Da muss man sich nur einmal die Schuldenstatistiken der Vergangenheit anschauen. Der Kollege Schostok hat es ausgeführt. Sie zeigen sehr eindeutig, Herr Kollege: Die größten Schuldenmacher und die Schuldenweltmeister sitzen per Saldo auf der rechten Seite dieses Hauses.
Meine Damen und Herren, wir hauen nicht so auf die Sahne wie die schwarz-gelben Verbalradikalen. Aber im Gegensatz zu denen wollen wir die Schuldenbremse wirklich, und zwar eine Schuldenbremse, die funktioniert.
Das ist nämlich wichtig und entscheidend. Das ist übrigens alles andere als trivial und bei Weitem nicht durch ein paar knappe Grundsatzformulierungen in der Verfassung zu erledigen. Wir sagen Ihnen gerne, wie das gehen kann.
Das haben wir jedenfalls in den vergangenen Haushaltsberatungen immer wieder unter Beweis gestellt, Herr Kollege Riese.
Wir möchten auch in Niedersachsen - und das ist unser Konzept - neue rechtliche Regelungen verankern, die uns verpflichten, den Haushalt nach Bereinigung um sogenannte finanzielle Transaktionen grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen. Möglich bleiben müssen - und das muss geregelt werden - natürlich die Refinanzierungen der bestehenden Schulden. Kassenkredite müssen wir so konditionieren, dass sie ihre Funktion zur Liquiditätssicherung behalten, aber nicht zu einer dauerhaften Verschuldung führen können, wie dies bei den Kommunen der Fall ist.
Wir wollen Ausnahmen zur Bewältigung von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen mit Krediten möglich machen. Aber sie sollen an einen qualifizierten Tilgungsplan gebunden sein, dessen Vollzug regelmäßig vom Landesrechnungshof geprüft und über den berichtet wird. Da diese Entscheidungen gerichtlich überprüfbar sind, glauben wir, dass es ausreicht, sie mit absoluter Mehrheit des Landtages zu fassen.
Wir wollen den sogenannten atmenden Haushalt. Das heißt, von der Normallage abweichende konjunkturelle Entwicklungen sollen beim Aufschwung und Abschwung symmetrisch berücksichtigt werden. Aber im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren, wollen wir die Schuldenbremse nicht nur im Haushaltsplan, sondern auch im Haushaltsvollzug. Das heißt, wir müssen über ein Kontrollkonto, nach Beispiel des Bundes, Missbrauchsmöglichkeiten der Ausnahmeregelungen begrenzen und schleichende Fehlentwicklungen, wie wir sie bisher hatten, verhindern.
Der bisherige Verlauf der Diskussion um die Schuldenbremse, meine Damen und Herren, macht eines mehr als deutlich - ich sage es noch einmal -: CDU und FDP wollen sie nicht wirklich.
(Beifall bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Falsch! Ganz falsch! - Gegenruf von Johanne Modder [SPD]: Das ist die Wahrheit! - Der Redner blättert in seinen Unterlagen - Jens Nacke [CDU]: Suchen Sie die nächste Seite?)
Es gibt eine ganze Reihe von Punkten, die wir immer wieder ins Gespräch gebracht haben und die Sie bei Ihrer oberflächlichen Diskussion überhaupt nicht berücksichtigen.
Wir wollen natürlich auch, dass die Kommunen entsprechend berücksichtigt und geschützt werden. Da reicht der knappe Verweis auf die Artikel 57 und 58 in der Verfassung nicht aus. Die Streichung des Vorbehaltes mit Blick auf die Verteilungssymmetrie, die die SPD vorschlägt, geht uns allerdings auch zu weit. Wir wollen eine finanzielle Grundausstattung der Kommunen. Das wollen wir erreichen, indem wir die Beteiligungsmöglichkeiten der Kommunen an den Haushaltsberatungen verbessern. Wir glauben, dass der Vorschlag der Kommunen, eine gemeinsame Finanzkommission einzurichten, dafür durchaus geeignet wäre.
Wir sagen aber auch: Eine Schuldenbremse funktioniert nur, wenn das Land weiter funktioniert. Damit es weiter funktioniert, muss es natürlich weiter möglich sein, soziale, ökologische und Bildungsinvestitionen zu fördern. Das werden Sie aber nicht können, wenn Sie versuchen, Mittel in Höhe des strukturellen Defizits von 2 Milliarden Euro, das Sie bisher geflissentlich ignorieren, einzusparen.
Das heißt, wir brauchen auch einen Konsens darüber, dass es auf der einen Seite keine weiteren Steuerermäßigungen geben darf und auf der anderen Seite strukturelle Steuerverbesserungen geben muss.
(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Kreszentia Flauger [LINKE]: Jetzt konkret! - Jens Nacke [CDU]: Strukturelle Steuerver- besserungen? Reden Sie mal Klar- text! - Glocke des Präsidenten)
Das sind im Wesentlichen unsere Forderungen. Wenn Sie einige dieser Forderungen nicht umsetzen wollen, Herr Kollege Nacke, dann sagen Sie, welche Sie nicht umsetzen wollen, und lassen Sie uns darüber reden.
Letzter Satz: Aber machen Sie das nicht in Ihrer gewährenden Art, sondern lassen Sie uns eine vernünftige überfraktionelle Arbeitsgruppe unter Begleitung des GBD einrichten.
Wir wollen eine Arbeitsgruppe auf Augenhöhe, in der wir bei Wahrung der Friedenspflicht die Probleme lösen. Genau das wollen Sie nicht.
(Jens Nacke [CDU]: Herr Klein, dann laden Sie doch ein! Damit habe ich kein Problem! Das ist der lächerlichste Vortrag, den ich seit Langem gehört habe!)
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Sohn. Die interfraktionellen Absprachen müssen nicht lautstark im Plenarsaal laufen, dafür kann man auch andere Wege wählen. - Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst bin ich dankbar für diesen Hauch von sozialliberaler Koalition, also der Zusammenarbeit bei der Einreichung von Anträgen zur Aktuellen Stunde wenigstens von SPD und FDP. Das ermöglicht es uns, eine ausführliche Debatte über dieses Thema zu führen.
(Stefan Schostok [SPD]: Waren das schöne Zeiten! - Johanne Modder [SPD]: Mit einer Partei von 2 % kön- nen wir nichts anfangen!)
Das öffnet den Raum dafür, dass ich im ersten Teil meiner Ausführungen zu ein paar grundsätzlichen Fragen in dieser Kreditverbotdebatte Stellung nehmen und im zweiten Teil dann ein paar Vorschläge machen kann.
Zur grundsätzlichen Frage: Das beginnt mit dem Begriff. Nun haben alle diesen Begriff gewählt, für den man einigen PR-Agenturen einen ordentlichen Bonus geben könnte. Dieser Begriff ist natürlich verlogen. Dieser schöne Begriff findet sich im Gesetz zu Recht nicht wieder; denn eine Schuldenbremse gibt es in Artikel 71 sowieso schon. Aber denen, die das verzapft haben, ging es ja um etwas anderes: Es ging ihnen um ein Kreditverbot für den Souverän, für das Parlament. Das wollten sie nicht so sagen, weil dann jeder spontan gesagt hätte - Begriffsbildung ist, wie Sie alle wissen, eines der wichtigsten Dinge in der Politik -: Aha, ihr wollt ein Kreditverbot. Das ist ja bekloppt. Man kann keinem ordentlichen Unternehmer verbieten, einen Kredit aufzunehmen, wenn er für die Zukunft investieren will. Und der Staat darf doch keiner vernünftigen Familienmutter oder keinem vernünftigen Familienvater, die bzw. der ein Haus bauen will, verbieten, einen Kredit aufzunehmen, um dieses Haus zu finanzieren.
Nun macht ihr aber Folgendes: Nun wollt ihr in diesem Volk durchsetzen, dass dem Souverän, dem Parlament, das verboten wird - nämlich Kredite für die Zukunft aufzunehmen -, was jedem Unternehmer und jedem Häuslebauer erlaubt ist. Ihr wollt ein Kreditverbot.
sen - weil jeder etwas gegen Schulden hat und auf die Schuldenbremse treten will - nehmen wir diesen bekloppten Begriff der Schuldenbremse. - Wir dagegen bleiben bei dem ehrlichen Begriff Kreditverbot. Darum geht es heute.
Nun könnte man ja sagen, eine Selbstverpflichtung ist okay; es ist okay, wenn jemand sagt, dass er für eine Weile keine Kredite aufnehmen will, weil er dank CDU bis über die Halskrause verschuldet ist. Aber hier passiert ja etwas anderes. Das ist keine Selbstverpflichtung des Landes. Wir haben gestern über den Artikel 79 Abs. 3 des Grundgesetztes diskutiert. In diesem Grundgesetzartikel steht auch, dass der Föderalismus einen besonderen, sozusagen gehärteten Schutzmantel hat. Jedes Herumfingern am Föderalismus - das steht in diesem Artikel - ist unzulässig. Sie fingern aber daran herum.
Wolfgang Jüttner, trotz Geburtstag kann man ja nicht übersehen, dass die SPD bei dieser Grundgesetzänderung mitgemacht hat, die aus unserer Sicht grundgesetzwidrig ist, weil sie nicht nur eine Selbstverpflichtung des Bundes beschließt - darüber kann man ja reden -, sondern auch den Ländern, dem Kern des föderalen Systems, diese Verpflichtung von oben aufoktroyiert. Deshalb prophezeie ich Ihnen: Dieser Eingriff in die Souveränität des Parlaments und seines Haushaltsrechts wird verfassungsrechtlich keinen Bestand haben.