Protocol of the Session on February 22, 2012

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Sie haben doch den Schlüssel für die Tür!)

Bekannt wurden solche Arbeiten u. a. - darauf zielen solche Themen - im großen Einzelhandel - im großen, wohlgemerkt -, bei den Lagerauffüllungen, die zumeist in den Abend- und Nachtstunden ablaufen und als ganzer Betriebsbereich den allein weisungsbefugten Subunternehmern übergeben wurden. Beschäftigt werden hier in der Regel „Billigst-Arbeitskräfte ohne Ausbildung, häufig … ohne Deutschkenntnisse“. Sie brauchen kurzfristig Geld und sind laut Gewerkschaftssekretär Gobrecht von ver.di Hessen „schnell wieder weg“.

Was von dieser zweifelhaften Beschäftigung bleibt, ist ein weitreichend schlechter Ruf der Einzelhändler, die sich diesem System verschrieben haben. Es ist daher bereits ersichtlich, dass sich fast alle wieder davon distanziert haben.

(Lachen und Widerspruch bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

- Moment mal! Lassen Sie mich ausreden!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Völliger Realitätsverlust!)

Real testet bereits wieder die Auffüllung der Regale durch eigene Mitarbeiter.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das ist ja ein Ding!)

Kaufland und Netto sprechen von Verpflichtungserklärungen der Fremdfirmen zur Zahlung von Mindestlöhnen.

Der umkämpfte Arbeitsmarkt aber und die von den Verbrauchern gezahlten Preise werden in unserer Gesellschaft schnell zu einer Verhandlungssache. Dies gilt es zu prüfen: Sind die Mottos „Geiz ist geil!“ und „Ich bin doch nicht blöd!“ wieder so erstrebenswert? Das frage ich Sie.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ha- ben Sie gefordert!)

In jedem Fall aber ist Arbeit immer besser, als keine Arbeit zu haben.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ja, auch für 3 Euro!)

Sie muss auf Dauer jedoch auskömmlich sein und zu einer Besserstellung führen. Das ist der Grundtenor einer sozialen Marktwirtschaft und muss es auch bleiben. Das haben wir hier immer vertreten.

(Beifall bei der FDP - Lachen von Kreszentia Flauger [LINKE])

Auswüchse, in welchen Bereichen auch immer, sind aufzudecken und auszuräumen. Allein ein Outsourcing ist nicht verwerflich, solange die Umstände wie Arbeitszeit und Lohn in einem vernünftigen Rahmen stehen. Immerhin entstehen vielfach Arbeitsplätze, die es sonst nicht gäbe,

(Olaf Lies [SPD]: Seit wann entstehen durch Outsourcing Arbeitsplätze? Das müssen Sie mir einmal erklären!)

und Menschen, die häufig kaum vermittelbar sind, haben Teil am Berufsleben. Außerdem können viele Synergieeffekte genutzt werden, die anders schwerlich entstehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Eine Pip- pi-Langstrumpf-Rede! Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt! - Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Bei dieser Rede klatscht nicht einmal die CDU!)

Der nächste Beitrag kommt von Herrn Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau König, die Hintertür, die sich einige Unternehmen aufgemacht haben, haben sie nicht einfach so plötzlich gefunden. Sie ist ihnen aufgelassen worden. Ihre schwarz-gelbe Bundesregierung hat den Schlüssel zu dieser Hintertür. Diese Hintertür lassen Sie bewusst auf.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Gabriela König [FDP]: Wer hat denn die Ein-Euro-Jobs ge- macht, Herr Hagenah?)

- Hier geht es nicht um die Ein-Euro-Jobs. Wir als Grüne haben aber längst erkannt, dass auch da dringender Korrekturbedarf besteht. Frau König, dem verweigern Sie sich in Regierungsverantwortung leider. Das wäre heute tatsächlich geboten; da gebe ich Ihnen recht.

Im Augenblick gibt es einen neuen Boom, der von der Wirtschaft massiv unterstützt wird. Wie wir dem „Monitor“-Bericht vom 2. Februar entnehmen konnten, haben drei Arbeitgeberverbände in Deutschland das inzwischen so weit perfektioniert, dass sie ein Institut an der Ludwig-Maximilian-Universität München dafür finanzieren, dass dort Fortbildungen für Unternehmen angeboten werden, die Billiglohnmodelle fahren wollen. Da gehen die Lidls, aber leider auch Unternehmen anderer Branchen, alle hin und setzen das um.

Diese neue Hintertür der Kombination von Leiharbeit und Werkverträgen steht im Augenblick offen wie ein Scheunentor. Das ist ein großer Wachstumsmarkt, weil man auf diesem Wege im Augenblick unter allen Regeln hindurchtauchen kann. Nach Aussagen des kontrollierenden Zolls ist Missbrauch nur sehr schwer nachzuweisen. Wir müssen also dringend rechtliche Regelungen schaffen, um diese Hintertür wieder zu schließen.

Die Fraktion der Grünen hat deswegen Anfang dieses Monats einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht, dem Sie gerne zustimmen mögen, weil dieses Phänomen mittlerweile zu einem Massenproblem geworden ist. Eine Umfrage bei 5 000 Betriebsräten hat ergeben, dass mittlerweile 36 % der befragten Betriebsräte diese neue Art des Missbrauchs - die Kombination von Leihar

beit mit Werkverträgen - vorfinden. Deswegen besteht dringender Handlungsbedarf für die Bundespolitik.

(Zuruf von Gabriela König [FDP])

- Haben Sie gehört, Frau König? Für die Bundespolitik!

Unser Jobwunder, das wir auch in Niedersachsen feiern, hat leider den schalen Beigeschmack, dass wir das Wachstum im Wesentlichen bei der prekären Beschäftigung haben.

Deswegen sieht der Gesetzentwurf der Grünen erstens vor, eine eindeutige, praxistaugliche Abgrenzung zwischen Leiharbeit und Werkverträgen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu regeln. Das können wir auf Bundesebene sofort beschließen; der Gesetzentwurf ist eingebracht.

Zweitens sieht der Gesetzentwurf bessere Kontrollen durch den Zoll vor, dem endlich die dafür nötigen Möglichkeiten an die Hand gegeben werden müssen. Sein Aufgabenkatalog muss also erweitert werden, und er muss auch entsprechend ausgestattet werden, damit er diese neuen trickreichen Verfahren, die in Schulungen an Universitäten den Managern beigebracht werden, aufdecken und für ordentliche Arbeitsverhältnisse sorgen kann. Vor diesem dringenden Handlungsbedarf ducken Sie sich weg. Da müsste auch die Landesregierung längst tätig werden.

Seriöse Medien wie das Deutschlandradio - am 3. Januar dieses Jahres - und der Tagesspiegel vermelden längst, dass das deutsche Jobwunder bei genauem Hinsehen viel von seinem Glanz verliert, weil in den vergangenen zehn Jahren die prekäre Arbeit in Form von schlecht bezahlter Leiharbeit, befristeten Verträgen und vor allem Teilzeitjobs überproportional zugenommen hat. Unterm Strich, heißt es da, werde in Deutschland letztendlich nicht mehr gearbeitet als zu Beginn des Jahrzehnts, jetzt aber eben zu schlechteren Bedingungen.

Herr Minister Bode, das müssen wir leider auch Ihnen vorhalten. Ihre schönen Arbeitsmarktzahlen vernachlässigen immer, dass wir in den vergangenen Jahren viele tarifmäßig bezahlte Vollzeitarbeitsplätze verloren und dafür Teilzeitbeschäftigung und schlecht bezahlte Leiharbeit hinzugewonnen haben.

Von den Zahlen her glänzt unsere Statistik. Diese Statistik hilft aber den Menschen, die zu Hause auf ihr Konto schauen, nicht beim Überleben. Insge

samt werden in Niedersachsen Transferleistungen von 365 Millionen Euro an Menschen gezahlt, die unter prekären Verhältnissen arbeiten, und zwar in der großen Überzahl - ganz im Gegensatz zu Ihren Ausführungen, Frau König - nicht freiwillig. Über 200 000 Teilzeitbeschäftigte haben laut statistischem Landesamt erklärt, dass sie gerne mehr arbeiten würden. Sie möchten nicht ein wartendes Kindlein betreuen, sondern mehr arbeiten, um von ihrer eigenen Arbeit leben und auf Transferleistungen verzichten zu können.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Nun stö- ren Sie doch nicht mit Fakten!)

Das wollen wir politisch durchsetzen. Dafür braucht es einen Wandel und Wechsel, nicht nur in Niedersachsen, sondern auch im Bund; denn da werden die wesentlichen Weichen gestellt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Für die CDU-Fraktion hat jetzt der Kollege Toepffer das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegenstand dieser Aktuellen Stunde sollen einerseits die Arbeitsbedingungen bei Discountern und andererseits die Arbeitsmarktentwicklung in Niedersachsen sein.

Zu den Discountern und zum Einzelhandel insgesamt ist viel Richtiges gesagt worden. Das ist kein Problem der Discounter, sondern der Preiskampf im Einzelhandel insgesamt treibt zuweilen für die Beschäftigen sehr schmerzliche Blüten. Es ist richtig: Der Verbraucher verlangt immer billigere Produkte. Angesichts der geringen Preismargen reagiert der Handel, indem er die oftmals ohnehin nicht so hohen Löhne noch zu drücken versucht.

Die Politik reagiert dann auf gewisse Fehlentwicklungen, beispielsweise durch die Einführung von Mindestlöhnen in der Leiharbeit. Der Handel findet dann wieder ein Schlupfloch, in diesem Fall die viel beschriebenen Werkverträge.

Um es vorwegzunehmen: Auch wir in der CDUFraktion sind der Meinung, dass diese Praxis so nicht tolerierbar ist. Wir sind aber der Meinung: Es handelt sich doch um Einzelfälle und nicht um ein Flächenphänomen.

(Ronald Schminke [SPD]: Einzelfälle? Über 100 000!)

Soweit Unternehmen versuchen, auf diese Art und Weise den Lohn zu drücken, ist es richtig - Herr Hagenah, das haben Sie zu Recht gefordert -, dass die Zollbehörden die Bekämpfung aufnehmen. Es ist aber in der Tat schwer, den Nachweis zu führen, dass diejenigen, die dort als Werkvertragsbeschäftigte tätig sind, nicht doch von den sozialversicherungspflichtigen, nach Tariflohn bezahlten Beschäftigten angeleitet werden.

Ich habe aber auch festgestellt, dass allein diese Kontrollen oftmals schon dazu führen, dass sich das eine oder andere Unternehmen sehr wohl überlegt, ob Werkvertragsbeschäftigte eingesetzt werden. Frau König hat beispielsweise auf Real hingewiesen, die sehr schnell reagiert und das geändert haben. Denn das haben wir im Fall Schlecker ja gelernt: Der Ruf eines Unternehmens kann durch solche Praktiken so sehr geschädigt werden, dass sie sich schlichtweg nicht mehr lohnen.

Nun zu Teil 2, zur Entwicklung des Arbeitsmarkts in Niedersachsen. Meine Damen und Herren, gucken Sie sich doch einfach nur einmal die Zahlen an! Die Zahl der Arbeitslosen ist von 2002 bis 2011 um 87 000 gesunken. Das ist ein Rückgang um 24 %, und damit liegen wir nach Bayern bundesweit auf Platz 2. Das ist in der Tat ein niedersächsisches Jobwunder!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie von den Linken wollen allerdings den Eindruck erwecken, dass in Niedersachsen nur prekäre Arbeitsverhältnisse geschaffen worden sind. Aber auch hier gilt: Schauen Sie sich die Zahlen einmal genau an! Zwischen 2003 und 2011 sind 130 000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse geschaffen worden.