Protocol of the Session on December 6, 2011

Zweites Stichwort: Mindestlohn. Da herrscht Stochern im Nebel. Hat sich jetzt die CDU wirklich ernsthaft in Richtung eines flächendeckenden Mindestlohns bewegt, oder verliert sich das in regionalen Kommissionen? Was macht die Union eigentlich, wenn die FDP nichts macht? Welche Höhe soll ein solcher Mindestlohn haben? Reicht das wirklich für das Existenzminimum, oder bleibt das doch alles eine Mogelpackung? Müssen letztlich doch unsere Kommunen wieder die Löcher stopfen, die durch das Lohndumping in den Taschen vieler Menschen entstehen?

(Johanne Modder [SPD]: Potemkin- sche Untergrenzen!)

Da sind noch viele Fragen offen. Wir bleiben dabei: Ein flächendeckender Mindestlohn ist auch und gerade eine große Entlastung für die Kommunen. Er muss kommen, und zwar schnell.

(Beifall bei der SPD)

Drittes Stichwort: Schuldenbremse. Wer es bislang noch nicht begriffen hat, dem muss eigentlich in der Anhörung zur Schuldenbremse klar geworden sein, dass es im Moment wenig gibt, was unseren Kommunalvertretern so viel Sorge macht wie das Verbot der Neuverschuldung in der Bundesverfassung und möglicherweise auch in der Landesverfassung.

Klar geworden ist in der Anhörung auch: Der von Ihnen - CDU und FDP - eingebrachte Entwurf wird in dieser Form von den kommunalen Spitzenverbänden nicht mitgetragen. Es muss eine Sicherung eingebaut werden, damit die Kommunen, die formal eigentlich gar nicht betroffen sind, am Ende nicht zum Opfer dieser Regelung werden. Eine Begrenzung der Schulden in Bund und Land zu Lasten der kommunalen Ebene wäre unverantwortlich.

(Zustimmung bei der SPD)

Unsere Fraktion wird dazu in den Verhandlungen entsprechende Vorschläge unterbreiten. Es darf nicht heißen „Den letzten“ - in diesem Fall die Kommunen - „beißen die Hunde“. Das werden wir nicht zulassen.

Viertes Stichwort: Steuersenkung. Der Koalitionspartner FDP leidet ja inzwischen unter chronischer Schwindsucht. Jetzt muss er wieder einmal beatmet werden. Ganz Deutschland, ganz Europa sorgt sich darum, wie wir die Schuldenkrise in den Griff bekommen. Nur eine kleine Partei in Deutschland will die Einnahmen des Staates ohne Not hergeben, um die letzten Reste ihrer verbliebenen gut verdienenden Wählerschaft bei der Stange zu halten. Das ist aus unserer Sicht ganz und gar unverantwortlich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Bund und die Länder haben diese Spielräume nicht, und die Kommunen haben erst recht nichts zu verschenken. Deshalb muss man ganz deutlich sagen: Wer in der derzeitigen Situation auf den Gedanken kommt, die Steuern zu senken - ich muss es einmal so deutlich sagen; ich weiß nicht, ob ich es darf -, der hat sie eigentlich nicht mehr alle. Der gehört nicht in die Regierung, der gehört zum Arzt.

(Beifall bei der SPD)

Ein Niedersächsischer Ministerpräsident - der jetzt leider nicht da ist -, der ja nicht nur für den Landeshaushalt verantwortlich ist, sondern auch für die Kassen der Gemeinden, Städte und Kreise handelt, muss hier ganz klar und deutlich Nein sagen.

(Björn Thümler [CDU]: Er hat eine Person gemeint! Dann muss er auch sagen, wen er gemeint hat! - Gegen- ruf von der SPD: Die Argumente hat er gemeint!)

Meine Damen und Herren, auch wenn heute der Nikolaustag ist: Wir stellen hier keinen Stiefel für die Kommunen heraus, lieber Herr Thümler. Wir betteln auch nicht um milde Gaben, sondern wir fordern das ein, worauf die Kommunen ein Anrecht haben, nämlich eine finanzielle Mindestausstattung, die eine kommunale Selbstverwaltung überhaupt noch möglich macht.

Mit dem heute zur Abstimmung stehenden Antrag wären wir für Niedersachsen zumindest auf dem richtigen Weg gewesen. Wir als SPD haben aber einen Fehler gemacht. Wir haben eine Fehleinschätzung gemacht. Wir haben geglaubt, wir könnten mit einem Antrag diese Regierung noch zu einem Kurswechsel bewegen. Das war der falsche Ansatz. Es geht nicht mehr darum, ob diese Regierung den Kurs wechselt. Es geht darum, diese Regierung zu wechseln.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu diesem Tagesordnungspunkt hat sich Herr Dr. Sohn für die Fraktion DIE LINKE zu Wort gemeldet. Ich erteile Ihnen das Wort. In drei Minuten könnte sich Frau Janssen-Kucz auf den Weg zum Podium machen, sie wäre die nächste Rednerin. - Bitte schön, Herr Dr. Sohn!

Dann müsste sie ja 30 Sekunden brauchen, weil ich 3:30 Minuten Redezeit habe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An diesem Tagesordnungspunkt sind zwei Punkte bemerkenswert. Ansonsten hat Herr Krogmann vieles gesagt, was ich unterschreiben kann.

Der erste Punkt: Das ist im Grunde ein bisschen Prolog zur Haushaltsdebatte, weil die Finanzlage der Kommunen entscheidend für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger in Niedersachsen ist.

Der zweite Punkt: Man hat den Eindruck, auch wenn man hier in die Reihen guckt, dass nach dem 11. September dieses Jahres bei der CDU das Thema „Kommunale Finanzen“ ausgeknipst worden ist. Dazu gibt es keinen Änderungsantrag. Da gibt es kein großes Interesse, wie man hier so sieht. Bei dem Aderlass, den Sie gehabt haben, und bei den Federn, die Sie bei dieser Kommunalwahl lassen mussten, ist es ja auch verständ

lich, dass Sie die Lust an kommunalen Belangen so langsam verlieren.

Wir sagen: Wir dürfen uns auch nach dem 11. September nicht mit den Kassenkrediten von inzwischen über 5 Milliarden Euro abfinden. Welche Zeitbombe da tickt, ist in der vergangenen Woche noch einmal deutlich geworden. Ich zitiere aus der Financial Times Deutschland:

„Die Staatsschuldenkrise droht auch die Finanzierungsbedingungen für die deutschen Städte und Gemeinden zu verschlechtern. Am Montag wies die Deutsche Bank darauf hin, dass sich die deutschen Kommunen auf schwierigere und teurere Finanzierungskonditionen einstellen müssten: ‚Vor allem größere Kommunen befürchten, dass sich die Konditionen der Banken verschärfen und künftig weniger Kredit für die Finanzierung von Städten und Kommunen zur Verfügung steht.‘“

Und das angesichts von Kassenkrediten in Höhe von 5 Milliarden Euro und der drohenden Situation eines Zinsanstiegs, der gerade bei diesen kurzfristigen Krediten „voll reinbrettert“! Das weiß jeder, der die Zusammenhänge einigermaßen kennt. Diese Situation der kommunalen Finanzen ignorieren Sie, liebe CDU und FDP, penetrant. Sie ignorieren das ebenso wie die beiden Anträge von SPD und Linke.

Das ist die Situation. Wir als Partei DIE LINKE werden uns nicht damit abfinden. Wie Sie sehen, trage ich das Grundgesetz immer bei mir. Es ist immer zitierfähig. Am liebsten zitiere ich Artikel 28 des Grundgesetzes. Ich lese ihn Ihnen auszugsweise vor:

„Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle“

- da steht nicht „ein paar“, sondern „alle“ -

„Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. … Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung …“

Wie sie das mit nur noch 13 % - bei Ihnen von der SPD stehen sogar nur 12 % - der gesamten Steuermittel, die den Kommunen noch zur Verfügung stehen, machen sollen, ist unklar. In den skandi

navischen Ländern sind es übrigens 40 % bis 60 %. Dort liegt auch die Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen deutlich höher.

Wenn nur noch 13 % bzw. 12 % der Mittel vor Ort verteilt werden, dann sinkt natürlich das Interesse an Kommunalpolitik. Dafür sind Sie mitverantwortlich. Sie gefährden die Grundlagen der lokalen Demokratie, weil Ihre Politik die Grundlagen der finanziellen Ausstattung der Kommunen vernachlässigt und gefährdet. Deshalb gehören Sie abgewählt, wie Herr Krogmann richtig sagte. Deshalb gehört danach die kommunale Basis und die Basis der kommunalen Finanzen gestärkt. Das muss spätestens ab 2013 angegangen werden.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt hat Frau Janssen-Kucz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, dass die schwarz-gelbe Regierung, die sich nach außen immer sehr kommunalfreundlich gebärdet,

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Das sind wir auch!)

die beiden Anträge zur Grundfinanzierung der niedersächsischen Kommunen einfach ablehnt. Ich weiß nicht, was mit Ihnen los ist: Sind Sie nicht in der Lage, einen Änderungsantrag einzubringen? Macht Ihnen das zu viel Arbeit? Oder ist es Ihre Ideenlosigkeit?

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Jens Na- cke [CDU]: Wir sind nicht die Regie- rung! Die Regierung sitzt dort!)

Ich frage mich, wo eigentlich Ihre Kommunalpolitiker sind. Haben die nicht genug Mumm, Ihnen einmal zu sagen, wie es in den Kommunen aussieht?

(Heinz Rolfes [CDU]: Vorsichtig! Herr Hiebing wird noch reden!)

Drei Viertel der Kommunen sind verschuldet, und es besteht dringender Handlungsbedarf. Aber was machen Sie? - Sie greifen lieber in die Taschen der Kommunen. Sie unterstützen sogar die Bundesregierung bei diesem Griff. Das tun Sie doch

nur, um Ihrem kleinen Koalitionspartner - die Fraktion ist hier auch schon auf zwei oder drei reduziert - etwas Gutes zu tun. Ich finde, es ist schon erschreckend, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung und die schwarz-gelbe Landesregierung so weit gekommen sind: Das Wohl und Wehe der FDP scheint Ihnen wichtiger zu sein als das Wohl des Landes und der Kommunen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Kassenkredite sind in kurzer Zeit von 5 Milliarden Euro auf 7 Milliarden Euro gestiegen. Aber Sie tun die Anträge der Opposition als blinden Aktionismus ab. Ich würde sagen, Ihr Agieren ist ganz schön blind, weil Sie die Augen vor der Realität verschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Wir haben eine Anhörung durchgeführt. Darin wurde ganz deutlich, welche Probleme und Sorgen bestehen. Auch in den schriftlichen Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände wurde das bestätigt. Die Schieflage ist unübersehbar.

(Glocke des Präsidenten)

Die geplante Einführung des Flächenfaktors ist ein Tropfen auf dem heißen Stein, ganz abgesehen von der tendenziellen Benachteiligung von Ballungsgebieten. Sie ändert nichts an der grundlegenden Notwendigkeit der nachhaltigen Stärkung der Finanzen. Auch die Anpassungen beim Verteilungsmechanismus im kommunalen Finanzausgleich sind nur ein Verschiebebahnhof. Die Steuerpolitik des Bundes trägt weiter dazu bei, dass sich die Haushaltslage verschlechtert.