Aber letztendlich tragen auch wir eine Mitverantwortung für diese Verhältnisse. Da können auch Sie aufseiten der CDU und aufseiten der Landesregierung sich nicht herausreden.
- Sie können sich gleich zu Wort melden, Herr Böhlke. - Es geht uns alle an, wenn bei uns zu niedrigen Löhnen gepflegt, betreut und beraten wird. Es geht uns auch darum - da wünschte ich mir mehr Engagement der Landesregierung -, dass Niedersachsen nicht nur für niedrige Pflegesätze und für ein niedriges Pflegeniveau steht. Es gilt, diesen Missständen entgegenzuwirken.
Ich würde mich freuen, wenn wir uns darüber ernsthaft und ohne die Aufgeregtheit, die Sie mit Ihren Zwischenrufen erzeugt haben, im Ausschuss auseinandersetzten. Dieser Antrag ist es wert. Vor allem tragen wir auch für die Beschäftigten in diesem Bereich Verantwortung. Aus dieser Verantwortung können Sie sich nicht herausreden.
Vielen Dank, Herr Präsident! - Meine Damen und Herren! Der Antrag der Linken stellt zu Recht fest, dass die hohe gesellschaftliche Bedeutung sozialer Dienste in einem ziemlichen Missverhältnis zum generell sehr niedrigen Niveau der hier geltenden Tarifentgelte steht. Die in den letzten Jahren wachsenden tariflichen Unterschiede zwischen den diversen Trägern sozialer Einrichtungen verschärfen diese Situation.
Man kann allgemein konstatieren, dass mit dem derzeit geltenden Entgeltniveau dem wachsenden Fachkräftemangel im sozialen Bereich, speziell in der Pflege, nicht zu begegnen sein wird. In Niedersachsen ist die Situation aufgrund der hier im Bundesvergleich durchschnittlich um 20 % niedriger liegenden Pflegeentgelte natürlich besonders dramatisch.
In ihrem Antrag spricht die Linke speziell den sogenannten dritten Weg der kirchlichen Träger sozialer Arbeit an. Er bewegt sich in einem besonderen Spannungsverhältnis, von dem Sie, Herr Humke,
eben nur die eine Seite erwähnt haben. Die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer ist verfassungsrechtlich geschützt. Aber ebenso verfassungsrechtlich geschützt ist natürlich die besondere Stellung der Kirchen im Rahmen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts.
Sie wissen sicherlich, dass hierzu ein Rechtsstreit beim Bundesarbeitsgericht anhängig ist, der wahrscheinlich noch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen wird. Es geht also um eine Sache, die wir nicht mal so eben im Landtag beschließen können.
Ich gebe Ihnen ja recht, auch ich finde es nicht akzeptabel, dass es in einigen diakonischen Einrichtungen Auswüchse gibt. Über Leiharbeit und Ausgründungen in GmbHs werden die Löhne der Beschäftigten auf Billigniveau gedrückt. Die Einrichtungen sind jeweils selbstständig, ich finde aber, dass das Siegel „Diakonie“ hier fehl am Platze ist und diesen Einrichtungen entzogen werden sollte. Entsprechende Bestrebungen sind bereits im Gange.
Insgesamt - da bin ich wieder bei Ihnen - wird sich die Negativspirale der Löhne in den sozialen Einrichtungen im Vergleich zu anderen Beschäftigungsfeldern nur durch die Einführung eines flächendeckenden, als allgemeinverbindlich festgeschriebenen Tarifgefüges verhindern lassen.
Die Arbeiterwohlfahrt ist vorbildlich vorangegangen und hat sich mit ihrer Forderung nach einem solchen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag zum Vorreiter gemacht. Wir begrüßen das sehr, denn bisher wurde der Wettbewerb zwischen den Einrichtungen im Wesentlichen auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen. Tatsächlich brauchen wir aber einen Wettbewerb um die beste Qualität. Gute Arbeit und faire Löhne werden aus meiner Sicht der Aufgabe, die Arbeit der Pflegekräfte aufzuwerten, viel besser gerecht als jede Imagekampagne.
Dann hätten wir viele Probleme nicht. Das wäre aus meiner Sicht der beste Pflegepakt für Niedersachsen jenseits von Worten.
Aus unserer Sicht wäre es auch im Interesse der Diakonie, wenn diese sich entschließen könnte, einem Flächentarifvertrag beizutreten. Sie wird hier dringend als großer Partner gebraucht, um auch in ihrem eigenen Interesse in einem breiten Bündnis aller Arbeitgeber die Allgemeinverbindlichkeit herzustellen.
Wir sind allerdings im Gegensatz zur Linken der Auffassung, dass sich dieser Aushandlungsprozess weiter aus sich selbst heraus entwickeln muss. Wir sehen wohl Ihre gute Absicht, hier schnell etwas zu erreichen, ich meine aber, die Tarifautonomie ist sehr zu Recht ein geschütztes Gut und sollte sich politischen Einflussnahmen entziehen. Wir haben hier nichts zu beschließen.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich war eben schon ziemlich erstaunt über den Beitrag von Herrn Humke. Aber vielleicht kann ich ein bisschen zur Versachlichung beitragen.
Wie Sie alle wissen, finden seit einiger Zeit intensive Diskussionen über den „Dritten Weg“ im Arbeitsrecht der Kirchen in der Öffentlichkeit statt. Hierzu ist anzumerken, dass der „Dritte Weg“ als das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und ihrer Diakonie in der Verfassung verankert ist. Das heißt: Nach Artikel 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 137 Abs. 3 der Verfassung vom 11. August 1919 ordnen und verwalten die Religionsgemeinschaften ihre Angelegenheiten selbstständig im Rahmen der für alle geltenden Gesetze. Frau Helmhold hat das eben auch schon erwähnt.
Der „Dritte Weg“ bezeichnet das Verfahren, die Gehälter und andere Arbeitsbedingungen in Kirche und Diakonie in einer gleichberechtigt besetzten arbeitsrechtlichen Kommission durch Konsens oder Schlichtungsspruch zu vereinbaren. Die zentralen Prinzipien sind: Partnerschaft und Kooperation, Parität, einheitliche Geltung, faire Konfliktregelung, keine kirchenrechtliche Möglichkeit einseitiger Aufhebung geltender Bestimmungen.
und fordert die Landesregierung auf - ich zitiere -, „in einen Dialog mit der Diakonie Niedersachsen einzutreten und dabei ihren Einfluss geltend zu machen.“
Ich merke hierzu an: Dieser Dialog besteht bereits. Sozialministerin Özkan hat gerade im letzten Plenarabschnitt am 24. Februar 2012 darauf hingewiesen. Das ist im Protokoll nachzulesen.
Weiter fordern Sie die Landesregierung auf - ich zitiere ein zweites Mal -, „die freie Wohlfahrtspflege in Fortführung des niedersächsischen Pflegepaktes verstärkt darin zu unterstützen, ihren Anspruch auf die Anhebung der Pflegesätze gegenüber den Pflegekassen geltend zu machen …“.
Auch hierzu merke ich an, dass dies bereits Bestandteil des von der Landesregierung ratifizierten Pflegepaktes ist.
(Beifall bei der CDU - Hans-Henning Adler [LINKE]: Wo sind die Ergebnis- se? Mit welchen Ergebnissen?)
Und zum näheren Verständnis: Partner des Pflegepaktes sind die Kassen, die Einrichtungsträger und die Verbände, die sich darauf geeinigt haben, dass in den Pflegesatzverhandlungen die Tarifverträge bzw. die Tariflöhne, die in den Einrichtungen gezahlt werden, Grundlage jeglicher Verhandlungen sind.
Auch der Gedanke der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Pflegetarifen wurde bereits in die bestehende Diskussion eingebracht.
(Norbert Böhlke [CDU]: So ist es! - Patrick-Marc Humke [LINKE]: Sagen Sie das mal den Leuten, die da arbei- ten!)
„Die Diakonie soll in diesem Zusammenhang dazu aufgefordert werden, in Tarifverhandlungen mit der von ver.di-Mitgliedern gewählten ,Tarifkommission Diakonie‘ zu treten …“
Sie sagen aber nicht, dass ver.di seine Mitarbeit in der Arbeits- und Dienstrechtlichen Kommission für den Bereich der verfassten Kirche eingestellt hat. Ich frage Sie: Will ver.di vielleicht nicht den 51. Haustarifvertrag in Niedersachsen abschließen?
Sie ignorieren auch, dass die Diakonie ver.di eingeladen hat, doch weiterhin konstruktiv mitzuwirken.
Sie blenden aus, dass die vereinbarten Entgelte in der Diakonie bei den unteren Lohngruppen im Schnitt um 10 bis 30 % höher liegen.
Sie beziehen sich in Ihrem Antrag auf die Synode der evangelischen Kirche Anfang November 2011 in Magdeburg und blenden aus, dass die Diskussion um den „Dritten Weg“ schon viel weiter ist, als Sie es darstellen.
Dazu beziehe ich mich auf den Bericht der 9. Synode vom 10. März dieses Jahres. Ich zitiere aus der Rede von Landesbischof Meister: „Die Diakonie in Niedersachsen e. V. steht in laufenden Gesprächen mit der Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnenvertretungen. Dabei wurden auch weitergehende Überlegungen angestellt, die letztlich für die Beschäftigten interessanter wären: eine über die säkularen Regelungen hinausgehende Mitbestimmung im kirchlichen Arbeitsrecht, mehr Einsatz für die faktische Verbindlichkeit der in den Arbeitsrechtlichen Kommissionen vereinbarten Entgelte, Verhandlungen über eine bessere Ausstattung der Geschäftsstelle der Arbeitnehmervertreter in der Arbeitsrechtlichen Kommission und die genannte Allgemeinverbindlichkeit unter Berücksichtigung des ,Dritten Weges‘.“