Protocol of the Session on May 8, 2012

Durch ihr Engagement können Kinder Freude am Lernen gewinnen oder schon früh verlieren. Das gemeinsame Lernen in der Gesamtschule Grundschule führt nicht nur auf sozial-kultureller Ebene zu einem verständnisvollen Miteinander. Die IGLUStudie zeigt auch, dass diese Schule sehr leistungsfähig ist.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE])

Die Leistungsstreuung ist vergleichsweise gering, und die Leistungsspitze ist gut vertreten. Das ist guter europäischer Standard. Dabei hat sich gerade diese Schulform in den letzten Jahren sehr gewandelt. Unsere Grundschulen sind innovativ in Methodik und Didaktik. Sie leisten gute Arbeit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Ursula Ernst [CDU])

Freiarbeit, Wochenplanarbeit, Teamwork, Englischunterricht ab Klasse 3, Projekte, Arbeit am Computer oder sogar die Kommunikation mit Schulklassen in anderen europäischen Ländern sind in heutigen Grundschulen nichts Besonderes mehr.

Dazu kommt eine starke Veränderung der Aufgabe der Grundschule durch die Abschaffung der Orientierungsstufe. Die frühe Schullaufbahnempfehlung - für mich viel zu früh- setzt nicht nur Lehrerinnen und Lehrer, sondern auch Eltern und Kinder unter Druck.

(Beifall bei der SPD)

Hinzu kommen noch die Auswirkungen des demografischen Wandels. Dies hat die SPD-Fraktion dazu bewogen, die Situation der Grundschulen intensiver zu beleuchten. Gerade auf die Grundschulen kommen große Veränderungen zu. Zurückgehende Schülerzahlen sowie das Umwandeln der Schulen in inklusive Systeme stellen die Schulträger vor große Herausforderungen. In der HAZ steht heute, meine Damen und Herren, der Kultusminister sei ein „Meister der netten Verpackung“.

(Zuruf von der SPD: Was?)

Das bekommen die Kommunen zu spüren, die einen Zukunftsvertrag mit dem Land abschließen und aufgefordert werden, eine Schule aus Kostengründen zu schließen.

(Beifall bei der SPD - Zuruf: So ist es!)

Während der nette Herr Althusmann betont, keine Schule schließen zu wollen, setzt Kabinettskollege Schünemann die Daumenschrauben an, und die Kommunen haben den Schwarzen Peter.

(Zuruf von Johanne Modder [SPD]: Das ist die Wahrheit!)

Sie müssen sich vor Ort mit den Eltern auseinandersetzen. Sie machen sich einen schlanken Fuß auf Kosten der Kommunen, Herr Dr. Althusmann!

(Beifall bei der SPD)

Die größer werdende Heterogenität der Schülerschaft und der wachsende Anspruch der Eltern, die individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten eines jeden Kindes optimal zu fördern, stellen große Anforderungen an die Lehrkräfte, denen dazu eine Vielzahl an Dokumentationen abverlangt wird.

Schulleitungen sind in besonderer Weise als Organisatoren, Motivationstrainer und Mediatoren gefordert - neben ihrem Unterricht und meist nur mit minimaler Unterstützung durch Sekretärinnenstunden.

Das führt dazu, dass viele Stellen - in den vergangenen fünf Jahren waren es 422 - mehrfach ausgeschrieben werden mussten. An dieser Stelle, meine Damen und Herren, gilt unser Dank den Kolleginnen und Kollegen, die diese Arbeit trotz der schlechten Rahmenbedingungen gern und gut machen.

(Beifall bei der SPD)

Landesweit waren am 1. Dezember 2011 134 Schulleitungsstellen nicht besetzt. Dazu kamen noch über 100 kommissarisch besetzte Stellen, die noch nicht einmal flächendeckend erhoben wurden.

Ein viel diskutiertes Thema in der Öffentlichkeit ist der hohe Frauenanteil unter den Lehrkräften an Grundschulen.

Die Antwort auf unsere Frage nach dem Männeranteil in Leitungsfunktionen bestätigt, dass ein Drittel der Leitungspositionen mit männlichen Lehrkräften besetzt ist, während insgesamt der Männeranteil unter den Lehrkräften bei lediglich

10,9 % liegt. Einen Lösungsansatz für eine Veränderung bleiben Sie schuldig, Herr Kultusminister.

Schulleitungen sind besonders gefordert, wenn eine Grundschule als Ganztagsschule geführt wird. Pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - den versorgungsrechtlichen Aspekt lasse ich jetzt außer Acht; das behandeln wir an einer anderen Stelle - müssen gewonnen, begleitet und betreut werden. Dazu kommt die Organisation des Mittagessens. Eine Schulleiterin klagte, diese Arbeit habe den Umfang einer zweiten Schulleitung. Hier sind Sie, Herr Kultusminister, gefordert, endlich die Schulleitungen besonders an kleinen Schulen zu entlasten. Aber der jetzt zur Diskussion stehende Entwurf einer Arbeitszeitverordnung wird diesen Anforderungen in keiner Weise gerecht, stellt der Schulleitungsverband fest.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir uns die Personalstruktur der Lehrkräfte anschauen, müssen wir feststellen, dass die zurzeit stärksten Altersgruppen spätestens in den nächsten acht Jahren in den wohlverdienten Ruhestand wechseln werden, soweit sie sich jetzt nicht schon in der Altersteilzeit befinden. Das heißt, dass 5 700 Lehrkräfte zu ersetzen sind, meine Damen und Herren, wenn das Wort des Kultusministers gilt, dass die Demografierendite im System bleiben soll, damit Klassen verkleinert werden können.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Bis jetzt hat es ja noch geholfen! - Ursula Ernst [CDU]: Aber nicht durchgeführt!)

Ein interessantes Thema ist die Sprachförderung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sie erinnern sich sicherlich an die Selbstbeweihräucherung der Landesregierung seit 2003 bei diesem Thema, das die sozialdemokratische Vorgängerregierung schon auf die Schiene gesetzt hatte.

Jetzt zeigt sich jedoch: Es gibt nach fast zehn Jahren weder Zahlen über die Kinder, die zur Teilnahme an der Sprachförderung vor der Einschulung verpflichtet waren, noch gibt es Erkenntnisse über die Wirksamkeit dieser Sprachfördermaßnahmen.

Die Zahlen der Kinder, die im ersten Schuljahr an derartigen Fördermaßnahmen teilgenommen haben, zeigen jedoch eine steigende Tendenz. Das heißt, hier ist Handlungsbedarf.

Über die Schwierigkeiten bei der Koordinierung zwischen Grundschulen und Kitas sowie über Probleme bei Fahrzeiten und Förderorten gibt es reichlich Klagen. Wie schön, dass es zum 1. August endlich Handreichungen geben soll und dass auf Bundesebene die Effektivität dieser Maßnahmen endlich wissenschaftlich untersucht werden soll. - Das war ironisch gemeint.

(Beifall und Heiterkeit bei der SPD)

Übrigens trägt das Projekt „Deutsch als Zweitsprache“ nur sehr bedingt zu einer Verbesserung der Situation bei, da ein Großteil der Kinder mit der deutschen Muttersprache Probleme hat.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ja, genau!)

Meine Damen und Herren, ich kann nur einige markante Punkte aus dem umfangreichen Fragenkatalog aufgreifen. Bemerkenswert ist, dass trotz eines beklagten Bürokratieaufwandes viele interessante Daten nicht erhoben werden: Das gilt beispielsweise für die mit 106 Schulen geringe Zahl der Grundschulen mit einer Eingangsstufe. Hier wird nicht erfasst, wie viele Kinder diese Stufe in einem, zwei oder drei Jahren durchlaufen. Auch über die Entwicklung des Einschulungsalters, die Ergebnisse der Schuleingangsuntersuchungen oder über das beachtenswerte Engagement von Landkreisen und kreisfreien Städten zur Finanzierung von Schulsozialarbeit oder zusätzlichen Sprachfördermaßnahmen liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.

Das Kultusministerium stellt übrigens für den Ganztagsbereich an 522 Grundschulen gerade mal 45 Sozialpädagogen zur Verfügung, wobei jedoch eine möglichst frühe Unterstützung die Erfolgschancen für eine Veränderung schwieriger Verhältnisse erhöht - von späteren Folgekosten ganz zu schweigen.

Die zurückgehenden Schülerzahlen machen sich bemerkbar. Von den gut 1 700 Grundschulen unterschreiten 67 in diesem Schuljahr die vorgeschriebene Mindestzügigkeit von einer Klasse. In 91 Schulen werden im Schuljahr 2011/2012 jahrgangsübergreifende Klassen gebildet, an 20 von ihnen sowohl für die Jahrgänge 1, 2 als auch für die Jahrgänge 3, 4. Hier stellt sich auf längere Sicht die Qualitätsfrage. Können Arbeitsgemeinschaften, können Förderstunden, kann z. B. qualifizierter Musik- und Sportunterricht entsprechend angeboten werden?

Für das Thema Inklusion sind 52,4 % der Grundschulen schon im Rahmen eines regionalen Kon

zeptes mit sonderpädagogischer Grundversorgung ausgestattet. Das ist eine hervorragende Ausgangsposition.

Ich komme zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen. - Sorgen Sie, Herr Kultusminister, dafür, dass die Grundschule nicht länger Stiefkind ist und dass der Autor und Kinderarzt Remo Largo nicht recht behält mit seinem Ausspruch: Die Schule ist mit Prüfungen und Noten zur Treibjagd verkommen.

(Starker Beifall bei der SPD - Ursula Ernst [CDU]: Dörthe, jetzt übertreibst du aber!)

Vielen Dank, Frau Weddige-Degenhard. - Für die Landesregierung erteile ich nunmehr Herrn Minister Althusmann das Wort. Bitte schön!

Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Frau Abgeordnete Weddige-Degenhard! Ich bin versucht, der SPD-Landtagsfraktion für ihre Große Anfrage zu danken, weil ich davon ausgehe, dass Sie in Kenntnis dieser Zahlen, Daten und Fakten, die meine fleißigen Mitarbeiter im Kultusministerium für Sie zusammengestellt haben, tatsächlich ein ernsthaftes Interesse an der Stärkung und Weiterentwicklung der Grundschulen in Niedersachsen haben und nicht anfangen, einzelne Zahlen durcheinanderzumengen, um daraus in irgendeiner Form politischen Klamauk zu konstruieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das hielte ich für unverantwortlich, weil wir alle ein gemeinsames Interesse daran haben, dass unsere rund 1 760 Grundschulen in Niedersachsen eine gute Arbeit leisten.

Ich will zu Beginn allgemein etwas ansprechen, was wir, wie ich glaube, nicht nur mit Blick auf Niedersachsen, sondern mit Blick auf die gesamte Bildungspolitik werden verändern müssen.

Wir wissen aus verschiedenen Studien, u. a. der jüngsten OECD-Studie, dass Deutschland deutlich überproportional in den tertiären Bereich, also den Hochschulbereich, investiert. Wir wissen, dass Deutschland bundesweit auch in den Sekundarbereich II überproportional investiert.

Wir wissen aus diesen Studien aber zugleich auch, dass wir in den Grundschulbereich und in den

frühkindlichen Bildungsbereich unterproportional investieren. Von daher hoffe ich sehr, dass es in den nächsten Jahren gelingen möge, davon zu überzeugen, dass die Investitionen, die wir im frühkindlichen und im Grundschulbereich tätigen, langfristig eine weitaus höhere Rendite erwirken als das ohne Zweifel ebenfalls wichtige Investieren in den universitären Bereich, den Hochschulbereich oder den Gymnasialbereich. Ich hoffe, dass wir Überzeugungsarbeit dahin leisten können, dass wir insbesondere mit Blick auf die Entwicklung der Schülerzahlen in den nächsten Jahren zu einem Umdenken gelangen.

Frau Weddige-Degenhard, Sie haben gesagt, wir blieben Lösungsansätze schuldig. Ich sehe das nicht so. Wir haben mit Blick auf die vergangenen Jahre sehr wohl zur Kenntnis zu nehmen, dass wir in Niedersachsen etwa 100 Grundschulstandorte weniger haben.