Meine Damen und Herren, da es klar ist, dass ethnische Minderheiten besonders sorgsam zurückgeführt werden sollen, hat man auch einen Vertrag zwischen der Republik Kosovo und den UN-Organisationen geschlossen, damit man regelmäßig, aber nur in sehr geringen Zahlen zurückführt. Diese Organisation und das Kosovo haben eindeutig gesagt, man sollte das kontinuierlich tun, damit sie vernünftig integriert werden können. Meine Damen und Herren, deshalb ist ausdrücklich gesagt worden, dass man einen Wintererlass nicht für sinnvoll hält; denn dann würde man im April und später größere Probleme bekommen. Das weiß auch Herr Jäger. Deshalb hatte er dies auch nicht vor.
Hier wurde behauptet, dass Niedersachsen das Abschiebeland Nummer eins sei. Wenn ich es richtig sehe, sind wir an fünfter Stelle; das will ich gerne einräumen. Berlin, Baden-Württemberg und andere sind durchaus vor uns. Vor allen Dingen geht es hier aber um ethnische Minderheiten. Dazu muss man wenigstens die Zahlen zur Kenntnis nehmen: Nordrhein-Westfalen hat 69 Angehörige ethnischer Minderheiten zurückgeführt, davon 60 Roma. Niedersachsen hat 46 Angehörige ethnischer Minderheiten zurückgeführt, davon 39 Roma.
Meine Damen und Herren, angesichts dieser Zahlen sollte man hier nicht immer wieder behaupten, dass wir diejenigen sind, die völlig inhuman einfach nur das Recht umsetzen. Wir gucken ganz genau, was im Kosovo möglich ist und was nicht möglich ist.
Jetzt noch ein Wort zur Abschiebepraxis, die hier immer als schrecklich dargestellt wird. Ich gebe Ihnen unumwunden recht: Für diejenigen, die ab
geschoben werden, ist die Abschiebung wirklich grausam. Für diejenigen, die sie durchführen müssen, ist sie nicht minder grausam.
Das ist aber die letzte Möglichkeit, wenn man die freiwillige Rückkehr nicht annimmt. Wir sind uns übrigens darin einig, dass bis jetzt noch das Zuwanderungsgesetz aus dem Jahr 2004 und das Aufenthaltsrecht gelten - damals übrigens von SPD und Grünen beschlossen. Wenn wir das zur Kenntnis nehmen und uns zudem darüber klar sind, dass alle Innenminister dieses Recht umsetzen müssen und auch wollen, dann sollte hier nicht immer wieder behauptet werden, dass wir nicht human seien. Wir führen gerade Angehörige ethnischer Minderheiten genauso sensibel zurück wie andere Bundesländer. Ich glaube, wir sind sogar vorbildlich. Auch das darf man hier einmal sagen.
Deshalb sollten Sie, meine Damen und Herren, endlich damit aufhören, nur eines zu wollen, nämlich aus dieser Diskussion politisches Kapital zu schlagen. Das ist die Sache nicht wert.
Lesen Sie einfach einmal das, was andere Innensenatoren oder -minister, die auch Ihrer Couleur angehören, gesagt haben! Wenn Sie sich noch nicht kundig gemacht haben, dann machen Sie sich kundig und behaupten Sie nicht etwas, was nicht stimmt!
Herzlichen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.
Federführend soll der Ausschuss für Inneres und Sport tätig werden, mitberatend soll der Ausschuss für Haushalt und Finanzen tätig werden. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch dagegen. Dann haben Sie so beschlossen.
Erste Beratung: 28. Januar 2012: 40 Jahre „Radikalenerlass“ - politisch motivierte Berufsverbote, Bespitzelung und Verdächtigung dürfen keine Instrumente des demokratischen Rechtsstaates sein - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4350 neu
- Es ist hier ein unheimliches Gemurmel. Wenn es ein bisschen ruhiger werden könnte, wäre ich Ihnen allen sehr dankbar.
- Frau Kollegin Zimmermann, das Letzte habe ich eben überhört, weil es nicht parlamentarisch war. Das wissen auch Sie. Sie sollten etwas vorsichtiger sein.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 28. Januar 1972: Der Beschluss der Ministerpräsidenten und des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt führte dazu, dass in Westdeutschland 3,5 Millionen Bundesbürger durch Regelanfragen überprüft wurden. 11 000 Verfahren hat es gegeben - 1 250 Ablehnungen, 265 Entlassungen aus dem öffentlichen Dienst. Ganz überwiegend richteten sich diese Verfahren gegen Angehörige der politischen Linken im weitesten Sinne. Der Zeitpunkt war nicht zufällig. Es war der Zeitpunkt, zu dem die Generation der 68er-Studentenbewegung begann, ins Berufsleben einzutreten. Es war der Zeitpunkt, zu dem der damalige Bundeskanzler Willy Brandt meinte, seine Ostpolitik innenpolitisch so absichern zu müssen.
Vor Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, spricht ein Betroffener. Ich bin nämlich insofern betroffen, als ich Berufsverbot als Notar bekommen hatte, was übrigens auch dazu geführt hat, dass ich später als Notarvertreter tätig war und viele Geschäfte beurkundet habe, übrigens ohne jede Beanstandung. Sie wissen, Herr Kollege, was
ich meine: durch das Landgericht. In meinem Fall - das will ich an dieser Stelle noch hinzufügen - führte es aber nicht zu einer sozialen Härte; denn ich durfte immerhin noch als Anwalt tätig sein. Eine soziale Härte war es aber für viele andere, nämlich für die, die ihren Beruf als Briefträger, Lokomotivführer, Krankenschwester, Lehrer, Richter oder Verwaltungsbeamter nicht mehr ausüben durften. Zwei der Betroffenen möchte ich hier ausdrücklich begrüßen; denn sie sitzen oben auf der Tribüne: Cornelia Booss-Ziegling und Matthias Wietzer erhielten ebenfalls Berufsverbot.
Als Anwalt habe ich damals zwischen 50 und 100 Fälle - ich habe sie nicht nachgezählt - vertreten. In keinem dieser Verfahren - das kann ich Ihnen aufgrund eigener Kenntnis sagen; es waren überwiegend Lehrerinnen und Lehrer - wurde den Betroffenen ein persönliches Fehlverhalten vorgeworfen - Agitation im Unterricht oder andere Geschichten, die damals erzählt wurden -, in keinem dieser Verfahren! Es war genau umgekehrt: Die Schülerinnen und Schüler, die Eltern hatten Protestdemonstrationen veranstaltet und forderten im Falle der Entlastung die Wiedereinstellung in den öffentlichen Dienst.
Ausnahmslos wurden den Betroffenen die erlaubte politische Betätigung, die Kandidatur bei Wahlen z. B. zum Studentenparlament, das Unterschreiben eines Friedensaufrufs, die Mitgliedschaft in legalen politischen Parteien, wie z. B. der DKP, aber auch in anderen Organisationen, wie etwa im Sozialistischen Hochschulbund, einer SPD-nahen Studentenorganisation, und die Teilnahme an Versammlungen - beobachtet von der politischen Polizei oder vom Verfassungsschutz - vorgeworfen.
Die Verfahren waren unwürdig. Ich erinnere an die hier in Hannover gebildete interministerielle Anhörkommission, an der ich als Anwalt in mehreren Verfahren teilgenommen habe. Die Sitzungen fanden im Saal des Innenministeriums statt. Ich weiß nicht, ob Sie das Gebäude kennen. Wenn Sie sich das Gebäude des Innenministeriums in der Lavesallee einmal angucken, dann werden Sie sehen, dass ein Gebäudeteil herausragt. Ich muss Ihnen sagen: Immer, wenn ich an diesem Gebäude vorbeifahre, schaudert es mich auch heute noch, weil ich stets diese Anhörkommission vor Augen habe. Dort saßen aus allen Ministerien Juristen zu acht, und der Einzelne musste sich vor diesem Gremium einem Kreuzverhör zu seiner politischen Gesinnung stellen. Das war ein schauriges Verfahren.
Wie wurde diese Entwicklung überwunden? - Die entscheidenden Anstöße kamen vom Ausland. Zunächst waren es die sozialdemokratischen Schwester- und Bruderorganisationen, die gefragt haben: Was macht ihr da eigentlich in Deutschland? - Es waren auch sozialdemokratische Landesregierungen, wie etwa die in Hamburg, die seinerzeit vorangeprescht sind. Das Wort „Berufsverbot“ wurde zu einem Fremdwort in der französischen Sprache. Von dort gab es auch ganz erhebliche Proteste.
Als dieser Druck immer stärker wurde, ist die SPD von dieser Praxis abgerückt. Unter anderem hat auch der damalige SPD-Vorsitzende Willy Brandt diese Entscheidung als einen Fehler bezeichnet. Als Schröder hier in Niedersachsen Ministerpräsident wurde, hat er diese unselige Anhörkommission aufgelöst und den Spuk beendet.
Den endgültigen Schlussstrich löste aber ein Fall aus, von dem auch ich selbst als Anwalt betroffen war. Das war der Fall der Dorothea Vogt, einer Studienrätin aus Jever. Ich hatte sie in erster und zweiter Instanz vor dem Verwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht vertreten. Ihr wurde die Kandidatur bei allgemeinen Wahlen für die DKP vorgeworfen. Sie wurde aus dem Dienst entfernt, wie es damals so hieß. Dann hatte sie sich entschlossen - sie dachte nämlich, dass sie dadurch mehr Gehör findet -, Verfassungsbeschwerde einzulegen. Als Anwaltsbüro hatte sie sich das Anwaltsbüro Gerhard Schröder genommen. Aber auch das hatte ihr nicht geholfen. Das Bundesverfassungsgericht hat ihre Verfassungsbeschwerde abgelehnt. Mehr Erfolg hatte sie dann allerdings bei der Europäischen Menschenrechtskommission und beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Diese Instanzen haben letztendlich entschieden, dass Dorothea Vogt Unrecht zugeführt worden war, und sie rehabilitiert.
In der Zwischenzeit war sie übrigens längst wieder in ihrem Beruf tätig. Sie ist später auch Schulleiterin geworden.
Wir fordern in unserem Antrag, die Erinnerung daran wach zu halten und Veranstaltungen zur Freiheit im Beruf, zur Freiheit im Netz und zur Freiheit von Bespitzelung durchzuführen.
Zum Stichwort „Bespitzelung“ will ich auf einen Einwand eingehen, der wahrscheinlich von der rechten Seite des Hauses kommen wird. Er wird wahrscheinlich lauten: „In der DDR hat es doch auch Berufsverbote gegeben“ - ich erinnere an den Fall Robert Havemann -, „und was die Bespitzelung betrifft, war es sicherlich noch schlimmer.“ Das ist zutreffend. Aber ich frage Sie: Was ist denn der Maßstab, den wir hier anlegen müssen? - Der Maßstab, den wir hier anlegen müssen, sind meiner Meinung nach das Grundgesetz und die Europäische Konvention für Menschenrechte. An diesen sollten wir uns orientieren, und nach diesem Maßstab sollten wir die Vergangenheit bewerten und würdig aufarbeiten.
Auch muss man den Betroffenen einmal sagen, dass ihnen Unrecht geschehen ist, sodass sie auf diese Weise wenigstens politisch rehabilitiert werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hat mit ihrem Antrag „28. Januar 2012: 40 Jahre ‚Radikalenerlass’ - politisch motivierte Berufsverbote, Bespitzelung und Verdächtigungen dürfen keine Instrumente des demokratischen Rechtsstaates sein“ das Ziel, an den Radikalenerlass zu erinnern und natürlich insbesondere auf dieses Jubiläum aufmerksam zu machen.
Herr Adler hat eben darauf hingewiesen, dass der Begriff „Bespitzelung“ sicherlich von uns aufgegriffen werden wird. Ich darf Ihnen an dieser Stelle nur sagen: Ich finde es sehr interessant, dass gerade von Ihrer Seite dieses Wort gewählt worden ist. Aber das macht die Diskussion im Ausschuss sicherlich sehr spannend.
Meine Damen und Herren, am 28. Januar 1972 wurde dieser Radikalenerlass in der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Er beschäftigte sich - das haben wir eben gehört - insbesondere
damit, dass Menschen, die die Absicht hatten, im Bereich des öffentlichen Dienstes tätig zu werden, auf ihre Gesinnung hin überprüft werden sollten. Willy Brandt und die Ministerpräsidenten der Länder haben sich sicherlich sehr gut überlegt, diesen Erlass zu den damaligen Verhältnissen herauszugeben. Aufgrund verschiedener Ereignisse in den 50er- und 60er-Jahren war sicherlich der Eindruck entstanden, dass es in diesen Zeiten in verschiedenen Lagern links und rechts - denn Inhalt des Radikalenerlasses war es eigentlich, dass sowohl linke als auch rechte Gesinnung überprüft werden sollte - Menschen gab, die extreme Gesinnungen hatten und damit eine Gefährdung für unsere Grundrechtsordnung darstellten.
Wir haben eben auch gehört, in welchem Umfang diese Abfragen letztendlich stattgefunden haben. Aufgrund der vielen Einwendungen, die zu verzeichnen gewesen sind, hat sich die Bundesregierung im Jahr 1976 entschlossen, diesen Erlass auf Bundesebene aufzuheben. Leider haben sich dem nicht alle Länder angeschlossen, sondern in den Ländern wurde dieser Radikalenerlass unterschiedlich behandelt. Ich bin sehr dankbar - das sage ich an dieser Stelle für unsere Fraktion und sicherlich auch für die FDP -, dass dieser Erlass im Jahr 1990 auch für Niedersachsen aufgehoben wurde. Ich glaube, das ist eine gute Entscheidung gewesen; denn im Einzelfall hat es sicherlich auch Ungerechtigkeiten gegeben, die Menschen in ihrem beruflichen Fortkommen behindert und ihnen in ihrer persönlichen Lage sicherlich auch sehr viele Schwierigkeiten bereitet haben.