. Wir lockern das Hausberufungsverbot. Das richtet sich überhaupt nicht gegen die Bestenauslese, sondern es wird ermöglicht, dass sich Professoren der eigenen Hochschule auf ausgeschriebene Professorenstellen bewerben können, insbesondere auch Juniorprofessuren. Das ist nichts Negatives, sondern diese Innovation braucht Deutschland. In den USA ist keiner so dumm, qualifizierte, hochkarätige Leute der eigenen Hochschule an eine andere Hochschule gehen zu lassen. Dort sind Hausberufungen möglich, zum Teil sogar der Regelfall.

In Deutschland ist das nicht möglich. In Oldenburg machen wir jetzt einen ersten Schritt in Richtung Lockerung des Hausberufungsverbots. Das ist wichtig. Wir werden diese Richtung im Niedersächsischen Hochschulgesetz noch weiter einschlagen.

Ein zweiter Punkt betrifft die angesprochene Einrichtung des Beirats. Wir alle haben mit Engelszungen geredet und versucht, zu erklären, dass dieser Beirat kein Selbstverwaltungsorgan ist. Ein Selbstverwaltungsorgan ist der Senat, in den die Vertreter der verschiedenen Gruppen gewählt werden - Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter und nicht wissenschaftliche Mitarbeiter wie Laboranten und Sekretärinnen. Sie haben die grundlegenden Entscheidungen der Hochschule zu treffen. Der Beirat ist nach dem Vorschlag des Gründungsausschusses als ein Expertengremium konzipiert, in dem medizinische Experten vertreten sind, die wissen, welche Professoren für die Neurosensorik oder die Versorgungsforschung berufen werden müssen - in Oldenburg macht bisher niemand Versorgungsforschung. Deswegen brauchen wir Experten. Ich verstehe deshalb auch Ihre Angst vor auswärtigen Experten gar nicht.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Haben wir gar nicht!)

- Doch. Darüber wurde heftig diskutiert. Aber das ist völlig absurd. Ein zentraler Grund, aus dem der Wissenschaftsrat, der zuerst dagegen war, für dieses Projekt gestimmt hat, war die Kooperation mit Groningen. Groningen hat im europaweiten Ranking die meisten Spitzencluster und hat gerade in der Medizin einen ganz ausgezeichneten Ruf. Dass man diesen Sachverstand aus Groningen

nicht im Beirat haben will, erschließt sich mir überhaupt nicht.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Das haben wir gar nicht gesagt! Wir sind auch dafür!)

- Ich habe Ihnen sehr gut zugehört und habe alle Protokolle gelesen.

Die angesprochenen Mitgliedergruppen sind im Senat vertreten. Dort haben sie mit zu entscheiden. In dem Expertengremium, in dem z. B. beraten wird, ob eine Professur z. B. für Palliativmedizin eingerichtet wird, werden keine Entscheidungen getroffen. Aber gut, jetzt sind die Mitgliedsgruppen dort auch vertreten; ich denke, das ist unschädlich.

(Zuruf von Wolfgang Wulf [SPD])

- Nein, das ist kein demokratisches Selbstverwaltungsorgan.

(Wolfgang Wulf [SPD]: Das sehen wir anders! - Victor Perli [LINKE]: Es muss doch eine Parität möglich sein!)

Das ist eindeutig anders definiert; es ist ein wissenschaftlicher Beirat.

Aber es ist nicht schädlich. Jetzt werden dort Studenten vertreten sein. Dann sitzen da z. B. zwei zukünftige Medizinstudenten des ersten Semesters. Es kann ihnen nicht schaden, wenn sie sich die Diskussionen anhören.

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Diese Arroganz! - Zuruf von der SPD: Das ist Ihre Vorstellung! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Ja, genau, beim Beirat ist das meine Vorstellung.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das sind keine Kinder mehr!)

- Es sind aber auch keine Fachleute, die entscheiden, wie die Professuren besetzt werden.

(Zurufe - Unruhe)

Verehrte Frau Ministerin, ich möchte eben unterbrechen. - Das Wort hat jetzt Frau Ministerin! Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit für den Beitrag von Ministerin Wanka. - Bitte!

(Dr. Gabriele Andretta [SPD]: Das ist entlarvend!)

Das ist nicht entlarvend, Frau Andretta, sondern die Funktion des Beirats wurde nicht verstanden. Der Beirat hat eine ganz andere Funktion als ein Senat oder ein Fakultätsrat. Das hat damit nichts zu tun.

(Zustimmung bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Das hat doch damit nichts zu tun, wer drinsitzt! - Victor Perli [LINKE]: Das ist ein Ersatzfakul- tätsrat!)

Aber, wie gesagt, man kann das machen. Uns war an einem großen Konsens gelegen. Ich glaube, das wird von der Region auch erwartet und honoriert.

Der dritte Punkt ist die Trennung der Finanzströme. An der Medizinischen Hochschule Hannover ist es ganz anders als in Göttingen; dort hat man ein großes Klinikum. Man kann darüber diskutieren, ob wir die Finanzströme trennen oder ob die Mittel eine Zweckbindung haben, aber diese Frage ist im Moment überhaupt nicht entscheidend.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich möchte davor warnen - denn ich denke, das ist eine richtig gefährliche Grundauffassung -, sich hier aus der Verantwortung zu ziehen und zu sagen: Wir haben eine Anhörung durchgeführt, und die Mehrheitsmeinung wollen wir im Gesetz haben. - Die Verantwortung eines Parlaments und einer Landesregierung ist eine andere. Sie besteht nicht darin, dafür zu sorgen, dass alle maximal von dem Projekt profitieren, sondern sie besteht darin, dafür zu sorgen, dass 2017 bei der Evaluation durch den Wissenschaftsrat der Daumen nicht nach unten geht,