Meine Damen und Herren, nur ein beständig leistungsfähiges Rechtssystem sorgt als Garant unserer Ordnung dafür, dass Ansprüche nicht nur auf dem Papier stehen, sondern dass jeder - und zwar wirklich jeder - Zugang zum Recht hat, seine Ansprüche geltend machen bzw. durchsetzen kann und dass bestraft wird, wer gegen Gesetze verstößt. Zudem muss dies auch noch zeitnah geschehen. Ich sage das aus aktuellem Anlass. Unser Rechtssystem hat den Anspruch zu erfüllen, dass es in Niedersachsen keine überlangen Verfahrensdauern gibt.
Nun schwebt natürlich auch dieser Haushaltsplan mit seinen Problemen nicht im haushaltsleeren Raum. Insoweit schauen gerade wir als Juristen ja auch mit Spannung auf den 16. Dezember. Dennoch muss gelten: Die Garantie des Rechtsstaa
tes, der Anspruch jedes Einzelnen wie des Gesamten, muss auf jeden Fall gewährleistet werden können.
Es geht also darum, ob die Justiz in Niedersachsen so aufgestellt ist, dass sie diesen Auftrag tatsächlich erfüllen kann und dass die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vom Wachtmeister bis zum Vorsitzenden Richter, ihre Arbeit anständig tun können und dafür auch anständig behandelt werden. Und hier entstehen nun Fragen:
Ist es noch rechtsstaatlich, wenn es in Einzelfällen so lange dauert, bis Ansprüche vor niedersächsischen Sozialgerichten durchgesetzt werden können, dass sogar das Bundesverfassungsgericht eingreift, und wenn die Verfahrensdauer hier im Durchschnitt bei ca. 15 Monaten liegt?
Ist es für uns als Haushaltsgesetzgeber in Ordnung, wenn wir erkennen, dass in verschiedenen Gerichtsbarkeiten die Belastung bei Richtern und Folgediensten trotz leichter Rückgänge bei den Fallzahlen immer noch über PEBB§Y 1,0 liegt?
Ist es in Ordnung, dass es bei Rechtspflegern oder Amtsanwälten Bereiche gibt, in denen die Belastung in Einzelfällen bei bis zu 1,4 des Sollwertes beträgt?
Ist es in Ordnung, wenn Stellenobergrenzen nicht ausgeschöpft werden oder trotz guter Arbeit keine Stellenhebungen für die Mitarbeiter vorgenommen worden sind, obwohl die Arbeit mittlerweile qualitativ eine völlig andere geworden ist? Ist das motivierend? Müssen Mitarbeiter weiterhin über zehn Jahre - gerade in den mittleren Laufbahnen - auf ihre Beförderung warten?
Muss es uns nicht umtreiben, dass Anwärter, die in den Gerichten dringend benötigt werden, zwar bedarfsgerecht ausgebildet, dann aber wegen der Haushaltslage nicht vollumfänglich übernommen werden, und das trotz ordentlicher Prüfungsleistung?
Wollen wir weiter tatenlos zuschauen, wenn wir erkennen, dass im AJSD die Zahl der Klienten pro Mitarbeiter bei weit über 80 liegt? Dort hat sich seit Jahren nichts getan. Außerdem warten die Mitarbeiter 20 Jahre auf ihre Beförderung.
Kann es uns egal sein, dass sich der Krankenstand partiell deutlich erhöht? Ist dies nicht ein Zeichen ständiger Überbelastung und manchmal mangelnder Motivationsanreize?
teilweise in Gerichtsgebäuden ihren Dienst tut, in denen die Sanierungsnotwendigkeiten sprichwörtlich mit den Händen zu greifen sind?
Meine Damen und Herren, die Antwort ist: Nein, selbstverständlich nicht. In allen diesen Punkten besteht akuter Handlungsbedarf. Aber weil unsere Justiz trotz dieser Mängel auch im letzten Jahr ihre hohe Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt hat, möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich für die Arbeit bedanken. Ich glaube, das sollte ein Applaus wert sein, auch von der rechten Seite.
Wir dürfen uns aber trotz der in diesem Jahr leicht gefallenen Eingangszahlen bei verschiedenen Gerichtsbarkeiten nicht mit dem Status quo abfinden. Ich sehe hier Handlungsbedarf, Herr Minister. Hier etwas zu verbessern ist wichtiger, als zusammen mit Herrn Schünemann über die Vorratsdatenspeicherung zu schwadronieren, über Pläne, die möglicherweise wieder vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden. Folgen Sie lieber unserer Linie. Wir haben entsprechende Anträge gestellt. Bei der Verhinderung der beabsichtigten Eindampfung der Insolvenzgerichtsstandorte sind Sie mit unserer Unterstützung doch auch gut gefahren. Insoweit: Schließen Sie sich unseren vernünftigen justizpolitischen Anträgen an.
Aber ich will nicht die großen Themen der Justizpolitik thematisieren. Heute geht es um Niedersachsen. Wir müssen uns also fragen: Bringt der - im Übrigen möglicherweise erneut verfassungswidrige - Doppelhaushalt 2012/2013 eine wirkliche Verbesserung der Situation? Oder reden wir hier vielleicht sogar nur über virtuelle Verbesserungen?
Schaue ich mir den Entwurf der Landesregierung und die Anträge der Regierungsfraktionen genau an, so erkenne ich nur kleine, zaghafte Schritte, um die eingangs in Einzelbeispielen genannte Situation zu verbessern.
Der Minister sagte bei der Einbringung, die hohe Qualität der niedersächsischen Justiz sei gesichert. - Ja, das stimmt. Aber nur, wenn man davon ausgeht, dass die engagierten Mitarbeiter weiterhin quasi mit Überlast und wenig Perspektiven ihren Dienst tun.
Um dieses Ziel tatsächlich zu erreichen, bedarf es nämlich mehr als einiger weniger neuer Stellen und Stellenhebungen in verschiedenen Bereichen
wie Richterdienst, Staatsanwaltschaften, Amtsanwälten oder Wachtmeistern. Bei Zugrundelegung des immer wieder betonten Ziels von PEBB§Y 1,0 reichen diese Zuwächse nicht. Wenn die Regierungsfraktionen erklären, mit einigen weiteren Stellenhebungen werde man den gestiegenen Anforderungen an die Justiz gerecht, so sehe ich nur, dass damit das Notwendigste getan ist. Die angekündigten Maßnahmen sind gut und richtig, ob es die längst fälligen Hebungen im mittleren Dienst betrifft, den längst fälligen Verzicht auf A 3 als Eingangsamt - jahrelang von uns gefordert - oder das Schließen der Gerechtigkeitslücke bei den Amtsanwälten. Aber wie gesagt: Dies allein reicht noch nicht, um unsere Justiz zu mehr Leistungsfähigkeit, Kundenorientiertheit und Zufriedenheit weiterzuentwickeln.
Die mir bekannten Alternativen der Grünen und der Linken sind allerdings auch nicht wirklich zukunftsfähig. Es tut mir Leid, das sagen zu müssen. Der teilweise Verzicht auf Stellenhebungen, obwohl die Notwendigkeit doch von allen erkannt wird, trägt mit Sicherheit nicht dazu bei, die Belastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu mindern oder ihre Motivation zu stärken.
Ausdrücklich gut finde ich den Antrag mit einem Posten für die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Ich glaube, da müssen wir etwas tun.
Bei den Linken, Herr Adler, vermisse ich - bei aller Anerkenntnis der Forderungen an sich - eine solide Gegenfinanzierung. Da, denke ich, ist vernünftig nachzuarbeiten.
(Victor Perli [LINKE]: Das haben wir hier alles beschrieben! 20 Seiten! - Hans-Henning Adler [LINKE]: Bei euch stellt sich das Problem nicht! - Thomas Adasch [CDU]: Die einen stellen erst gar keine Anträge! - Beifall bei der CDU)
Meine Damen und Herren, lieber Kollege Adasch, wo sehe ich, wo sieht die SPD die Handlungsnotwendigkeiten, damit wir unsere Justiz in der Tat eine „gute Justiz“ nennen können? - Zunächst einmal müssen wir, denke ich, alle gemeinsam begreifen, dass es nicht immer die streitige Entscheidung ist, die zu mehr Rechtsfrieden und Rechtssicherheit führt.
Häufig beendet sie nur einen Streit. Aber wenn wir unsere Justiz so aufstellen wollen, dass die Rechtsstaatlichkeit zwar das oberstes Ziel darstellt, aber dass eben auch ein wirklich dauerhafter Rechtsfrieden geschaffen wird, dann müssen wir in meinen Augen zunächst die nicht streitigen Erledigungsarten stärken, und zwar ganz erheblich.
Dazu gehört zunächst der weitere und entschlossene Ausbau der Mediationsverfahren. Ich räume ein, dass hier schon einiges auf den Weg gebracht ist. Ich weiß auch, dass die Widerstände insbesondere derer, die an streitigen Verfahren recht gut verdienen, nicht gering sind. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass wir hier noch entscheidende Schritte gehen könnten. Eine gelungene Mediation ist für die beteiligten Parteien unumstritten besser als jede streitige Entscheidung mit Siegern und Besiegten.
Das Gleiche gilt für den Täter-Opfer-Ausgleich, ob er gerichtlich oder von den dafür qualifizierten anderen Trägern herbeigeführt wird, die es in Niedersachsen gibt und die erfolgreich und schnell arbeiten. Hier ist der weitere Ausbau dringend geboten. Auch das kostet natürlich Geld, aber insgesamt gesehen würden diese Kosten den Etat mittelfristig deutlich entlasteten; denn sowohl Mediation wie auch TOA, die am Schluss zu mehr Rechtsfrieden führen, sind in der Anwendung nachhaltig preiswerter als ein immer größerer Justizapparat.
Wir müssen weiterhin entschlossen am Ziel PEBB§Y 1.0 festhalten. Dabei dürfen wir auf keinen Fall dem Trugschluss erliegen, zu glauben, dass das Fallaufkommen ständig sinken wird. Nein, dort, wo Bedarfe bestehen - insbesondere bei der Sozialgerichtsbarkeit und bei bestimmten Folgediensten -, haben wir unseren Teil beizutragen und das Personal aufzustocken.
Ganz besonders betroffen sollte uns machen, dass auch in diesem Jahr wieder nicht alle Anwärterinnen und Anwärter übernommen werden, und das trotz seinerzeitiger Einstellung nach Bedarf und mindestens befriedigender Laufbahnprüfung und obwohl - das sagen Ihnen alle Gerichte - sie dringend gebraucht werden. Ich meine, das darf die Justiz angesichts des bevorstehenden Fachkräftemangels nicht weiter tun. Wir wissen doch alle, dass der Kampf um die besten Köpfe in der Zukunft längst begonnen hat. Der Justizdienst ist nicht wirklich der absolute Traumberuf der Jugendlichen. Wenn wir also einstellen und Chancen ge
Dazu noch ein Satz: Wenn diese jungen Menschen eine Laufbahnprüfung bestanden haben, aber nicht übernommen werden, haben sie schließlich noch nicht einmal einen anerkannten Berufsabschluss. Ich denke, hier besteht großer Handlungsbedarf. Diese jungen Menschen haben, wenn sie nach zweieinhalb Jahren guter Ausbildung die Leistung erbracht haben, zumindest einen draußen in der Wirtschaft anerkannten Abschluss verdient.
Meine Damen und Herren, eingangs habe ich über Arbeitsverdichtung, Gesundheitsmanagement und Ähnliches gesprochen. Im AJSD müssen wir auf jeden Fall einen neuen Schwerpunkt setzen. Auch in der Baulichkeit müssen wir alles Mögliche unternehmen, um unsere Justiz gut weiterzuentwickeln. All das kostet Geld, das ist richtig. Aber es ist nötig.
Dabei dürfen wir aber weder den Weg der Privatisierung gehen, noch, wie in der Vergangenheit, Ertrag bringende Bereiche wie z. B. Register abgeben. Ich sage es hier noch einmal deutlich: Unsere Justiz ist eine der drei Staatsgewalten. Sie taugt nicht für liberales Stockpicking.
Ich will allmählich zum Schluss kommen. - Wir brauchen eine Justiz, die den Ansprüchen, die wir gemeinsam immer wieder formuliert haben, gerecht werden kann. Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit sind wichtige Standortfaktoren in Niedersachsen und ganz Deutschland. Eine gute Justiz ist einer der wichtigsten Standortfaktoren, die wir haben. Ohne die garantierte Rechtsstaatlichkeit gibt es keine soziale Demokratie. Eine „gute Justiz“, wie ich sie nenne, ist das Ziel. Hieran müssen wir Schritt für Schritt arbeiten.
Hier schließt sich der Kreis zum Anfang der Rede. Ohne einen wirklich ordentlichen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Haushalt, der sich an Einnahmen und Ausgaben sowie tatsächlichen Aufgaben nach einer Aufgabenkritik orientiert, werden wir diesen Weg nicht gehen können. Der 16. Dezember wird zeigen, was dieser Ent
ob er erneut verfassungswidrig ist, wie vergangene Haushaltsentwürfe, und ob wir hier möglicherweise schon im Januar über ganz andere Dinge reden müssen.
Meine Damen und Herren, Niedersachsen braucht ab 2013 eine neue Regierung, die aufgrund solider Haushaltsführung gemeinsam mit den in der Justiz Tätigen solide und vernünftig den Weg zu einer guten Justiz entwickelt.
Deshalb heute auch keine konkreten Anträge, Herr Rolfes, sondern die vorgetragenen kritischen Anmerkungen und der beschriebene Weg, es mit Sicherheit besser zu machen. Niedersachsen und unsere Justiz haben es verdient.