Protocol of the Session on January 18, 2012

Tandem Wulff/McAllister - Herr Ministerpräsident, was haben Sie gewusst? - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/4382

McAllister klebt an Wulff - Landesregierung ohne Bereitschaft zur politischen Verantwortung und ohne Mut zur politischen Konsequenz - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/4379

Als erster Redner hat der Kollege Schostok von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern sind die ersten Fragen schriftlich von der Landesregierung beantwortet worden. Bisher hatten Sie alles an Aufklärung verweigert, sei es im Ältestenrat oder sei es im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Der Äl- testenrat ist nicht zuständig!)

Offensichtlich versuchen Sie jetzt einen neuen Weg, meine Damen und Herren. Sie wollen Herrn Wulff nicht schaden. Sie wollen aber auch den Eindruck erwecken, dass Sie um Aufklärung bemüht sind.

Am Wochenende durften wir von Ihnen, Herr Ministerpräsident McAllister, eine interessante Absetzbewegung von Ihrem langjährigen Förderer erleben. Anscheinend wollten Sie sich von den skandalträchtigen Aktivitäten Ihres Amtsvorgängers, die von banaler Schnäppchenjagd bis zum handfesten Rechtsbruch reichen, distanzieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei Ihren Antworten glauben Sie nun aber den Königsweg gefunden zu haben. Sie bauen juristische Nebelwände auf, anstatt zur Aufklärung beizutragen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie berufen sich im Kern - um nur ein Beispiel zu nehmen - auf das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen über seine Privatsphäre, in diesem Fall das Recht von Herrn Wulff. Dieses könne - so wird ausgeführt - nur dann aufgehoben werden, wenn ein hohes öffentliches Interesse an diesem Privaten besteht und wenn es dabei einen Bezug zur Amtsführung gibt. - Meine Damen und Herren, angesichts der Dimension der öffentlichen Diskussion ist dies nun wirklich ein Witz.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es war und ist das Prinzip „Wulff“, dass Amtsführung und Privates, dass der Wunsch nach privatem Glamour und politisches Handeln vermischt wurden. Die gesamte öffentliche Diskussion, der Kern des Skandals und alle bisher geäußerten Vorwürfe drehen sich genau um diesen Punkt, meine Damen und Herren. Und Sie reden davon, dass dies jetzt geschützt werden müsse.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Selbst wenn wir einmal Ihre anderen juristischen Nebelwände wie Steuerrecht, vertrauliche Bürgschaften und Bankgeheimnis außer Acht lassen, hätten Sie allein aus diesem Grund sehr viel mehr

Auskünfte geben müssen. Sie wären es der Aufklärung der Causa Wulff schuldig. Sie wären es auch dem Schutz der Würde des Amtes des Bundespräsidenten schuldig. Dies wäre dem Schutz und der Würde unserer Arbeit im niedersächsischen Parlament würdig.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Johanne Modder [SPD]: Genau! Darum geht es!)

Sie haben es nicht getan, und Sie wollten es auch nicht tun. Damit haben Sie sich nun endgültig eindeutig auf die Seite von Herrn Wulff gestellt. Sie nutzen jetzt ebenfalls die Salamitaktik à la Wulff. Nur das, was öffentlich ist, wird jetzt wiederholt.

Mein Vorwurf an Sie lautet: Sie behindern die Aufklärung. Sie stehen weiter an der Seite des ehemaligen Ministerpräsidenten. Ihre scheinbaren Absetzbewegungen waren offenbar nur Nebelwände, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Von dem damaligen CDU-Parteitag gibt es ein schönes Bild von einem Tandem, auf dem Herr Wulff vorne saß und fröhlich lachte und Sie als Sozius hinten Platz nahmen. Das Publikum hat applaudiert. Die CDU hatte die Wand „Gemeinsam Kurs halten“ dahinter gestellt. Ich sage Ihnen eindeutig: Sie sind noch heute Tandemfahrer. Sie sind ein Tandem als politische Geisterfahrer, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen ausdrücklich: Ihr Drahtseilakt ist gestern bei der Beantwortung an einer Stelle misslungen. In Ihrer Antwort auf die Frage 71 der Grünen räumen Sie ein, dass Herr Wulff und die Staatskanzlei sehr wohl auf Sponsorensuche für den Nord-Süd-Dialog gegangen sind, zwar nur im Einzelfall, aber immerhin. Sie geben nicht alle Aktivitäten zu, die die Medien bisher herausgefunden haben, aber doch einige. Ich sage Ihnen: Sie entlarven damit Ihre Antwort auf unsere Anfrage vom 11. März 2010 als das, was sie ist, nämlich als bewusstes Täuschen des Parlaments, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Jo- hanne Modder [SPD]: Genau so ist es!)

Ich zitiere aus der Antwort von damals:

„Es gibt keine Beteiligung oder Finanzierung durch das Land Niedersachsen.“

Gilt nun die Auskunft von gestern, die Sie gegeben haben, oder gilt die vom März 2010? - Sie haben sich in Ihren Tricksereien verheddert. Sie müssen - das sage ich Ihnen deutlich - am Freitag dem Missbilligungsantrag zustimmen. Tun Sie dies nicht, dann machen Sie sich endgültig lächerlich, und Sie entlarven sich wider besseres Wissen als bedingungsloser Verteidiger eines offensichtlichen Verfassungsbruchs. Ich bin gespannt, wie Sie da herauskommen wollen.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, zur Begründung des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Aktuellen Stunde erteile ich nun Herrn Kollegen Wenzel das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr McAllister, erlauben Sie mir, dass ich gleich zum Punkt komme. Für uns steht auch nach Ihrer Antwort auf unsere Anfrage fest: Dieser Landtag wurde von dem ehemaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff über seine geschäftlichen Beziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens getäuscht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Kardinalfrage, ob der ehemalige Ministerpräsident somit das Gesetz gebrochen hat, ja oder nein, ist aus unserer Sicht eindeutig mit Ja zu beantworten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr McAllister, Sie behaupten in der Antwort auf unsere Fragen, dass alles privat und juristisch sowie der Sache nach korrekt gewesen sei. Ich frage Sie: Warum hat sich Herr Wulff dann überhaupt in einem Interview in ARD und ZDF gestellt? Warum hat er Herrn Glaeseker nicht rehabilitiert?

Meine Damen und Herren, die Ereignisse der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass der ehemalige Ministerpräsident über erstaunliche Nehmerqualitäten verfügt, und zwar in jeder Hinsicht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das stimmt!)

Wenn Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP, jetzt auf Funkdisziplin drängen, eine Beendigung der Debatte fordern, das Ganze aussitzen wollen und meinen, dass das gelingt, dann irren Sie gewaltig.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben allenfalls ein Drittel unserer Fragen formal beantwortet. Im Kern jedoch verweigern Sie die Aufklärung.

(Johanne Modder [SPD]: So ist es!)

Wenn wir zulassen, dass sich der erste Mann in diesem Staat so gegen Recht und Gesetz stellt und so gegen die Würde dieses Amtes verstößt, dann wird diese Republik eine andere sein als die, die wir kannten. Das spüren die Menschen im Land. Wenn wir zulassen, dass in unserem Land zweierlei Recht gilt - eines für Normalbürger und eines für andere, nämlich für höchste Würdenträger -, dann fallen wir in Zeiten zurück, die es vor der Gründung eines freiheitlichen Rechtsstaates gegeben hat.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

„Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Das ist ein fundamentaler Grundsatz unserer Verfassung. Das gilt auch für den ersten Mann im Staat und für jeden Ministerpräsidenten.

(Professor Dr. Dr. Roland Zielke [FDP]: Es gilt die Unschuldsvermu- tung!)

Es muss doch fast wie Hohn klingen, was beim damaligen Ministerpräsidenten auf seiner Homepage zu lesen war. Ich zitiere:

„Die Grundsätze der tiefen Achtung vor dem Recht sind in allen Republiken unentbehrlich, sie gelten für alle, und man kann von vornherein sagen, dass da, wo sie fehlen, die Republik bald verschwunden sein wird.“

Hier hat Herr Wulff Herrn Tocqueville zitiert. Statt tiefer Achtung hat Herr Wulff durch seine Täuschung das Parlament missachtet.

Meine Damen und Herren, Herr Wulff hat von Herrn Geerkens einen anonymen Bundesbankscheck in Höhe von 500 000 Euro angenommen. Nach mehr als vier Wochen Debatte ist noch immer unklar, welchem Zweck dieser Scheck diente

und aus welchen Quellen das Geld tatsächlich kam.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Richtig!)

Mindestens ebenso merkwürdig ist der Anschlusskredit mit absolut einzigartigen Konditionen. Es gab anonyme Schecks, absolut einzigartige Kreditkonditionen, anonyme Geldspenden, kostenlose Ferienwohnungen sowie kostenlose Flug- und Hotelupgrades. Die Absender: Unternehmer, Konzernchefs, Aufsichtsratsvorsitzende und Geschäftsführer mit wirtschaftlichen Interessen in Niedersachsen. Das stinkt zum Himmel, und man fragt sich, ob hier etwas zum Vorschein kam, was möglicherweise nur die Spitze des Eisberges ist.