dazu führt, dass neue Schulden aufgenommen werden können, frage ich die Landesregierung, wie sie diesen Vorschlag insbesondere verfassungsrechtlich bewertet.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn meine Information richtig ist, hat der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst erhebliche verfassungsrechtliche Zweifel am Entwurf der SPD-Fraktion
geltend gemacht. Ich habe auch in meinem Hause meine Spezialisten darauf angesetzt. Von ihnen habe ich folgenden Vermerk erhalten:
Besonders herauszuheben sind folgende Punkte: Die Verschuldungsmöglichkeit aus konjunkturellen Gründen im SPD-Vorschlag widerspricht der Vorgabe durch Artikel 109 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes. Das Erfordernis der Symmetrie in Auf- und Abschwung wird nicht abgebildet. Der Verschuldungsspielraum wird über das im Grundgesetz vorgesehene Maß hinaus ausgedehnt. Auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt die zeitlich befristete Verschuldungsmöglichkeit bei dem Land nicht zurechenbaren strukturellen Änderungen der Einnahme- und Ausgabesituationen durch Bundesrecht (Steuerreform).
Das ist eben das Problem: Die SPD will eine Verschuldungsmöglichkeit haben, nachdem im Bundestag und im Bundesrat ein Gesetz auf ganz normale, verfassungsmäßige Art und Weise zustande gekommen ist. Als wenn es ein Notstand wäre, dass ein Gesetz beschlossen worden ist! Das ist im Rechtsstaat eigentlich eine Auffassung, die doch sehr gewöhnungsbedürftig sein dürfte.
Ich darf aber, damit Sie nicht immer sagen, ich sei befangen, aus dem rundblick von gestern zitieren:
stände für eine Verfassungsänderung daran gezweifelt werden, ob die Konsolidierungsbereitschaft dort wirklich in dem Maße vorhanden ist, wie das für die Einhaltung eines Verschuldungsverbots notwendig sein wird. Wer bundesgesetzliche Regelungen, die von den Ländern gemeinsam im Bundesrat bestätigt worden sind, als Notlage für Niedersachsen ansieht, hat noch einen weiten Weg zur Einsicht vor sich.“
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Liebe Kollegen! Ich frage die Landesregierung, ob sie mit mir in der heutigen Fragestunde den Eindruck bekommen hat, dass es auf dieser Seite des Hauses sehr viel Ungläubigkeit gegeben hat
hinsichtlich der Erkenntnis. Man hat den Eindruck, dass man das noch nicht begriffen hat. Können Sie diesem Hohen Hause noch einmal den Unterschied deutlich machen?
Können Sie dem Hohen Hause noch einmal den Unterschied zwischen der Änderung der Haushaltsordnung und der Änderung der Verfassung erklären? Ich habe den Eindruck, dass das hier noch nicht angekommen ist.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der beste Weg, ein Verschuldensverbot mit Abbaupfad für die Zukunft festzuschreiben, ist zweifelsohne eine Verfassungsänderung, bei der man die Vorgabe also in die gemeinsame Grundlage, die wir hier für unsere gemeinsame Arbeit haben, aufnimmt.
Wenn das nicht möglich ist, ist die zweitbeste Möglichkeit - aber auch die zweitbeste Möglichkeit ist besser als nichts -, diese Vorgabe in die Landeshaushaltsordnung aufzunehmen. Diese kann zwar mit einfacher Mehrheit geändert werden, aber auch in Zukunft dürfte es für eine Mehrheit eine Hemmschwelle darstellen, zunächst ein Gesetz aufzuheben, das ihr ein Verschuldensverbot auferlegt, um dann neue Schulden aufzunehmen; denn damit würde sie ganz deutlich machen, dass sie die zukünftigen Generationen nicht interessiert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein flexibel nach der jeweiligen Einnahmen- und Ausgabenentwicklung gesteuerter Abbaupfad der neuen Schulden beinhaltet theoretisch die Möglichkeit
- Abbaupfad für neue Schulden, darüber reden wir! -, dass ganz konkret bis 2020 zwischen null und den vom Herrn Minister ausgerechneten 5,4 Milliarden Euro herauskommen.
Ich frage Sie: Wie kommen Sie dann darauf zu unterstellen, dass eine solche Lösung in jedem Fall eine höhere Verschuldung verursachen wird als die festgefügt Lösung, die CDU und FDP anstreben, da zumindest die Möglichkeit besteht, dass wir sogar darunter bleiben?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte die Berechnung von Herrn Ellerbrock dargestellt. Sie ist jederzeit sofort nachzuvollziehen. Er hat den Abbaupfad aufgeschrieben und die Werte addiert. Das sind drei Zahlen.
(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das habe ich nicht angezweifelt! Ich habe nur Ihre Schlussfolgerung angezwei- felt!)
- Die Schlussfolgerung daraus ist, dass man festgestellt hat, dass eine Verschuldensmöglichkeit in den letzten 70 Jahren in Niedersachsen immer genutzt worden ist, obwohl wir ja nicht sagen können, dass wir in jedem Jahr eine Katastrophe hatten.
(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist un- redlich, was Sie da machen, weil der Fiskalpakt viel strenger sein wird!)
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der CDU: Das ist die Reife des Alters! - Jens Nacke [CDU]: Diese Einschätzung tei- le ich nicht!)
Das ist genau das richtige Stichwort, das ich Herrn Klein jetzt nennen muss. Der Fiskalpakt zwingt uns, einen Abbaupfad zu beschreiten. Der Fiskalpakt wird es nicht ermöglichen, Ihrem Vorschlag zu folgen und die eigenfinanzierten Investitionen zum Maßstab zu nehmen. Wenn Sie aber den Artikel 71 so belassen, stellt sich immer noch die Frage, wie man das zwischen den Bundesländern aufteilt. Denn es kann doch nicht jedes Bundesland für sich in Anspruch nehmen, die 0,15 % oder 0,25 % des Bruttoinlandsprodukts für sich zu verbrauchen.
Wir haben doch nun einmal Landesregierungen, die nur an sich denken. Ich erinnere an den Spruch von Wowereit, der einmal gesagt hatte, er habe noch nie eine Demonstration vor dem Roten Rathaus in Berlin gehabt, weil er Schulden gemacht habe, sondern er habe immer nur Demonstrationen erleben müssen, wenn er keine Schulden und stattdessen ein paar Einschnitte gemacht habe. Deshalb sei es einfach leichter, ohne ein Verschuldensverbot auszukommen. Das alles ist ja
Aber Sie sehen doch, wohin das geführt hat. Deshalb werden wir eine Regelung brauchen. Die Rechnung, Herr Klein, beschreibt die Möglichkeit, in Zukunft Schulden zu machen. Aber in den letzten knapp 70 Jahren, in der Zeit seit 1947, hat sich in Niedersachsen nun einmal gezeigt, dass, wenn die Möglichkeit bestanden hat, Schulden zu machen - egal, wer hier regiert hat -, auch welche gemacht worden sind. Deshalb muss dieses Verschuldensverbot in die Verfassung.
Wenn das mit Ihnen nicht machbar ist, muss es wenigstens in die Landeshaushaltsordnung, damit derjenige, der dann trotzdem Schulden machen will, sich nicht einfach auf die Ausnahmeregelung in Artikel 71 der Verfassung berufen kann, sondern erst einmal ein Gesetz aufheben muss, das ihm verbietet, Schulden zu machen. Deshalb ist der zweitbeste Weg zwar nicht der schönste, aber manchmal kann man eben nicht alles erreichen. Dann muss man das machen, was man erreichen kann, aber doch den richtigen Weg beschreibt.