Protocol of the Session on June 20, 2012

Dem Änderungsantrag wurde nicht gefolgt. Wir kommen daher zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf.

Abschließende Beratung: Handys nicht als Ortungswanzen missbrauchen - Stille SMS und nicht individualisierte Funkzellenabfrage (FZA) stoppen - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4572 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 16/4778

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Zunächst hat sich Frau Zimmermann für die Fraktion DIE LINKE gemeldet. - Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Zimmermann.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen inzwischen, dass bundesweit jährlich Hunderttausende der sogenannten stillen SMS verschickt werden, um vom Besitzer unbemerkt den Standort seines Mobiltelefons und damit mutmaßlich seiner Person zu ermitteln.

Meine Fraktion hat händeringend versucht, konkrete Zahlen und Fakten von der Landesregierung darüber in Erfahrung zu bringen, in welchem Umfang in Niedersachsen dieses verfassungsrechtlich sehr problematische Instrument zur Personenortung benutzt wurde und wird. Während die Auskünfte des Bundes und die Auskünfte in anderen Ländern einen Überblick ermöglichten, hüllte sich das hiesige Innenministerium über Wochen in Schweigen.

Es hat uns schon verwundert, wie lange es dauerte, um die angefragte Information zu erhalten. Was uns jedoch noch viel mehr wunderte, war die Tatsache, dass die Landesregierung bei diesem sensiblen Bereich der polizeilichen Ermittlungen auf einen privaten Dienstleister zurückgreift, meine Damen und Herren. Das kann doch eigentlich nicht sein.

(Beifall bei der LINKEN)

Noch verwunderlicher war die Tatsache, dass dieser nicht einmal in der Lage ist, eine ordentliche Dokumentation vorzunehmen. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Landesregierung einfach ins Blaue hinein überwachen kann, ohne dass jemand das genaue Ausmaß mitbekommt.

(Thomas Adasch [CDU]: So ein Schwachsinn!)

Auch in juristischen Kreisen sind die stillen SMS höchst umstritten. Die Überwachung der Telekommunikation dürfte dem Grundsatz nach eigentlich nur als passive Tätigkeit ausgeführt werden. Das Erzeugen eines eigenen Kommunikationsvorgangs durch die Versendung stiller SMS ist hingegen eine aktive Maßnahme. Die Bewegungs- und Persönlichkeitsprofile, die man somit erlangt, stellen einen erheblichen Grundrechtseingriff dar.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass man diese fragwürdige Tätigkeit an private Dritte auslagert und die Landesregierung nicht einmal Dokumentationen hierzu liefern kann, ist schlichtweg ein Skandal und gehört umgehend eingestellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ebenso kritisch sehen wir die Funkzellenabfrage. Diese greift gezielt in das Fernmeldegeheimnis ein, durch das die Vertraulichkeit der Kommunikation geschützt werden soll. Betroffen sind hiervon jedoch nicht allein Zielpersonen. Betroffen hiervon sind alle Menschen, die sich im jeweiligen Gebiet mit einem Mobiltelefon befinden und über dieses kommunizieren, sowie alle weiteren Personen, die aus diesem Gebiet über ihr Mobiltelefon kontaktiert werden oder selbst Kontakt in das entsprechende Gebiet aufnehmen.

Der Skandal um das sogenannte Dresdner Handygate hat mehr als deutlich gezeigt, in welchem Umfang selbst bei geringfügigen Anlässen Daten von Hunderttausenden völlig unverdächtiger Personen erfasst werden. Das Ganze gleicht einem Kanonenschießen auf Spatzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei einer so deutlichen Unverhältnismäßigkeit ist es doch eigentlich völlig klar, dass der Grundrechtseingriff bei dermaßen vielen Unschuldigen und Unverdächtigen nicht akzeptabel ist. Er muss genauso wie die Versendung von stillen SMS umgehend eingestellt werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Adasch von der CDU-Fraktion, Sie haben das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE fordert in ihrem Antrag einen Verzicht auf die Verwendung der nicht individualisierten Funkzellenabfrage sowie auf das Versenden von Ortungsimpulsen, den so genannten stillen SMS.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Ermittlungsbehörden - hören Sie genau zu, Frau Zimmermann! - in Niedersachsen haben diese Maßnahmen jedoch erhebliche Bedeutung für die Aufklärung von Straftaten in den Bereichen der schweren und organisierten Kriminalität. Zudem sind die genannten Maßnahmen an die Erfüllung strenger rechtlicher Voraussetzungen gebunden. So ist für die Durchführung beider Maßnahmen eine richterliche Anordnung zwingend erforderlich.

Den Ermittlungsbehörden wird im Rahmen der FZA die Möglichkeit gegeben, Auskünfte über gespeicherte Verkehrsdaten in einer Mobilfunkzelle zu erhalten.

Im Falle des Versendens von Ortungsimpulsen wird ein Mobiltelefon technisch veranlasst, mit dem Mobilfunknetz Kontakt aufzunehmen, ohne dass der Nutzer davon in Kenntnis gesetzt wird. Dies stellt keinen Kommunikationsvorgang dar, sodass der Schutzbereich des Fernmeldegeheimnisses nach Artikel 10 des Grundgesetzes nicht berührt wird. Dies stellte das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahr 2006 fest. Von daher geht die Argumentation in der Antragsbegründung völlig fehl, Frau Zimmermann.

Ich möchte nochmals betonen, dass die beschriebenen Vorgänge der Funkzellenauswertung sowie des Versendens von Ortungsimpulsen ausschließlich auf richterlichen Beschluss oder, bei Gefahr im Verzug, aufgrund staatsanwaltschaftlicher Eilanordnungen, die binnen dreier Werktage richterlich bestätigt werden müssen, durchgeführt werden können.

Herr Adasch, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Zimmermann?

In der Antragsbegründung werden sowohl die FZA als auch die stille SMS als unverhältnismäßig dargestellt. Dazu führt die Fraktion der Linken die Argumente einer mangelnden Erfolgsquote sowie

eines massiven Anstiegs der stillen SMS an. Das Versenden stiller SMS ermöglicht letztlich die Ortung verdächtiger Personen wie beispielsweise flüchtiger Gewaltverbrecher, Vergewaltiger oder Drogenkrimineller.

Um den Aufenthaltsort einer Person ermitteln zu können, bedarf es selbstverständlich nicht nur eines Ortungsimpulses. Oft werden Impulse im Minutentakt versendet, um den Standort eines Verdächtigen zu verifizieren. Dadurch lässt sich die hohe Zahl der stillen SMS erklären. Zugleich ist dies ein Beweis dafür, dass die Ermittlungsmethode erfolgreich angewendet wird.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Von Verhältnismäßigkeit hat er noch nichts gesagt!)

Die Linken kritisieren am Ende der Antragsbegründung außerdem die mangelnde Informationspflicht der Behörden gegenüber den Personen, die einen Ortungsimpuls empfangen haben. Ich frage mich ernsthaft, ob das Ermittlungsinstrument richtig verstanden wurde. Was hat es für einen Sinn, eine verdächtige Person darüber zu informieren, dass die Ermittlungsbehörden versuchen, den Aufenthaltsort selbiger ausfindig zu machen? Mit einer umfassenden Informationspflicht der Behörden gegenüber den Betroffenen würde der Ermittlungserfolg gefährdet sowie der Sinn der Maßnahme ad absurdum geführt werden.

Frau Flauger, alle Fraktionen dieses Hauses mit Ausnahme der Linken stimmen in der Einschätzung überein, dass auf die genannten modernen Ermittlungsinstrumente nicht verzichtet werden kann.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Sie ha- ben noch nichts zur Verhältnismäßig- keit gesagt!)

Dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit wird aufgrund der besonderen Schwere des Verbrechens in jedem Einzelfall sowie aus den gegebenen rechtlichen Voraussetzungen Rechnung getragen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Hundert- tausende!)

Die Fraktion der CDU wird diesen Antrag folglich ablehnen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Fal- sche Entscheidung!)

Zu diesem Beitrag liegt eine Wortmeldung zu einer Kurzintervention vor. Frau Zimmermann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Adasch, ich habe noch eine Frage. Wir haben eine Anfrage gestellt, aber keine Antworten bekommen. Wenn man sagt, man versendet stille SMS, um Schwerverbrechern auf die Spur zu kommen, dann müsste man zumindest benennen können, um wie viele und um welche Schwerverbrechen es sich handelt. Das alles scheint aber gar nicht möglich zu sein.

Zudem sind Sie auch nicht auf die Privatisierung dieser Tätigkeiten eingegangen. Sie können uns noch nicht einmal sagen, welche Firma das macht.

Meine letzte Anmerkung bezieht sich auf die Funkzellenabfrage. Dabei werden offensichtlich sehr viele Menschen auf einmal überwacht, die mit der Angelegenheit gar nichts zu tun haben. Ich hatte als Beispiel das Dresdner Handygate genannt, bei dem das vorgekommen ist. Politisch motiviert hat es dort eine Funkzellenabfrage gegeben.

Ich möchte Sie fragen, wie Ihre Einstellung dazu ist, dass Menschen - vielleicht irgendwann auch Sie selber - überwacht werden, nur weil sie an einem bestimmten Ort mit ihrem Handy telefonieren oder es einfach nur dabei haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die nächste Wortmeldung liegt mir von Frau Leuschner für die SPD-Fraktion vor. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte schön!

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: Herr Adasch, die Antwort stand offensicht- lich nicht in dem Manuskript, das Ih- nen geschrieben worden ist! - Kres- zentia Flauger [LINKE]: Sie lassen es einfach so im Raum stehen!)