Meine Damen und Herren, ich glaube, dass wir - freundlich formuliert - mit diesem Antrag eine Debatte anstoßen und ins Rollen bringen. Wir müssen aber im Fachausschuss an diesem Antrag noch sehr viel arbeiten. Wir brauchen konkrete Umsetzungsmöglichkeiten. Wir brauchen praktische Hinweise. Wir brauchen die Absicherung der kulturellen Einrichtungen. Wir müssen uns das Leben und den Alltag der Senioren zu Gemüte führen, wenn wir gesellschaftliche Teilhabe organisieren wollen. Vielleicht kommen wir im Ausschuss zusammen zu einer Beschlussempfehlung, die konkreter wird. Das würde dann auch den Seniorinnen und Senioren helfen; denn dieser Antrag tut es jetzt noch nicht.
Herzlichen Dank, Frau Kollegin Behrens. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich jetzt Frau Dr. Heinen-Kljajić zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Prüssner, Ihr Antrag ist vermutlich gut gemeint. Aber bekanntlich ist gut gemeint nicht immer gleich gut gemacht.
Erstens bleibt der Antrag in seinen Forderungen vage. Er lebt vom klassischen Dreiklang schwarzgelber kulturpolitischer Forderungen: „anregen“, „sich einsetzen“ oder „darauf hinwirken, dass“.
Zweitens, und das ist die entscheidende Kritik, setzt er aus meiner Sicht an einem Punkt an, an dem die Messen doch eigentlich längst gesungen sind. Landauf, landab beklagen wir, dass das heutige Kulturpublikum zu vergreisen droht und, damit einhergehend, ein schleichender Rückgang der Zahl von Zuschauern und der Größe des Publikums verbunden ist. Oder denken Sie an Chöre und Laientheater! Auch da ist ein Rückgang der Zahl der Teilnehmenden oder Kulturschaffenden zu erwarten.
Unser Problem ist also nicht, dass es in Zukunft mehr alte Menschen geben wird, sondern dass nachkommende Generationen nicht mehr die gleichen Seh-, Hör- oder Kulturkonsumgewohnheiten haben wie das Gros des heutigen Publikums. Wenn Sie also in Zukunft mehr ältere Menschen an Kulturangeboten teilhaben lassen wollen, dann
Die eigentliche Herausforderung besteht also nicht darin, mehr Angebote für Senioren im klassischen Kulturbereich oder in der kulturellen Weiterbildung zu unterbreiten, sondern die Herausforderung heißt: Wie erreiche ich soziale Schichten oder gesellschaftliche Gruppen, die ich bisher nicht erreicht habe?
Meine Damen und Herren, wenn Sie sich beispielsweise das Jugendkulturbarometer ansehen, dann stellen Sie fest, dass in Niedersachsen Jugendliche kulturelle Einrichtungen besonders selten aufsuchen. Oder schauen Sie sich die Untersuchungen zum Thema Migration an! Sie werden feststellen: Menschen mit Migrationshintergrund kommen in unseren Kultureinrichtungen so gut wie gar nicht vor.
An dieser Stelle möchte ich schon einmal anregen, dass wir diesen Antrag zur Mitberatung an die Integrationskommission überweisen.
Es ist ferner unbestritten, dass kulturelle Teilhabe an das Familieneinkommen und den Bildungshintergrund der Eltern gekoppelt ist.
Fazit: Wir brauchen mehr Kulturangebote an den Schulen, wir brauchen bezahlbare und familienfreundliche Angebote, wir müssen interkulturelle Angebote ausbauen, und wir müssen Zugangshürden bereits im Kindesalter zu überwinden suchen. Hier liegt die eigentliche Stellschraube für die Teilnahme im Alter.
Meine Damen und Herren, was Sie hier fordern, ist ja nicht falsch. Ob es die LAGS oder die Bundesakademie für kulturelle Bildung sind: Viele, die im Kultursektor unterwegs sind, haben längst erkannt, dass sich Angebotsstruktur und Einrichtungsinfrastruktur dem demografischen Wandel zu stellen haben.
Es ist auch zweifellos richtig, dass in einer älter werdenden Gesellschaft eine große Chance für das bürgerschaftliche Engagement liegt. Aber es geht nicht primär darum, neue seniorengerechte Angebote in der kulturellen Weiterbildung zu schaffen. Der in die Jahre gekommene Bildungsbürger findet schnell Kulturangebote oder Felder, auf denen er sich ehrenamtlich engagieren kann. Zum einen hat er Geld, und Geld und attraktive Angebote finden naturgemäß ohnehin immer schnell zusammen. Und zum anderen ist ihm gesellschaftliche Anerkennung wichtig, und das Ehrenamt ver
Das heißt, was wir brauchen, ist ein Mehr an kultureller Teilhabe und sind Landesprogramme, die kulturelle Teilhabe unterstützen. Aber nicht nach Alter sortiert, sondern unabhängig von Alter, unabhängig von Herkunft und unabhängig von sozialem Status! Diesen Fokus blendet Ihr Antrag leider aus. Er geht über Gemeinplätze nicht hinaus. Aber vielleicht - da möchte ich mich der Kollegin Behrens anschließen - bekommen wir im Zuge der Ausschussberatungen ja noch konkretere gemeinsame Forderungen hin.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag enthält zwei Aspekte, sehr geehrte Frau Dr. Heinen-Kljajić, nämlich einmal, Kultur als Konsument zu genießen, und zum anderen, Kultur als Geber mitzugestalten, sich also in der Kultur zu engagieren. Beide Aspekte des Antrags sind wichtig.
Niedersachsen hat nämlich viel zu bieten: eine reiche und vielfältige Kulturlandschaft und viele kulturelle Schätze und Sehenswürdigkeiten. Sie alle sind Teil unseres Wertesystems und machen unser Land Niedersachsen aus.
Kultur zu genießen und Kultur zu erhalten, ist auch eine Frage der Bildung. Durch den demografischen Wandel stehen starke Veränderungen ins Haus. Was bedeutet das? - Zum einen weniger Kinder: Schon 2015 haben wir in Niedersachsen ungefähr 100 000 Schülerinnen und Schüler weniger an den Schulen. Zum anderen nimmt der Anteil der Bürger im erwerbstätigen Alter stark ab, und die Zahl der Zuwanderer mit anderem kulturellen Hintergrund und mit anderen Religionen wird zunehmen. Das bedeutet Veränderung, und Veränderung bietet immer Chancen.
Ich möchte an dieser Stelle auf die „Goslarer Erklärung“ der FDP-Landtagsfraktion verweisen, die Chancen und politische Handlungsansätze beschreibt, die mit dem demografischen Wandel verbunden sind. Ich darf daraus zitieren: „Die Teilhabe am Erwerbsleben ist mehr als lediglich Brot
erwerb.“ Und später: „Jede Generation wird gebraucht und kann einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten.“
Seit jeher, meine Damen und Herren, wünschen sich die Menschen, gesund alt zu werden. Genau an diesem Punkt sind wir nun. Ich sage: Das ist ein Glück und ein Erfolg des zivilisatorischen Fortschritts.
Mit der gewonnenen Lebensqualität wurde auch das Alter zu einer Chance, zu einem gestaltbaren langen Lebensabschnitt nach der Erwerbstätigkeit im Beruf. Und der ältere Mensch hat seinen Platz heute mittendrin in der Gesellschaft. Das ist uns wichtig.
Diese Lebenssituation wird von den Älteren durchaus positiv gesehen. Liebe Frau Behrens, schauen Sie sich einmal den Altenbericht der Bundesregierung aus 2010 an! Frau Prüssner hat ihn schon erwähnt. Bildung wird nämlich gerade deshalb auch in der zweiten Lebenshälfte wichtig.
Bezogen auf die Kultur sage ich: Besonders regionale Kultureinrichtungen können entsprechende Bildungs- und Vermittlungsarbeit für Ältere anbieten. Es können z. B. Kulturexpeditionen in Kultureinrichtungen in Zusammenarbeit mit Seniorenservicebüros oder Seniorenheimen und kulturellen Einrichtungen geboten werden.
Der demografische Wandel verlangt also einen Spagat: Zum einen müssen Kulturangebote für Ältere entwickelt werden, zum anderen aber natürlich auch für die Zielgruppe der Kinder, Jugendlichen und Familien. Das ist eine Herausforderung.
Angebote dürfen also nicht nur zugunsten der älter werdenden Generation gestaltet werden, sondern müssen die gesamte Familie - alle Generationen - in den Blick nehmen.
Ich will noch einmal auf unsere „Goslarer Erklärung“ zurückkommen. Darin heißt es auch: „Die Erfahrungen Älterer sind für die Gesellschaft und gerade die Jüngeren unverzichtbar.“ Ja, gemeinsame Projekte machen viel für eine gute gemeinsame Zukunft aus.
auch im Alter. Seniorenarbeit in und für die Kultur muss Anerkennung finden. Das ist keine Lückenbüßerei. Für die Soziokultur wurden bereits entsprechende Mittel in den Haushalt eingestellt. Das heißt, der Antrag ist finanziell bereits abgesichert.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich beim ersten Lesen dieses Antrags gefragt, ob dieser Antrag tatsächlich der Höhepunkt des von der CDU ausgerufenen Schwerpunktthemas Kultur sein soll.
(Daniela Behrens [SPD]: Das war ja letztes Jahr! - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Es gab nur Höhepunkte!)
- Der Antrag ist ja schon am 16. November 2011 eingebracht worden. Deswegen kann es ein Nachzügler sein. Herr Thümler hat zwar schon vor Ablauf des letzten Jahres resümiert, aber irgendwoher muss das ja kommen. Vielleicht ist auch etwas vergessen worden.
Genauso liest sich dieser Antrag auch. Hier soll „angeregt“, „sich eingesetzt“, „hingewirkt“ und „im Rahmen des Bestehenden fortentwickelt“ werden.
Man kann es auch so ausdrücken: Der Antrag ist unverbindlich. Aus ihm erwachsen keine konkreten Arbeitsaufträge und Konsequenzen, weder für die Seniorinnen und Senioren noch für die Kultur.
Nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich stehe der Initiative überhaupt nicht negativ gegenüber. Es reicht aber eben nicht, die Kulturträger einfach anzuregen oder mehr auf die ältere Generation zuzugehen. Wenn Sie diese Anregungen aber schon aussprechen, dann wäre es nur ehrlich, gleichzeitig zu sagen, worauf die Kulturträger dann künftig verzichten sollen. Der Antrag erschöpft sich
in Belanglosigkeiten und Appellen. Verbindliches ist nicht zu finden. Da reicht ein Blick auf den vorliegenden Forderungskatalog.
Wenn Sie das Thema Senioren und Kultur vor dem Hintergrund des viel beschworenen demografischen Wandels wirklich vorantreiben wollen, dann dürfen die Themen Altersarmut und finanzielles Ausbluten der Kommunen nicht ausgeklammert werden.