Herr Minister Bode, sind nicht auch Sie der Meinung, dass zwischen Lohnfestsetzung und Mindestlohn ein gewaltiger Unterschied besteht?
Wir fordern einen Mindestlohn, haben aber nichts dagegen, dass auch Lohnfestsetzungen über dem Mindestlohn möglich sind.
Sie wollen also - wenn ich Sie richtig verstehe, damit ich keine falsche Antwort gebe - eine Regelung, wonach unterhalb dessen, worauf sich Tarifvertragsparteien, die einen branchenspezifischen Mindestlohn abschließen können, verständigt haben, eine gesetzliche Lohnuntergrenze festgesetzt werden kann? - Dann habe ich Sie schon wieder nicht richtig verstanden. Das sollten wir vielleicht bilateral klären.
Moment! Ich würde Ihnen gern das Wort erteilen. Sie sollten sich aber einigen, wer die Frage jetzt wiederholt; das möchte nämlich auch gerne Herr Schminke tun. Aber zunächst einmal sind Sie dran, Herr Hausmann. Bitte schön!
Danke, Herr Präsident. - Herr Bode, Herr Schminke hat das vorhin an dem Beispiel des gesetzlich geregelten Mindesturlaubs erklärt. Genau das möchten wir mit dem Mindestlohn erreichen. Wir möchten einen Mindestlohn haben, der mindestens zu zahlen ist. Die Tarifautonomie ist dann nicht gefährdet. Man kann jederzeit auch über dem Mindestlohn tarifliche Löhne festsetzen. Das ist das, was wir wollen.
Herr Kollege Hausmann, Herr Schminke, wenn Sie das wirklich wollten, wenn das wirklich Ihre Intention wäre, dann müssten Sie eine Regelung fordern, die unter den von den Tarifvertragsparteien festgelegten Mindestlöhnen liegt.
Das tut sie aber nicht. Sie wollen etwas ganz anderes. Sie wollen genau das, was wir aus anderen Ländern gehört haben. Sie wollen im Wahlkampf einen Überbietungswettbewerb über einen Mindestlohn, den Sie auf Parteitagen beschließen können.
Genau das wollen wir nicht. Tarifautonomie ist ein hohes Gut. Die Tarifvertragspartner müssen die Löhne festsetzen, nicht der Staat, nicht die Parteien, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Herr Minister, es gibt noch einmal den Bedarf, eine Frage zu stellen, und zwar von Herrn Schminke. Lassen Sie das zu?
Das wäre die gleiche Frage, die eben schon nicht vernünftig rüberkam. Daher: Hören Sie mir in aller Ruhe zu, Herr Schminke, den Rest können wir dann hinterher bilateral klären.
- Ich habe doch keine Angst vor Ihnen. Wir sind doch sogar schon gemeinsam nach Südamerika geflogen. Das ist doch gar kein Problem.
Die bislang vorgelegten Vorschläge überzeugen mich allerdings nicht. Aus zahlreichen Untersuchungen wissen wir nämlich, dass Mindestlöhne weder als Mittel zur Armutsbekämpfung taugen noch zu positiven Beschäftigungswirkungen führen. Ganz im Gegenteil! Einheitliche Mindestlöhne ohne regionale oder branchenbezogene Differenzierung führen zur Vernichtung von Arbeitsplätzen und stellen eine hohe Hürde für den Einstieg in den Arbeitsmarkt dar, meine sehr geehrten Damen und Herren. Genau deshalb müssen wir aufpassen.
Die Nachfrage nach Arbeitskräften liegt momentan auf einem Rekordniveau. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 20 Jahren. Seit vielen Jahren haben deutsche Unternehmen nicht mehr so viele neue Mitarbeiter gesucht wie derzeit. Das heißt, der Arbeitsmarkt ist momentan sehr aufnahmefähig. Unter diesen Rahmenbedingungen besteht jetzt die optimale Möglichkeit, verstärkt Langzeitarbeitlose, gering qualifizierte Menschen, Menschen ohne Schulabschluss in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein gesetzlicher Mindestlohn wäre für diese einmalige Chance der letzen 20 Jahre absolut kontraproduktiv. Denn gerade für Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte kann der Einstieg in Beschäftigung oft nur über eine einfache Tätigkeit gelingen.
Diese einfache Tätigkeit als Einstieg ist in der Regel nur mit einer geringen Wertschöpfung verbunden. Also wird es in dem Bereich nur möglich sein, eine niedrige Entlohnung zu zahlen.
Wer jahrelang arbeitslos war, hoffnungslos, weil er keine Aussicht hatte, in den Arbeitsmarkt und damit in die Gesellschaft integriert zu werden, wer ohne Ausbildung ist, wer möglicherweise keine Qualifizierung hat, der wird durch einen Mindestlohn nicht die Chance bekommen, auf eigenen Beinen zu stehen. Genau das wollen wir nicht. Wir wollen den Menschen eine Chance geben. Sie sollen ihr Leben selbstbestimmt gestalten können, sie sollen auf eigenen Beinen stehen können.
Herr Minister, ich möchte Sie gern noch einmal unterbrechen. Sie hatten zwar gesagt, dass Sie jetzt im Zusammenhang vortragen möchten, aber es gibt noch zwei Anmerkungen von Frau WeisserRoelle und von Herrn Lies.
Es geht ja noch weiter; ich habe das schon gesehen. Frau Helmhold meldet sich auch. - Vielleicht sollten Sie sich danach noch einmal melden, dann können wir die Diskussion weiterführen.
Unternehmen sind zu Neueinstellungen bereit. Sie haben ihren Arbeitskräftebedarf flexibel an Auftrags- und Umsatzentwicklung angepasst. Das ist der nächste Punkt, der positiv zu vermerken ist: Durch die Erleichterung von Zeitarbeit, von befristeter Beschäftigung, durch die Einführung von Minijobs, durch die Möglichkeit des Aufstockens haben wir seit 2003 einen sehr flexiblen Arbeitsmarkt in Deutschland gewonnen. Aufstockung oder Kombilohn sind Instrumente, gerade die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, weil am Anfang mit kurzer Tätigkeit auch alleinerziehende Mütter im Beruf bleiben können, Kompetenzen behalten und auffrischen können, um dann später, wenn es möglich ist, wieder komplett einzusteigen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Zeitarbeit ist nicht nur ein flexibles Instrument der Personalanpassung, sondern - wir sehen es gerade nach der Wirtschaftkrise - auch ein Instrument, um die konjunkturelle Aufwärtsbewegung schneller wieder in Arbeitsplätze umzusetzen. Über Zeitarbeit ist man schneller bereit, arbeitslosen Menschen, Geringqualifizierten eine Chance im Unternehmen zu geben. Deshalb sind wir der festen Überzeugung, dass die von uns eingeführten Instrumente dazu beigetragen haben, dass wir heute die niedrigste Arbeitslosigkeit seit 20 Jahren haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung lehnt - ich glaube, wie alle hier im Parlament vertretenen Parteien - Lohndumping und Missbrauch dieser Instrumente entschieden ab. Ich begrüße es deshalb ausdrücklich, dass in dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - auch aufgrund der Bestrebungen dieser Landesregierung - eine Lohnuntergrenze eingeführt worden ist. Dadurch konnte man den Import von anderen, aus deutscher Sicht sittenwidrigen, Tarifverträgen aus dem Ausland nach Deutschland verhindern. Das schützt die Branche und das Instrument vor einem Missbrauch.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben aber auch andere Instrumentarien, um einen Missbrauch dieser Instrumente zu verhindern. Wichtig ist aber auch, dass die Unternehmen verantwortungsvoll damit umgehen und dass wir die schwarzen Schafe identifizieren. Dazu gehört
auch, dass in der Zeitarbeit - nach einer Einarbeitungszeit und branchenspezifisch von den Tarifvertragsparteien vereinbart - das gleiche Entgelt für die gleiche Arbeit gezahlt wird.
Weiterhin stehen mit dem Mindestarbeitsbedingungsgesetz wirkungsvolle rechtliche Instrumente zur Verfügung, um Lohndumping und eine Unterschreitung des Mindestlohns zu verhindern. Ich bin der festen Überzeugung, dass diese Instrumente für alle Branchen, für die es nach Ihrer Auffassung bei den Tarifpartnern zu Fehlentwicklungen kommen könnte, eine gute, ausreichende Grundlage bieten, um Missbrauch und Sittenwidrigkeiten auszuschließen und zu verhindern.
Wir sollten uns aber auf das konzentrieren, was wir wirklich im Fokus haben müssen, nämlich die Menschen, die noch nicht auf eigenen Beinen stehen können, die langzeitarbeitslos, gering qualifiziert oder ohne Schulabschluss sind.
Frau Weisser-Roelle von der Fraktion DIE LINKE hat nach § 71 Abs. 3 zu sprechen beantragt. Ich gewähre Ihnen aufgrund der Redezeitüberschreitung des Ministers anderthalb Minuten, Frau Weisser-Roelle. Sie haben das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Ich hätte den Minister auch zwischendurch gefragt, aber er hat es leider nicht zugelassen. Herr Minister, ich frage Sie jetzt: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sagen, für einfache Tätigkeiten reichen Löhne von, ich sage einmal, 5 Euro aus? Haben Sie das eben gesagt? Habe ich Sie da richtig verstanden?