Protocol of the Session on December 8, 2011

Herr Minister, bitte!

Nein, solche Unterscheidungen sind bekanntermaßen nicht vorhanden und uns deshalb natürlich auch nicht bekannt.

Übrigens hat Herr Remmel in seiner Studie angegeben, fünf der befragten Biobetriebe hätten keine Antibiotika angewendet. Ich weiß allerdings nicht, wie viele Biobetriebe er befragt hat. Da ich die Bezugsgröße nicht kenne, kann ich nicht beurteilen, ob das 90 % oder 10 % sind. Es fehlt einfach der Bezug.

Aber natürlich unterscheiden Keime nicht zwischen öko und nicht öko.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu Tagesordnungspunkt 20 a liegen mir keine weiteren Zusatzfragen vor.

Ich komme zu Tagesordnungspunkt 20 b:

Ist die niedersächsische Härtefallkommission ein Instrument humaner Flüchtlingspolitik? - Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4244

Frau Zimmermann wird die Frage einbringen. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ist die niedersächsische Härtefallkommission ein Instrument humaner Flüchtlingspolitik?

In jüngster Zeit ist die niedersächsische Härtefallkommission erneut in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Kirchen und Wohlfahrtsverbände haben zum wiederholten Mal angesichts der Behinderung ihrer Arbeit in der Kommission ihr weiteres Mitwirken infrage gestellt. Zeitgleich tauchten Informationen darüber auf, dass Innenminister Uwe Schünemann die Kriterien für die Nichtannahme einer Eingabe und für ein Härtefallersuchen, beispielsweise durch den Ausschlussgrund „Kirchenasyl“, weiter zu verschärfen gedenkt. Laut einer Statistik von Amnesty International wird in keinem Bundesland so wenigen Härtefällen durch die Härtefallkommission stattgegeben wie in Niedersachsen. Auf 1 Million Einwohner fallen in Niedersachsen lediglich 22 positiv beschiedene Härtefälle. In Thü

ringen sind es 184, im Saarland 262 und in Berlin 592. Einig sind sich Flüchtlingsorganisationen und Experten darüber, dass die Ausgestaltung der Zusammensetzung und der Befugnisse der Härtefallkommission nur ein Baustein für eine veränderte Flüchtlingspolitik in Niedersachsen sein könne, welcher aber endlich nach humanen Kriterien ausgestaltet werden müsse.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Tatsache, dass Kirchen und Wohlfahrtsverbände zum wiederholten Mal angesichts der Behinderung ihrer Arbeit in der Härtefallkommission ihr Mitwirken infrage stellen?

2. Ist die Landesregierung unter diesem Aspekt bereit, das Quorum von zwei Dritteln der Mitglieder der Kommission für ein Härtefallersuchen zu senken und eine veränderte Zusammensetzung der Kommission u. a. durch Beteiligung von Flüchtlingsorganisationen vorzunehmen?

3. Ist die Landesregierung bereit, die Kriterien für die Nichtannahme einer Eingabe und für die Ausschlussgründe für ein Härtefallersuchen, wie z. B. wenn der Termin für eine Abschiebung der Ausländerin oder des Ausländers bereits feststeht oder Abschiebungshaft angeordnet wurde oder die Anforderungen an die Sicherung des Lebensunterhalts aktuell nicht erfüllt sind, so zu ändern, dass eine Annahme einer Eingabe und ein Härtefallersuchen erleichtert werden, und verzichtet sie auf die Hinzunahme von Kirchenasyl als Ausschlussgrund?

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Frage wird in Vertretung von Herrn Minister Busemann beantwortet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Aufenthaltsgesetz und das Asylverfahrensgesetz sind Bundesgesetze, die die Länder anzuwenden haben. Auch die Einrichtung der Härtefallkommission findet ihre rechtliche Grundlage im Aufenthaltsgesetz.

Der § 23 a Aufenthaltsgesetz gibt den obersten Landesbehörden die Möglichkeit, über die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen hinaus vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und

Ausländern in Einzelfällen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn eine von der Landesregierung durch Rechtsverordnung eingerichtete Härtefallkommission darum ersucht, also ein Härtefallersuchen stellt. In der Rechtsverordnung ist auch das Verfahren für die Arbeit der Härtefallkommission zu regeln und sind Ausschlussgründe für Härtefallersuchen zu bestimmen.

Nach der gesetzlichen Regelung in § 23 a des Aufenthaltsgesetzes trifft die Härtefallkommission keine abschließenden Entscheidungen, sondern ihre Ersuchen sind Empfehlungen an den Innenminister. Die Entscheidung für ein Härtefallersuchen setzt nach der gesetzlichen Regelung voraus, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit einer Ausländerin oder eines Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen. Für Härtefallersuchen besteht daher nur in außergewöhnlichen Einzelfällen Raum, in denen die Anwendung der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zu Ergebnissen führt, die der Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt hat.

Die Zusammensetzung der Kommission stellt ein Spiegelbild der Gesellschaft dar, und die Bewertung, ob aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen ein Härtefall vorliegt, hat jedes Kommissionsmitglied vor seinem eigenen Gewissen zu verantworten. Die Vertreter der Kirchen und Wohlfahrtsverbände beurteilen manchen Fall anders als die Vertreter der Kommunen, der Gewerkschaften oder der Wirtschaft. Angesichts der Bedeutung der Entscheidung für die Betroffenen und für die Gesellschaft ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich. Die Kommissionsmitglieder müssen daher gegenseitige Überzeugungsarbeit leisten, wenn sie ein Härtfallersuchen erreichen wollen.

Wenn Sie den Tätigkeitsbericht 2010 lesen, können Sie erfahren, wie intensiv die Diskussionen in der Härtefallkommission geführt werden. Die Kommission betrachtet eine Vielzahl von Einzelkriterien, die bei der Entscheidung abgewogen werden. Und genau in dieser Gewährleistung einer intensiven Betrachtung jedes Einzelfalls liegt der Erfolg. So hat die Kommission seit ihrer Konstituierung 131 Eingaben beraten und ist in 85 Fällen zu einer positiven Entscheidung gekommen.

Wenn Amnesty International demgegenüber auf eine Statistik Bezug nimmt, nach der auf eine Million Einwohnerinnen und Einwohner in Niedersachsen lediglich 22 Anordnungen gemäß § 23 a Aufenthaltsgesetz fallen, während es in anderen Bundesländern wesentlich mehr sind, so ist dies von

geringer Aussagekraft. Amnesty International schränkt selbst ein, dass z. B. der höhere Anteil an Ausländerinnen und Ausländern in Ballungsgebieten diese Auswertung verzerren kann. Es kommt auch darauf an, wie viele Eingaben überhaupt an die Härtefallkommission gerichtet werden.

Erheblich aussagekräftiger ist ein Ländervergleich, in dem die Anzahl der Beratungen in der Kommission zur Anzahl der positiven Entscheidungen ins Verhältnis gesetzt wird. Und da nimmt Niedersachsen mit 64,89 % positiven Entscheidungen im Ländervergleich einen Platz im oberen Mittelfeld ein. In Nordrhein-Westfalen wurden z. B. seit Bestehen der Härtefallkommission nur 24,34 % der beratenen Eingaben positiv entschieden.

Meine Damen und Herren, aktuell wird an einer Änderung der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung gearbeitet: Eine Person mit einer im Übrigen guten sozialen und wirtschaftlichen Integrationsleistung ist aufgrund der fahrlässigen Beteiligung an einem Verkehrsunfall zu einer erheblichen Geldstrafe verurteilt worden. Damit lag ein Nichtannahmegrund vor. Dieses Ergebnis ist unbillig, da der Unwertgehalt einer fahrlässigen Tat demjenigen einer Vorsatztat im Ergebnis gleichgestellt wird. Insoweit bestand Änderungsbedarf mit dem Ziel, eine Verurteilung wegen einer fahrlässigen Straftat als Nichtannahmegrund zu streichen.

Über weitere Änderungen in § 5 der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung (NHärteK- VO), der Gründe benennt, die zu einer Nichtannahme einer Eingabe führen können, wird derzeit beraten. Dazu steht das Ministerium für Inneres und Sport auch in Gesprächen mit der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und dem Katholischen Büro Niedersachsen.

Aufgenommen wird in jedem Fall eine Belehrungspflicht der Ausländerbehörde über die Möglichkeit der Anrufung der Härtefallkommission. Vollziehbar ausreisepflichtige Personen sollen so frühzeitig sensibilisiert werden.

Die Behauptung in der Dringlichen Anfrage, Kirchenasyl als Ausschlussgrund festzulegen, ist falsch. Das war und ist zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das stand in der Presse! Es ist ja schön, dass es nicht so ist!)

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung ist weiterhin sehr an der Mitarbeit der Kirchen und der Wohlfahrtsverbände in der Härtefallkommission interessiert. Die Zusammensetzung der Kommission stellt ein Spiegelbild der Gesellschaft dar. Die Kirchen und die Wohlfahrtsverbände repräsentieren wichtige Teile unserer Gesellschaft.

Eine Behinderung der Arbeit in der Kommission vermag die Landesregierung nicht zu erkennen.

Zu Frage 2: Eine Änderung des Quorums ist nicht vorgesehen. Angesichts der weit reichenden Bedeutung eines Härtefallersuchens wird eine qualifizierte Mehrheit nach wie vor für erforderlich gehalten. Eine positive Entscheidung der Härtefallkommission beinhaltet, dass geltendes Recht nicht angewendet wird. Die Abweichung von der Anwendung der Bestimmungen des Ausländerrechts kann nicht von einfachen Mehrheiten abhängig gemacht werden, sondern muss von einer breiten Basis der Gesellschaft getragen werden.

Diese Auffassung wird von fast allen Bundesländern geteilt. Die nach § 7 Abs. 3 NHärteKVO notwendige Zweidrittelmehrheit der anwesenden stimmberechtigten - - -

(Unruhe)

Herr Minister, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Danke schön.

Ich danke auch.

Diese Auffassung wird von fast allen Bundesländern geteilt. Die nach § 7 Abs. 3 NHärteKVO notwendige Zweidrittelmehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder für ein Härtefallersuchen entspricht den Regelungen der meisten anderen Bundesländer. Nur in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein reicht die einfache Mehrheit für ein Ersuchen; das Saarland verlangt eine Dreiviertelmehrheit, Hamburg sogar Einstimmigkeit.

Die häufig geäußerte Kritik an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit mit der Folge, dass bei Anwesenheit von acht stimmberechtigten Mitgliedern eine Abstimmung mit fünf Ja- und drei Neinstimmen zu keinem Ersuchen, also keiner positiven Entscheidung für die Betroffenen, führt, spielt in der Praxis nur eine geringe Rolle. Von den seit Bestehen der Härtefallkommission getroffenen 235 Entscheidungen sind lediglich elf Eingaben mit

dem Ergebnis 5 : 3 abgelehnt worden. Das entspricht einem Anteil von 4,7 %.

Eine veränderte Zusammensetzung der Kommission und eine Beteiligung anderer Organisationen sind nicht beabsichtigt. Die Härtefallkommission besteht aus neun Personen, deren Mitglieder frei von Weisungen sind. Die oder der Vorsitzende, berufen vom Innenministerium, hat kein Stimmrecht.

Die anderen acht stimmberechtigten Mitglieder setzen sich wie folgt zusammen: jeweils eine Vertreterin bzw. ein Vertreter der evangelischen Kirchen, des Katholischen Büros Niedersachsen, des Niedersächsischen Landkreistages, des Niedersächsischen Städtetages und der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen sowie drei weitere vom Innenministerium berufene Mitglieder aus den Bereichen Unternehmerverbände, Gewerkschaften und öffentlicher Dienst.

Diese Zusammensetzung der Kommission bildet die wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen in Niedersachsen ab und gewährleistet in jedem Einzelfall eine gründliche und sorgfältige Abwägung der besonderen humanitären und persönlichen Aspekte unter Berücksichtigung des Allgemeinwohls.

Zu Frage 3: Die Nichtannahmegründe sollen die Arbeitsfähigkeit der Härtefallkommission erhalten und sie von Eingaben entlasten, die offensichtlich keinen Erfolg haben werden, da die gesetzlichen oder sonst formale Voraussetzungen für ein Härtefallersuchen und damit für eine Anordnung nach § 23 a Aufenthaltsgesetz nicht erfüllt sind.

Wie in der Vorbemerkung dargelegt, befindet sich die Änderung der Härtefallkommissionsverordnung in der Abstimmung. Deren Ergebnis möchte ich nicht vorwegnehmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)