Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das liberale Menschenbild ist geprägt vom Ideal des mündigen, eigenverantwortlichen Bürgers, der - jedenfalls grundsätzlich - in der Lage ist, für sich
Umso wichtiger ist, wie unsere Gesellschaft mit jenen Mitgliedern umgeht, die diesem Leitbild nicht oder nicht mehr entsprechen können. Sie stehen unter dem besonderen Schutz durch unser Recht und unseren Staat.
Im vorletzten Plenum haben wir im Rahmen der Großen Anfrage zur Betreuungssituation in Niedersachsen die Thematik und auch die Grundzüge des vorliegenden Gesetzentwurfs erörtert. Mein Fazit lautete damals: Unser niedersächsisches Betreuungssystem funktioniert sehr gut.
Natürlich gilt es, auch ein so gut funktionierendes System immer wieder den sich ändernden gesellschaftlichen Bedingungen anzupassen. Eine wesentliche Änderung liegt in der Tatsache, dass die Zahl der Betreuten in Niedersachsen wie bundesweit kontinuierlich wächst, unter den alten Menschen, aber auch unter den Jüngeren. Aber noch viel schneller ist in den letzten Jahren der Betrag gewachsen, den das Land pro einzelnen Betreuten aufwendet. Insofern ist es im Sinne einer sparsamen Haushaltspolitik durchaus richtig, sich über günstigere Formen der Betreuung Gedanken zu machen; natürlich aber immer unter der Bedingung, dass die Qualität der Betreuung nicht leidet.
In der Antwort auf Frage 51 der Großen Anfrage hat die Landesregierung mitgeteilt, erhebliche Kosteneinsparungen seien dadurch zu erzielen - ich zitiere -, dass Betreuungen anstelle von Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuern von Behördenmitarbeiterinnen und Behördenmitarbeitern übernommen werden. Dazu dient wesentlich das folgende Gesetz. Es spart in diesen Fällen die Kosten für Berufsbetreuer oder ehrenamtliche Betreuer ein.
Herr Kollege, ich unterbreche Sie. - An sich müsste jetzt um 14 Uhr der erste Informationsaustausch am ersten Plenartag abgeschlossen sein. Das scheint aber noch nicht überall der Fall zu sein. Von daher bitte ich Sie, die Gespräche einzustellen, damit der Redner hier die angemessene Aufmerksamkeit erhält. Ansonsten warten wir einfach; denn diese Option haben wir ja. Das machen wir. Wir unterbrechen dann kurz. - Vorübergehend scheint es zu greifen. Bitte!
Eine solche Aufgabenverlagerung von privaten auf staatliche Stellen entspricht nicht unbedingt liberalen Grundsätzen. Sie kann für uns ordnungspolitisch nur dann hinnehmbar sein, wenn die spezifische Aufgabe tatsächlich unter Berücksichtigung aller Aspekte vom Staat besser erfüllt werden kann.
Finanziell gesehen ist das hier anscheinend der Fall; denn - und da betritt die Landesregierung Neuland - diese Betreuungen sollen nicht von zusätzlichen neu einzustellenden Beamtinnen und Beamten geleistet werden, sondern von bereits vorhandenem, jedoch dienstunfähigem oder begrenzt dienstfähigem Personal übernommen werden. Das ist ein spannendes neues Modell, das allerdings durchaus Fragen und Bedenken aufwirft. Die haben wir hier heute auch vernommen. Diese Fragen und Bedenken kann allerdings erst die zukünftige Entwicklung beantworten bzw. ausräumen. Deswegen wird dieses Gesetz auf Anregung der FDP regelmäßig und unfassend evaluiert werden.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihnen liegt ein Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Betreuungsgesetz vor. Der Entwurf - das zur Historie - geht auf eine gemeinsame Initiative meines Hauses, also des Justizministeriums, des Ministeriums für Soziales und des Ministeriums für Inneres und Sport zurück. Durch die Gesetzesänderung soll - das ist ja das heutige Thema - eine Betreuungsbehörde auf Landesebene beim Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie eingerichtet werden. Aufgabe ihrer Beschäftigten wird es vor allem sein, rechtliche Betreuungen zu führen. Daneben erhält sie die Aufgabe, Betreuungsvereine anzuerkennen.
Anlass für den Gesetzentwurf sind die jährlichen Ausgabensteigerungen für die Vergütung von Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuern. Sind im Jahr 1992, also im ersten Jahr der Geltung des Betreuungsgesetzes - bitte vergegenwärtigen Sie sich das! -, umgerechnet noch rund 500 000 Euro
an Betreuungskosten angefallen, sind wir im Jahre 2011 mittlerweile bei mehr als 74 Millionen Euro angekommen. In den letzten sechs Jahren sind die Kosten durchschnittlich um 6 % gestiegen; von 2010 auf 2011 waren es sogar 7 %. Auch die Verfahrenszahlen steigen immer noch weiter an, wenn auch nicht in gleichem Maße. Es gibt also Anlass, ein bisschen gegenzusteuern, und zwar ohne Qualitätsverluste, aber doch mit beachtlichem Einsparpotenzial, meine Damen und Herren.
Die Betreuungskosten werden zum größten Teil durch Vergütungen für Berufsbetreuer verursacht. Das hat das Institut für Sozialforschung, das im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz die Ausgabenentwicklung in Betreuungssachen untersucht, in seinem letzten aktuellen Bericht im März dieses Jahres speziell in Bezug auf Niedersachsen ausdrücklich festgestellt. Diese Kosten können durch den Einsatz von dafür qualifizierten Behördenbetreuerinnen und -betreuern gesenkt werden. Dem Land entstehen dabei keine zusätzlichen Kosten, da durch den Einsatz der Beschäftigten des Landesamtes die Aufwendungen für Berufsbetreuervergütungen eingespart werden.
Dass das gut funktioniert, meine Damen und Herren, haben wir im Rahmen des Modellprojekts „Betreuung hilfsbedürftiger Menschen nach dem Betreuungsgesetz“ feststellen können, das seit 2004 bekanntlich beim Landesamt durchgeführt wird. Die dort bereits lange tätigen 26 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden als ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer eingesetzt, und zwar in Fällen, in denen ansonsten eine Berufsbetreuung eingerichtet werden müsste. Mal ehrlich: Haben Sie just in diesem Segment seit 2004 irgendwelche Klagen oder Beschwerden vernommen? - Ich eigentlich nicht. Vielleicht einmal im Einzelfall, grundsätzlich aber nicht.
Nach der bisherigen Gesetzeslage kann das Personal des Landesamtes nur ehrenamtlich bestellt werden, weil nach § 1897 BGB ausschließlich Mitarbeiter einer Betreuungsbehörde als Behördenbetreuer eingesetzt werden können. Es ist also eine rechtliche Vorgabe, die man schlecht wegverhandeln kann. Deshalb muss dem Landesamt zu diesem Zweck die Funktion einer weiteren Betreuungsbehörde zugewiesen werden. Die Landkreise und die kreisfreien Städte bleiben damit weiterhin für sämtliche Aufgaben der örtlichen Betreuungsbehörde nach dem Betreuungsbehördengesetz zuständig. Lediglich die Aufgabe der Anerkennung von Betreuungsvereinen entfällt für sie.
Aufgrund des eindeutig begrenzten Aufgabenbereichs der weiteren Behörde wird es auch die von einigen befürchtete Doppelstruktur nicht geben. Es bleibt den örtlichen Behörden unbenommen, selbst auch Betreuungen durchzuführen. Das Interesse daran dürfte wie schon in den letzten Jahren aber auch weiterhin nur gering sein. Ich möchte Ihnen gern mitteilen, dass der Anteil der Behördenbetreuungen kontinuierlich bei jährlich unter einem Prozent liegt. Deshalb verstehe ich nicht ganz das gewaltige Engagement der kommunalen Spitzenverbände dahin gehend, dass man vor Ort mehr Aufgaben übernehmen könnte; denn dann würde sich das eine oder andere Problem erledigen. Sei es drum, meine Damen und Herren.
Wenn dem Landesamt nun die Funktion einer weiteren Betreuungsbehörde zugewiesen wird, so können die bisher dort tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre erfolgreiche Arbeit auf einer entsprechenden rechtlichen Grundlage weiterführen. Darüber hinaus können weitere geeignete Landesbedienstete für diese Aufgabe eingesetzt werden, deren Arbeitsplatz an anderer Stelle der Landesverwaltung wegfällt oder die in ihrem bisherigen Aufgabengebiet aus anderen Gründen nicht mehr tätig werden können. Mit der Einrichtung einer weiteren Betreuungsbehörde wird z. B. die Möglichkeit eröffnet, dienstunfähige und begrenzt dienstfähige Landesbeamtinnen und -beamte als Betreuerinnen und Betreuer einzusetzen, wenn sie dies wünschen und dazu in der Lage sind.
Ich bitte, an dieser Stelle etwa Polemik herauszunehmen. Wenn ein Polizeibeamter aufgrund einer im Dienst erlittenen Verletzung vielleicht nur noch begrenzt dienstfähig ist, kann man im Einvernehmensweg ja fragen: Sind Sie bereit, das zu übernehmen? - Oder wenn ein Lehrer dem psychischen Druck des Unterrichtsbetriebes nicht mehr gewachsen ist, durchaus aber noch etwas tun möchte, sollte man doch mit ihm reden und ihn fragen können: Wären Sie bereit, sich in diesem Bereich entsprechend einzubringen?
Ich habe aber auch heute Vorbehalte vernommen. Deshalb möchte ich eines noch einmal deutlich machen und sagen: Zunächst einmal ist es eine Option, die man nutzen muss. Hier wird kein Zwang von oben ausgeübt - damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich muss auch sagen: Wenn hier in der letzten Zeit gesagt wurde, wir würden hier gescheiterte Landesbeamte unterbringen, so kann ich mich dem weiß Gott nicht anschließen.
Es ist ja schon ein Widerspruch in sich: Gescheitert und Landesbedienstete kann ich mir eh schon nicht vorstellen, meine Damen und Herren.
Demgegenüber sind wir davon überzeugt, dass es in allen Bereichen der Landesverwaltung qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt. Wenn darunter auch solche sind, die ihre ursprüngliche Tätigkeit - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr ausüben können, dann spricht nichts gegen eine Prüfung dahin gehend, ob sie als rechtliche Betreuerinnen oder Betreuer eingesetzt werden können. In jedem Fall wird auch genau geprüft, ob jemand geeignet ist. Es gibt hier aber keine genauen Vorgaben; denn wir müssen auch das Individuum sehen: Wer soll betreut werden? Geht es mehr um eine rechtliche Betreuung, oder geht es um wirtschaftliche Hintergründe? Ist nicht auch die familiäre Nähe wichtig? - Wenn jemand geeignet ist, muss man natürlich gucken, wer es macht. Es kann aber auch genau das richtige Mittel sein, einen Behördenbetreuer einzusetzen.
Herr Minister, ich möchte Sie unterbrechen. - Was ich als kritisch ansehe, ist die Lautstärke hier im Plenarsaal. Ich bitte, die Gespräche einzustellen, damit der Herr Minister die entsprechende Aufmerksamkeit hat. Wir stehen kurz vor der Abstimmung. Der Plenarsaal ist ungewöhnlich gut besetzt. Ich möchte aber auch deutlich sagen, dass es ungewöhnlich laut ist. Insofern bitte ich, die Gespräche einzustellen und Herrn Minister zuzuhören. Das kann manchmal von Vorteil sein. - Herr Minister!
Ich möchte den Faden wieder aufgreifen. Wer der Verwaltung nicht traut oder der Politik nicht traut, sollte doch der unabhängigen Gerichtsbarkeit trauen: Jede Betreuung wird von einem unabhängigen Richter beurteilt, und der Betreuer wird nach geeigneten Kriterien entsprechend eingesetzt. - Mögen wir doch einfach einmal annehmen, dass unsere Richter das richtig machen.
Die Behördenbetreuung ist auch kein Rückschritt in alte Zeiten im Sinne von Amtsvormundschaft, Massenverwaltung und Bearbeitung vom Schreibtisch aus. Das alles ist nicht mehr Sinn des ganzen Geschehens.
Ich sage Ihnen sehr deutlich und bitte Sie, sich die Verhältnisse des Landes zu gewärtigen: Die Zahl der Betreuungen steigt weiter an. Wir haben derzeit in Niedersachsen 130 000 Betreuungen auf den Schreibtischen liegen. Diese Zahl steigt noch an. Wir haben eine gute Truppe hauptamtlicher Betreuerinnen und Betreuer. Diese brauchen sich über Arbeitsmangel nicht zu beklagen, weil die Fallzahlen weiter ansteigen.
Wir haben eine große Schar ehrenamtlicher Betreuerinnen und Betreuer. Wir haben, wie ich hier schon bei anderer Gelegenheit erwähnen durfte, nicht ohne Grund dafür gesorgt, dass nicht nur die Übungsleiterpauschale in Höhe von 2 100 Euro für die Ehrenamtlichen im Sportwesen anerkannt ist, sondern eine Pauschale auch im Bereich der Betreuung anerkannt werden kann. Wir haben dadurch auch im Bereich der ehrenamtlichen Betreuung für mehr Motivation gesorgt.
Ich meine, dass wir mit diesem Gesamtpaket aus Ehrenamtlichkeit und hauptamtlicher Betreuungsbehörde eine vernünftige Regelung anbieten. Ich wäre dankbar, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen, und meine, dass wir dann gemeinsam auf dem richtigen Weg sind.
Artikel 1. - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer ihr seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsempfehlung des Ausschusses gefolgt.
Artikel 3. - Auch hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer ihr seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist hier ebenfalls der Änderungsempfehlung des Ausschusses gefolgt.
Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem vorliegenden Gesetzentwurf mit den soeben beschlossenen Änderungsempfehlungen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit hat der Gesetzentwurf hier im Landtag die Mehrheit erhalten.
Abschließende Beratung: a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Aufnahme von ausländischen Flüchtlingen und zur Durchführung des Asylbewerberleistungsgesetzes - Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2520 - b) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aufnahmegesetzes - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 16/4124 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 16/4539 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/4622 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4630
Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf der Landesregierungen mit Änderungen anzunehmen und den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen.
Mit ihrem Änderungsantrag strebt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Änderungen zu Artikel 1 des Gesetzentwurfes der Landesregierung an.