Protocol of the Session on March 21, 2012

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Wir unterstützen jede Regierung - auch eine CDURegierung -, die deswegen vor das Bundesverfassungsgericht zieht und das überprüfen lässt. Wir halten das für einen Bruch des Grundgesetzes und des föderalen Prinzips dieses Gesetzes.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Kreditverbot wird aber nicht nur verfassungsrechtlich nicht standhalten. Ich prophezeie Ihnen: Dieses Kreditverbot wird das Jahr 2030, vielleicht sogar 2020, nicht erleben, weil es volkswirtschaftlicher Irrsinn ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben die Situation, dass die Privathaushalte nicht übermäßig verschuldet sind. Die häufen Vermögen an. Wir haben gleichzeitig seit 2001 die Situation, dass auch die Unternehmen unter dem Strich keine Kredite mehr brauchen. Nun haben Sie alle in Volkswirtschaft Folgendes gelernt: Es

gibt - jedenfalls auf Geldseite - keine Schulden ohne Vermögen. Wer also von Schuldenkrise redet, der kann genauso gut - das ist die andere Seite der Buchung; aber das würden Sie nicht machen, Herr Rolfes - von Vermögenskrise reden. Das sind die beiden Seiten der Medaille.

Wenn man nun weder diesen einen gefärbten Begriff der Schuldenkrise noch den anderen gefärbten Begriff der Vermögenskrise nehmen will, dann muss man korrekterweise von Verteilungskrise sprechen. Genau das haben wir in diesem Lande.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU)

Inzwischen besitzen 10 % der Bevölkerung zwei Drittel aller Vermögen. Das wird immer mehr. Dieser Prozess wird umgekehrt werden müssen. Deshalb sind alle Vorschläge von Herrn Schostok, die wir befürworten, zu einer Vermögensverteilung im Kern richtig. Denn die Schuldenkrise ist eine Verteilungskrise und wird erst durch eine Umverteilung von oben nach unten gelöst werden können. Anders wird das volkswirtschaftlich nicht gehen.

(Beifall bei der LINKEN - Christian Dürr [FDP]: Von Eigentum steht auch was im Grundgesetz! - Glocke des Präsidenten)

Wenn man versucht, das anders zu lösen, dann führt das zu einem Aufblähen der Finanzmärkte; denn irgendwo muss das Geld ja hin. Wenn es nicht im Inland durch Verschulden des Staates angelegt werden kann, dann muss es ins Ausland. Deshalb organisieren Sie gerade die nächste größere Finanzkrise. Sie fahren die Kiste an die Wand. Wie man es anders machen kann, erkläre ich Ihnen im zweiten Teil.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Christian Dürr [FDP]: Weil wir zu wenig Schul- den machen? - Zurufe von der CDU - Ursula Körtner [CDU]: Jetzt wissen wir, warum die DDR pleite gegangen ist! - Oh! bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: So ein Bart! - Ge- genruf von der CDU: Aber richtig!)

Nach einer kurzen Phase der Beruhigung erteile ich jetzt Herrn Minister Möllring das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben nach zweijähriger Arbeit unter der Leitung von Herrn Struck und Herrn Oettinger oder Herrn Oettinger und Herrn Struck, je nach parteipolitischer Vorliebe, das Verschuldungsverbot wieder in das Grundgesetz hineingeschrieben. Das Verschuldungsverbot stand bis 1969 im Grundgesetz. Dann haben in der damaligen Großen Koalition Strauß und Schiller, die beiden großen Weltökonomen,

(Björn Thümler [CDU]: Plisch und Plum!)

dafür gesorgt, dass dieses Verschuldungsverbot aufgehoben worden ist.

Herr Sohn, Sie haben Recht, es muss Verschuldungsverbot heißen. Damit habe ich mich leider nicht durchsetzen können, weil es in der Schweiz eine Schuldenschranke und eine Schuldenbremse gibt. Das fanden alle so schick, weil es in der Schweiz so schön ist. Ein Verschuldungsverbot muss es sein, wie es das bis 1969 gegeben hat. Das galt für den Bund, für die damaligen elf Bundesländer und für die Kommunen. Das hatte zur Folge, dass damals der Gesamtstaat 125 Milliarden D-Mark Schulden hatte; das sind etwa 63 Milliarden Euro.

Nachdem dieses Verschuldungsverbot aufgehoben worden ist, ging die Verschuldungskurve nach oben. Damals stand im Grundgesetz, dass Schulden nur für werbende Ausgaben gemacht werden dürfen. „Werbende Ausgaben“ ist ein altmodischer Begriff für Investitionen, die sich selbst refinanzieren. Das heißt, wenn ich mir als Unternehmer eine Maschine kaufe und damit eine Produktion aufnehme, dann habe ich mithilfe meiner Arbeitnehmer einen Mehrwert geschaffen, kann den Kredit für diese Maschine zurückzahlen und die Zinsen darauf bedienen.

Das Gleiche gilt für das Häuschen, das sich eine Familie auf Kredit kauft, allerdings nur dann, wenn sie nicht überschuldet ist. Wenn sie - wie der Staat - überschuldet wäre, würde sie keinen Hauskredit erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Dann hat die Familie einen Wert geschaffen, nämlich Vermögen, ein Haus. Wenn der Erbfall eintritt und die Schulden noch nicht getilgt sind, kann die nachfolgende Generation dieses Haus entweder selbst nutzen, vermieten oder verkaufen. Sie hat einen Sachwert erhalten, der jedenfalls in der Regel die Kreditsumme übersteigt. Das ist beim Staat eben nicht der Fall. Deshalb brauchen wir ein Verschuldungsverbot.

Wenn wir Investitionen - so, wie wir Investitionen definieren - mit Krediten finanzieren, z. B. Autos, dann ist Folgendes zu beachten: Das Polizeiauto hat eine begrenzte Lebensdauer. Wenn es Pech hat, wird es in Gorleben eingesetzt, dann wird es nur ein halbes Jahr alt. Wenn es Glück hat und irgendwo im Dorf herumfährt, dann wird es vielleicht sechs Jahre alt.

(Heiterkeit)

Aber dann ist es kaputt. Dann wird ein neues Auto auf Kredit beschafft, aber der alte Kredit ist im Gegensatz zum Sachwert immer noch vorhanden, abgesehen vom Schrottwert.

Von Computern wissen auch Sie, dass sie schon nahe am Elektronikschrott sind, wenn man sie nur aus der Verkaufsverpackung herausnimmt.

(Zuruf)

Wissen Sie, früher, als die Hardware noch etwas wert war, wurde unter Frauen ein Witz erzählt: Mit den Computern ist es wie mit den Männern. Man hat immer das Gefühl: Hättest du noch ein bisschen länger gewartet, hättest du einen noch Besseren gekriegt.

(Heiterkeit und Beifall)

Deshalb brauchen wir ein Verschuldungsverbot, das dem Artikel 109 und dem Artikel 143 d entspricht.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Minister, wir unterbrechen kurz.

Ich kann auch noch einen anderen Witz erzählen.

(Heiterkeit und Beifall)

Ich könnte dann auch „Zur Sache, Herr Minister!“ sagen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

- Ich bitte um Ruhe im Plenarsaal.

Ich habe nur an eingängigen Beispielen deutlich gemacht, dass der Investitionsbegriff in der Verfassung falsch ist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vor diesem Hintergrund brauchen wir ein Verschuldungsverbot, das dem Artikel 143 d des Grundgesetzes entspricht. Wenn wir kein derartiges Verschuldungsverbot in unsere Verfassung aufnehmen, dann gilt das Verschuldungsverbot nach dem Grundgesetz ab dem Jahr 2020 ohnehin.

Ich verstehe nicht ganz - ich habe es im Fall von Nordrhein-Westfalen nicht verstanden, und ich habe es in Ihrer Rede, Herr Schostok, auch nicht verstanden -, wie Sie sich das vorstellen.

Wir brauchen einen Abbaupfad. Wir müssen sagen: Jedes Jahr weniger Neuverschuldung als im Vorjahr! - Dann kann man darüber diskutieren, ob man 2016, 2017 oder 2019 bei null ist. Aber ich kann mir nicht vorstellen - Frau Kraft oder Sie vertreten wohl diese Meinung -, dass man bis Silvester 2019 Schulden macht wie ein Major.

(Stefan Schostok [SPD]: Das steht da nicht drin!)

- Doch, so ähnlich steht es da drin.

(Zurufe von der SPD: Nein!)

- Natürlich!

(Widerspruch von der SPD - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Außerdem haben Sie in Ihren Gesetzesvorschlag hineingeschrieben, dass auch ein Bundesgesetz einem Katastrophenfall gleichzusetzen ist.