Protocol of the Session on March 23, 2012

Meine Damen und Herren, wir werden mit der Einführung der anonymen Beweissicherung sicher auch hier einem guten Teil der EU-Roadmap zum Opferschutz Rechnung tragen und damit den Opferschutz wirksam stärken. Mir ist bewusst, dass auf diesem Weg durchaus noch einige rechtliche Probleme zu lösen sind, z. B. hinsichtlich der Fristen, wie lange etwas aufbewahrt werden kann, sodass es noch als Beweismittel verwendet werden kann. Ich bin aber sicher, dass wir von den vorhandenen Erfahrungen der anderen Bundesländer, von dem Expertenwissen, das es schon gibt, in der Ausschussberatung gute Anregungen bekommen.

Im Sinne der Opfer wäre es schön - das ist meine Bitte an alle Fraktionen -, wenn wir den vorliegenden Antrag im Verfahren so verbessern könnten, dass er am Schluss von allen mitgetragen werden kann, weil er dann wirklich im Sinne und Interesse der Opfer in die Zukunft weist.

Für meine Fraktion kann ich eine sehr positive Zusammenarbeit anbieten, um mit diesem Antrag die Opferrechte in Niedersachsen entscheidend zu stärken. Meine Bitte ist aber, insbesondere die Kollegen des Sozialausschusses in die Mitberatung mit einzubeziehen, weil ich meine, dass das ein Thema ist, das nicht allein in rechtlichen Kategorien zu diskutieren ist.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Zu dem Beitrag des Kollegen Haase hat Frau Konrath eine Kurzintervention angemeldet. Sie bekommen anderthalb Minuten, Frau Kollegin. Bitte!

Danke schön. - Herr Präsident! Herr Haase, ich freue mich darüber, dass wir uns in so vielen Punkten einig sind. Wir haben uns gleich darangemacht, dieses erfolgreiche Projekt umzusetzen. Voraussetzung war, dass Geld bereitsteht. Der Landtag hat dem dankenswerterweise zugestimmt. Insofern sind wir in der Situation, überhaupt anfangen zu können.

Die Vorbereitungen - ich habe mich erkundigt - laufen. Das Projekt soll in wenigen Monaten, noch vor der Sommerpause, starten. Die Opferambulanzen sollen dann zur Verfügung stehen.

In der Bundesrepublik gibt es ein solches Projekt noch nicht, sondern es gibt regionale Zentren. Ein Flächenland hat da natürlich besondere Schwierigkeiten.

Ich bin jetzt erst einmal sehr froh darüber, dass wir die erfahrenen Ärzte der Rechtsmedizin in Hannover und Oldenburg einbeziehen; denn die haben Erfahrung in diesem Bereich.

Wenn Sie meine Rede nachlesen, dann werden Sie ihr entnehmen können, dass ein Netz über das ganze Land hinweg aufgebaut werden soll, und zwar in Kliniken, in den gynäkologischen Abteilungen. Natürlich sollen auch niedergelassene Ärzte einbezogen werden. Wenn es gut läuft, dann können wir in Niedersachsen in zwei Jahren, wenn wir wieder neue Mittel beschließen, vielleicht ein neues Netz aufbauen, das wir dann neben das Netz der Stiftung Opferhilfe und des Weißen Ringes setzen können. Dann sind wir beim Opferschutz wirklich gut aufgestellt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Haase möchte antworten. Auch Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Frau Konrath, nehmen Sie die Kritik an dem Verfahren bitte nicht so fürchterlich ernst. Aber es ist schon befremdlich, wenn im letzten Sommer landauf, landab mehrere Tagungen mit Experten stattfinden, einzelne Abgeordnete dieses Projekt bereits abfeiern - es wird natürlich als eines der Hauptprojekte im Haushalt, als Neuerung dargestellt - und jetzt, drei Monate später, etwas Neues eingeführt werden soll, nämlich der Opferschutz. Ich denke, das ist ein sehr unübliches Verfahren. Deswegen darf man da schon seiner Überraschung Ausdruck verleihen.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Mir kommt es ein bisschen so vor, als ob hier ein gutes Projekt - das ich gar nicht in Zweifel ziehe - ein zweites Mal abgefeiert werden soll. Aber okay, darüber wollen wir nicht groß streiten.

In NRW, in Baden-Württemberg, in Bayern, in vielen Ländern gibt es schon Opferambulanzen. In NRW sind es über 20. Es ist also nicht so, als ob Sie sozusagen Amerika neu entdeckt hätten. Las

sen Sie uns das machen! Lassen Sie uns vernünftig die Kautelen miteinander besprechen! Dann kommen wir auch gemeinsam zu einem Ergebnis. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat sich Herr Adler von der Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, das ist ein Thema, bei dem wir nach meiner Einschätzung eigentlich ganz gut zusammenkommen können. Das ist ein Thema, bei dem wir, glaube ich, durchaus gemeinsame Ausgangspositionen für den Opferschutz haben und bei dem wir, wenn wir diesen Antrag im Ausschuss im Detail noch ein bisschen ausarbeiten, vielleicht sogar zu einer gemeinsamen Entschließung kommen können.

Ich möchte jetzt in meinem Redebeitrag ein paar Probleme benennen, aber nicht weil ich damit den Antrag als solchen kritisieren will, sondern weil ich einen Blick auf die Punkte werfen will, über die wir uns im Ausschuss noch verständigen müssen.

Völlig klar ist das Problem der Offizialdelikte. Wenn man eine verfahrensunabhängige Beweissicherung macht, dann muss man natürlich sicherstellen, dass das den Ermittlungsbehörden nicht frühzeitig in irgendeiner Form bekannt wird; denn wenn die etwas davon erfahren, z. B. von einem Vergewaltigungsdelikt, dann müssen sie tätig werden und gibt es kein Zurück mehr.

Das zweite Problem, das ich ansprechen muss, ist: Wenn man ein solches Programm aufstellt, dann muss man natürlich gucken, wie es in der ganzen Fläche bekannt wird; denn es nützt nichts, wenn wir es nur in Hannover oder Oldenburg halbwegs bekannt machen. Ein solches Projekt ist wichtig. Wir müssen Wege finden, es überall bekannt zu machen.

Wenn wir die niedergelassenen Ärzte einbeziehen wollen - diesen Gedanken finde ich richtig -, dann müssen wir uns auch Gedanken darüber machen, wie die Tätigkeit der niedergelassenen Ärzte vergütet wird. Gegenwärtig kann ich mir nicht vorstellen, dass das ohne Weiteres von den Krankenkassen bezahlt wird. Das heißt, das muss man abklären, vielleicht durch eine Anhörung im Ausschuss: Wie wird die ärztliche Tätigkeit der Untersuchung

und Beratung in diesem Zusammenhang für die Ärzte vergütet? - Denn umsonst werden sie es nicht machen.

Die nächste Frage ist: Die Gutachten, die man einholen muss, z. B. zum Nachweis von K.-o.Tropfen, sind nicht ganz billig. Auch da muss geklärt werden, wie das finanziert wird. Es darf nicht sein, dass irgendeine finanzielle Schranke errichtet wird. Das dürfen wir den Opfern nicht zumuten.

(Beifall bei der LINKEN)

Schließlich muss man auch im Blick haben, ob man dieses Vorhaben insgesamt mit einer Änderung des Strafgesetzbuches in Abstimmung bringen sollte, die natürlich dann der Bundestag beschließen müsste. Man könnte vielleicht eine Bundesratsinitiative dazu machen. Denn ich sehe z. B. bei Körperverletzungen das Problem der Antragsfrist von drei Monaten. Die ist nämlich recht kurz.

(Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Deshalb muss man überlegen, inwieweit man dort eventuell das eine oder andere noch ändert, ebenso bei der Verjährung.

Ich meine, wir sollten im Rahmen der Ausschussberatungen überlegen, wie man dieses Projekt unterstützen kann und wie man gegebenenfalls noch gesetzliche Änderungen vorbereiten muss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie Zu- stimmung von Hans-Dieter Haase [SPD] und Meta Janssen-Kucz [GRÜNE])

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Twesten. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein vornehmes Ziel, eine gesellschaftliche Aufgabe, den Opferschutz durch verfahrensunabhängige Beweissicherung in Niedersachsen zu erhöhen. Der Antrag ist bestimmt gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Man könnte auch sagen: CDU und FDP im Alleingang. Denn zunächst ist der eigentliche Adressatenkreis, die Zielgruppe, nicht klar.

Reden wir einmal Klartext: Der Ihrem Entschließungsteil zufolge eigentliche Adressatenkreis, nämlich Frauen und Frauenberatungsstellen, sind

nicht eingebunden. Sie sind von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, über diesen Antrag nicht einmal informiert worden. Das haben wir aber gerne für Sie übernommen; denn wir wissen: Wenn Frauen Opfer häuslicher und/oder sexueller Gewalt werden, dann wenden sie sich zunächst an eine Frauenfachberatungsstelle. Insofern dürfen diese nicht außen vor bleiben, wenn Sie schon einen solchen Antrag stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Johanne Modder [SPD])

Fakt ist - das ist eine alte Forderung -, dass es eine anonyme Beweissicherung für Frauen gibt, die Opfer sexueller und/oder häuslicher Gewalt geworden sind. Das hat den Vorteil, dass die Frauen sofort alle Beweise sichern lassen können, ohne ein Verfahren in Gang zu setzen, die Beweise aber vorhanden sind, wenn sich das Opfer erst später entscheidet, gegen den Täter vorzugehen. Zwingend notwendig für die Beweissicherung ist allerdings ein Arzt mit forensischer Ausbildung, der diese Gewalttaten systematisch aufarbeitet und identifiziert.

Federführend soll Ihren Vorstellungen zufolge das Institut für Rechtsmedizin an der MHH sein. Anschließend sollen die Mitarbeiter als Multiplikatoren tätig werden und ihre Kolleginnen und Kollegen in der Fläche schulen. Hier allerdings wird deutlich, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit nicht zueinanderpassen.

(Glocke des Präsidenten)

Ohne ausreichende Erfahrung und Ausbildung kann kein beliebiger Arzt, keine beliebige Ärztin eine Verletzungsspur erkennen. An dieser Stelle würde ich darum bitten, genau zu erläutern, was Sie meinen, wenn Sie zentrale Opferambulanzen einrichten wollen, und sich nicht in nebulösen Formulierungen zu ergehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Hans-Dieter Haase [SPD])

Weitere unbeantwortete Fragen lauten: Für wen und für welches Projekt stellen Sie diesen nicht unerheblichen Betrag zur Verfügung? - Seltsam ist, dass das Geld zwar bereits in den Doppelhaushalt eingestellt worden ist, aber das Konzept offenbar noch gar nicht steht.

Wie sollen Frauennotrufe dieses Angebot den Frauen überhaupt mitteilen, wenn diese Frauen

notrufe keinen blassen Schimmer von dem Vorgehen von CDU und FDP haben? - Merkwürdig!

Mein Fazit: Sie zeigen an dieser Stelle einmal mehr, wie weit Sie von konstruktiver Frauenpolitik entfernt sind. Insbesondere der Adressatenkreis, den Sie in Ihrem Entschließungsteil haben, wird im Folgenden vollkommen ausgeblendet.

(Glocke des Präsidenten)

Ein Verfahren, bei dem die Frauen nicht alle Fäden in der Hand haben, macht keinen Sinn. Weil aber die Zielgruppen nicht klar sind - eben wurde schon gesagt, möglicherweise der Weiße Ring - - -