Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Beitrag von Herrn von Danwitz habe ich fast den Eindruck, dass die Märchenstunde zu den ersten beiden Themen der Aktuellen Stunde von heute Morgen jetzt fortgesetzt werden soll. Man merkt ja, wie die Koalition und auch der Minister versuchen, solche unangenehmen Studien entsprechend zu widerlegen.
Meine Damen und Herren, Ihr Problem ist nicht, dass Sie diese eine Studie anzweifeln müssen, die Ihnen wirklich eine schlechte Bildungspolitik bescheinigt, sondern Ihr Problem ist, dass sich Niedersachsen in jeder Studie, die im Moment in Deutschland für den Bildungsbereich auf den Markt gebracht wird, nur in den unteren Rängen wiederfindet.
(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Wel- che Studien lesen Sie denn? Das ist doch das Problem. (Beifall bei der SPD - Christian Gra- scha [FDP]: Was ist denn mit der Schulabbrecherquote?)
Da können Sie die Bildungsvergleichstudie aus dem Jahr 2010 nehmen, Sie können den Kinderförderungsbericht der Bundesregierung, die Studie der TU Dortmund nehmen oder auch die PISAStudie 2009 nehmen. Jede Studie, die für diese Landesregierung in Sachen Bildungspolitik auf den
Weg gebracht wird, belegt eines: Sie machen eine grottenschlechte Bildungspolitik, meine Damen und Herren.
In der von den Linken zitierten Studie wird vor allen Dingen eines sehr skandalös belegt: Die CDU und die FDP sorgen dafür, dass sich die Bildungsungerechtigkeit, die Abhängigkeit vom sozialen Hintergrund des Elternhauses in Niedersachsen manifestiert. - Meine Damen und Herren, das ist wirklich der größte Skandal im Bildungsbereich, den man hier zur Kenntnis nehmen muss.
Wir können auch die frühkindliche Bildung nehmen. Auch in diesem Bereich ist Niedersachsen Schlusslicht. Das muss sich ebenfalls ändern.
Aus zehn Jahren PISA hat Minister Althusmann nichts gelernt. Schon damals war die hohe Abhängigkeit des Bildungserfolgs vom Elternhaus festgestellt worden. Alle Kultusminister und Ministerpräsidenten der CDU haben jedoch dazu beigetragen, dass sich diese Ungerechtigkeit weiterhin verfestigt.
In der letzten Woche hat in Langenhagen die CDU mit Herrn Althusmann und Frau Schavan noch alte Fragen diskutiert.
Es gibt aber tatsächlich kein Erkenntnisdefizit, meine Damen und Herren. Es gibt jedoch ein Handlungs- und Umsetzungsdefizit. Sie haben in Sachen Bildungspolitik in Niedersachsen zehn Jahre lang nichts vorangebracht.
Nur ein Beispiel, nämlich die Bilanz des scheidenden Landeselternrats, der sich in der letzten Woche neu konstituiert hat, in der Braunschweiger Zeitung vom 16. März. Die Überschrift lautet: Die Landesregierung muss noch nachsitzen. Landeselternrat zieht Bilanz der Bildungspolitik und übt deutliche Kritik. - Ich nenne nur die Stichworte: mangelnde Beteiligung, ungelöste Strukturdiskussion, zu wenig Ganztag, verpatzte Oberschule, zu große Klassen. Soll ich noch fortfahren, meine Damen und Herren? - Das ist Ihre Bilanz der Bildungspolitik.
Aber statt die Bildungspolitik jetzt tatsächlich einmal auf die Füße zu stellen und zu sagen „Wir müssen dort anfassen, wo die Probleme liegen“, üben Sie sich in Effekthascherei und Aktionismus. Ich nenne nur einmal das Thema Elementarschule. Sie wird vom Ministerpräsidenten aus der Taufe gehoben, weil man sonst keine anderen Themen hat. Nur weil er den Premierminister in Großbritannien nicht getroffen hat, musste er etwas anderes mit nach Hause bringen, da er sonst mit ganz leeren Händen dagestanden hätte: Jetzt holen wir eben einmal die Elementarschule aus der Tasche. - Das ist im Grunde genommen etwas, was in Niedersachsen überhaupt nicht zur Diskussion stand. Aber Sie treiben jeden Monat eine neue Sau durchs Dorf. Entschuldigung! Diesen Begriff nehme ich zurück.
Oder nehmen wir die Abfeiernummer bei der Ganztagsschule. Da feiern Sie sich für 1 500 Ganztagsschulen ab und verschweigen, dass jede Ganztagsschule leider nicht die entsprechende Ausstattung hat. Das, was in der Studie, die die Linken zitiert haben, noch als Ganztagsschule benannt wird, meine Damen und Herren, sind im Grunde genommen Ganztagsschulen, die nahezu ohne Budget und ohne entsprechende Ausstattung auskommen müssen.
Darüber hinaus verschweigen Sie das Thema Honorarkräfte. Sie schieben lieber 40 Kräfte zur Kontrolle an die Schulen und geben 210 000 Euro für ein zusätzliches Gutachten aus, anstatt sich endlich einmal daranzumachen, die Ganztagsschulen ordentlich auszustatten, meine Damen und Herren. Das ist der eigentliche Skandal!
Die Lösungen dafür liegen schon längst auf dem Tisch. Wir brauchen ordentlich ausgestattete Ganztagsschulen und ein vernünftiges Konzept. Wir brauchen auch entsprechende Zulassungen von Gesamtschulen in der Fläche, weil Sie ein faktisches Gesamtschulerrichtungsverbot erlassen haben. Zudem brauchen wir mehr Bildungsgerechtigkeit. Die muss schon in der frühkindlichen Bildung anfangen. Aber da schlafen Sie auf ganzer Linie.
Meine Damen und Herren, wir werden das ab 2013 ändern. Leider müssen wir dann zehn Jahre verfehlte Bildungspolitik wieder richtigstellen.
(Lebhafter Beifall bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Manchmal gibt es diese ganz kleinen Momente, da denke ich, Sie glauben das selbst!)
Meine Damen und Herren, die nächste Wortmeldung kommt von der FDP-Fraktion. Der Kollege Försterling hat nun das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! OECD, PISA, Vodafone-Stiftung, RobertBosch-Stiftung, Bildungsmonitor und jetzt die Bertelsmann-Stiftung: Man hat das Gefühl, eine Bildungsstudie jagt die nächste. Und dann kommt dieser typische Reflex von Bildungspolitikern: Wir durchwühlen diese Studien und suchen uns die Ergebnisse heraus, die genau in unsere Welt passen. - Nichts anderes wurde hier gerade vorgetragen.
Da wird dann von Frau Reichwaldt direkt gesagt: Ich möchte mich hier nur auf den Punkt Durchlässigkeit konzentrieren, weil das der Punkt ist, bei dem Niedersachsen in der ganzen Studie auf einem abgeschlagenen Platz ist.
Kein Wort zu unserem Spitzenplatz in der Integrationskraft. Wenn Ihnen diese Studie so wichtig ist, dann hätten Sie doch gestern in der Debatte um die Inklusion sagen können: Laut dieser Studie ist Niedersachsen in der Bildungspolitik bei der Integrationskraft ganz weit vorne.
Kein Wort zu den Fragen der Kompetenzförderung, kein Wort zu den Fragen der Zertifikatsvergabe! Nein, da sucht man sich das heraus, was angeblich schön in das Konzept passt.
Schauen wir uns diese Studie doch einmal genau an! Was wird denn im Bereich der Durchlässigkeit bewertet? - Da geht es in der Tat um die Frage: Wie viele Kinder aus sozial unteren Schichten besuchen - prozentual - das Gymnasium? - Erstaunlicherweise schneidet Sachsen, wo es keinen freien Elternwillen gibt, genau in dieser Frage besonders gut ab. Soll das also der Hinweis sein, dass die Linksfraktion jetzt genau diese Studie zum Anlass nimmt, um den freien Elternwillen in Niedersachsen einzuschränken? - Frau Reichwaldt, wenn Sie schon einige Dinge aus den Studien herausziehen, dann müssen Sie sie auch konsequent zu Ende denken.
Interessanterweise ist auch festzustellen, dass beispielsweise Hamburg, das für eine hohe Durchlässigkeit in seinem Bildungssystem medial gepriesen worden ist, im Bereich Kompetenzförderung sehr schlecht abschneidet. Es muss einen doch aufmerksam werden lassen, wenn man in dieser Studie liest: Nirgendwo gibt es in der Lesekompetenz zwischen sozial unteren Schichten und sozial höheren Schichten einen größeren Unterschied als in Hamburg, Bremen und Berlin. So sieht also Chancengerechtigkeit in diesen oftmals rot regierten Ländern aus, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wie sah es denn in Niedersachsen mit der Chancengerechtigkeit aus, als die SPD regiert hat? - Mehr als jeder zehnte Schüler in Niedersachsen hat die Schule ohne einen Schulabschluss verlassen.
Wir haben in den letzten Jahren die Schulabbrecherquote um 43 % gesenkt. Wir haben die Abiturquote um fast 30 % gesenkt, und wir haben die Jugendarbeitslosigkeit halbiert. Das ist Chancengerechtigkeit, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Hans-Werner Schwarz [FDP]: So kann man schon mit kleinen Sachen der Opposition eine Freude machen!)
Ich stelle das hier gerne noch einmal klar. Das ist vielleicht besser, als wenn Sie wieder in irgendwelche Statistiken gucken, um das nachzurechnen.
Wie haben wir das erreicht? - 1 500 Ganztagsschulen in Niedersachsen. Frau Heiligenstadt, es gibt keine einzige Ganztagsschule in Niedersachen, die nicht mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet worden ist. Sie geben hier Märchen von sich! Jede Ganztagsschule bekommt zusätzliche Ressourcen.
Ich sage: 5 000 zusätzliche Lehrerstellen bei 70 000 Schülern weniger, die beste Schüler-Lehrer-Relation seit 1990, so viele Unterrichtsstunden pro Schüler wie nie zuvor und eine konstante Unterrichtsversorgung von über 100 %.
Ja, wir setzen auf Fordern und Fördern der Schüler. Wir wollen die Kinder voranbringen und nicht durch eine Absenkung des Leistungsniveaus bei den Abschlüssen und die inflationäre Vergabe von irgendwelchen Abschlüssen unsere Statistiken schönen. Mit einem Abschluss ohne Inhalt schafft man Chancengerechtigkeit vielleicht auf dem Papier. CDU und FDP in diesem Land schaffen Chancengerechtigkeit im Leben der Kinder.