Die SPD-Bundestagsfraktion hat im letzten Jahr einen Antrag eingebracht, bei dem sie noch davon ausgegangen ist, dass man mit Syrien in irgendeiner Weise noch verhandeln könne. Das war ein Irrtum. Das ist mittlerweile absolut nicht mehr aktuell. Die wesentlichen Forderungen sind aber aufgeführt. Darin ist auf gravierende Menschenrechtsverletzungen hingewiesen worden und gefordert worden, das Rückübernahmeabkommen zu kündigen und einen Abschiebestopp zu erlassen. All das ist in dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion enthalten.
Ich darf daran erinnern, dass wir über die Situation in Syrien auch schon hier im Plenum häufig debattiert haben. Ich glaube, unserer Position - damals
hat mein Kollege Bachmann zu diesen Anträgen geredet - ist nichts hinzuzufügen. Das ist die Position der SPD-Fraktion.
Lassen Sie mich bitte noch eines anfügen: Ich war bis 2005 sehr häufig in Syrien - ich bin interessiert an Altorientalistik - und habe dort viele Menschen kennengelernt. Ich mache mir schon Gedanken, was mit den Menschen, die ich dort getroffen habe, passiert und wie sich die Situation in den Städten, in denen ich gewesen bin, darstellt, ob ein normales Leben dort überhaupt noch funktioniert. Deswegen bin ich von der politischen Entwicklung sehr betroffen.
Gleichwohl will ich ausdrücklich nicht, dass die Rechte einzelner ethnischer oder religiöser Minderheiten in den Vordergrund gestellt werden - das wollen Sie sicherlich auch nicht -, sondern es geht um Freiheit und Menschenrechte für alle, die in Syrien leben. In Syrien leben viele Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher ethnischer Herkunft in der Regel friedlich miteinander. In Damaskus habe ich beispielsweise Menschen jüdischen Glaubens kennengelernt und mit ihnen diskutiert. Gleiches gilt für die christlichen Gemeinschaften und die Menschen kurdischer Abstammung.
Ich meine, wir sollten uns gemeinsam für einen ungeteilten Einsatz für Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Demokratie in Syrien einsetzen.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich bei der Kollegin Siegrid Leuschner für ihren Wortbeitrag bedanken. Auch mich erfüllt die Entwicklung, die sich in den letzten Wochen und Monaten in Syrien vollzogen hat, mit Sorge.
Die FDP-Fraktion bekundet ausdrücklich ihre Solidarität mit den Demonstranten in Syrien. Wir als Demokraten aus Europa sollten die Friedens- und Freiheitsbewegungen, die derzeit in der arabischen Welt entstehen und bei denen Menschen für die freie Meinungsäußerung, für Demokratie und für Menschenrechte in ihrem Land auf die Straße
Weil es noch nicht erwähnt worden ist, möchte ich an die Demonstration erinnern, die seit Wochen in Hannover stattfindet. Vor dem niedersächsischen Wirtschaftsministerium harren Syrer, die bei uns leben, seit Wochen aus und versuchen mit friedlichem Protest, den Menschen die Situation in ihrem Heimatland näherzubringen. Das ist schon bemerkenswert, meine Damen und Herren.
Die Grünen fordern in ihrem Antrag, dass nicht mehr nach Syrien abgeschoben wird. Wir haben uns mit dieser Thematik zuletzt im SeptemberPlenum, aber auch schon mehrfach zuvor beschäftigt. Ich möchte hier feststellen, dass derzeit keine Abschiebungen nach Syrien stattfinden. Das begrüßen wir ausdrücklich. Der Kollege Focke hat darauf hingewiesen, dass das Bundesaußenministerium hier klar und unmissverständlich gehandelt hat, auch auf der internationalen Ebene. Meine Fraktion und ich als innenpolitischer Sprecher begrüßen das ausdrücklich. Es ist richtig, dass die Bundesregierung eine klare Kante gegen das Regime in Syrien zeigt.
Für mich bleibt die Frage offen, ob wir, wie es der Kollege Focke deutlich gemacht hat, eine solche Kommission tatsächlich brauchen und wie wir mit den Berichten des Auswärtigen Amtes umgehen. Ich meine, dass das, was die Kollegin Leuschner gesagt hat, richtig ist und dass wir zunächst abwarten sollten, was im November-Bericht des Auswärtigen Amtes zur Lage in Syrien ausgeführt wird, und uns das im Ausschuss noch einmal anschauen. Ich sage hier aber grundsätzlich: Es ist Aufgabe des Bundes, sich vor Ort über die Situation in diesen Ländern zu informieren. Ich halte es nicht für richtig, in der Niedersächsischen Landesregierung eine „Auswärtige Abteilung“ aufzumachen. Insofern betrachte ich den Vorschlag der Grünen sehr kritisch.
Die brauche ich nicht. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Oetjen, bei den Kundgebungen der Menschen syrischer Herkunft vor dem hiesigen Wirtschaftsministerium haben auch Vertreter der einzelnen Fraktionen Grußworte gesprochen und ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht. Es wäre schön, wenn bei der nächsten Kundgebung auch Vertreter Ihrer Fraktion oder von der CDU-Fraktion dabei wären.
Herr Oetjen möchte erwidern. Auch er hat 90 Sekunden, aber auch er braucht sie wahrscheinlich nicht.
Nein, er braucht sie nicht. - Der Kollege Oetjen möchte nur mitteilen, dass er gemeinsam mit Kollegen der Grünen und der Linksfraktion an der letzten Demonstration teilgenommen hat. Die SPD war dort übrigens nicht vertreten.
Aber darum geht es mir auch nicht. Mir ist vielmehr wichtig, dass wir als Demokraten aus diesem Hause gemeinsam diese Bewegung unterstützen. Das ist ein gutes Signal an dieser Stelle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir finden den Antrag der Grünen gut, und wir werden ihn auch unterstützen.
Seit dem Abschluss des Rückführungsabkommens mit der Republik Syrien wurden tatsächlich sehr viele, nämlich Hunderte von Abschiebungen durchgeführt. Das ist ja nicht erst seit gestern oder vor
gestern der Fall, sondern diese Verletzung der Menschenrechte gibt es seit vielen Jahren. Die Praxis des Folterns und der Ermordung zahlloser Regimekritiker war bekannt. Berichte darüber lagen immer wieder vor. Auch sind aus Deutschland abgeschobenen Personen nach ihrer Ankunft in Syrien inhaftiert worden.
Diese Praxis ist wieder besseren Wissens fortgeführt worden. Wenn es diese aktuellen Geschehnisse, die auch diese Landesregierung überrumpelt haben, nicht gegeben hätte, wäre sie wohl auf immer fortgeführt worden.
Frau Polat hat die Landesregierung bereits zitiert. Ich will es wiederholen, weil ich finde, dass es die Haltung dieser Landesregierung und die ihr zugrunde liegende diese Fehleinschätzungen so deutlich macht. Die Landesregierung hat im Februar dieses Jahres noch ausgeführt:
„Im Unterschied zu anderen arabischen Ländern ist Syrien ein weltlich orientiertes Land, in dem die verschiedenen Religionen und Nationalitäten weitgehend konfliktlos nebeneinanderher leben. Eine Entwicklung wie z. B. in Ägypten wird derzeit als unwahrscheinlich angesehen.“
Dann redet die Landesregierung noch über den bedeutenden Einfluss, den unternehmerische Tätigkeiten auf die Rechte von Menschen haben. Sie meint auch, dass der regelmäßige Kontakt zwischen Geschäftspartnern dazu beitragen könnte, dem syrischen Diktator Assad unsere Werte und Standards näherzubringen. - Das war ja wohl ein ziemlicher Irrglaube. Insgesamt sind diese Aussagen der Landesregierung angesichts der Dinge, die in Syrien passieren, nicht nur ein Zeichen tiefer Unkenntnis, sondern schlichtweg zynisch und mit Worten eigentlich gar nicht mehr beschreibbar.
Wir unterstützen ganz ausdrücklich die Forderung nach einer unabhängigen Kommission aus Nichtregierungsorganisationen zur Klärung der Schicksale und zur Klärung der Frage, wie es in Syrien weitergeht. Dazu will ich aus der Antwort der Landesregierung auf unsere Mündliche Anfrage „Wie weit klaffen Anspruch und Wirklichkeit bei der Bewertung von Menschenrechtsfragen am Beispiel der arabischen Republik Syrien auseinander?“ zitieren:
Syrien, und es werden auch weiterhin keine aufgenommen, solange es keine Rückkehr zu Strukturen gibt, in denen die Menschen in Syrien sicher leben können. Sobald diese jedoch wieder gegeben sind, wird versucht werden..., die wirtschaftlichen Beziehungen wieder aufzunehmen, da Syrien grundsätzlich ein interessanter Markt für niedersächsische Unternehmen und aufgrund seiner zentralen Lage im Nahen Osten eine strategische Drehscheibe für den Handel in dieser Region ist.“
Genau da muss auch diese unabhängige Kommission ansetzen. Sie muss prüfen, wann es um die Interessen der Wirtschaft geht und wann dabei die Interessen der Menschen und die humanitären Gesichtspunkte berührt sind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Situation in Syrien ist schlicht unerträglich: Militäreinsätze gegen das eigene Volk, die Protestbewegung wird niedergeschmettert. Deshalb muss man alle Aktivitäten, die geeignet sind, diese Einsätze abzustellen, unterstützen. Das ist eine Selbstverständlichkeit.
Die Beurteilung der politischen Verhältnisse in den Herkunftsstaaten und mögliche Folgerungen hinsichtlich der asylrechtlichen Relevanz aktueller Entwicklungen obliegen im Rahmen der außenpolitischen Kompetenz ausschließlich dem Bund. Neben den regelmäßig vom Auswärtigen Amt verfassten Lageberichten werden auch anlassbezogene aktuelle Berichte gefertigt, die den inländischen Behörden - namentlich dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - als Grundlage für die Entscheidung über die Anerkennung als Flüchtlinge oder für die Schutzgewährung wegen anderweitiger zielstaatsbezogener Gefahren dienen.
Darüber hinaus gibt es eine unmittelbare Kooperation der Innenministerien der Länder mit dem Bundesinnenministerium, um bei aktuellen Krisensituationen auch sofort reagieren zu können. So hat der
Bundesminister des Inneren auch auf die im Frühjahr in Syrien erfolgten militärischen Einsätze gegen die Protestbewegung reagiert und mit den Ländern vereinbart, dass die Abschiebung von ausreisepflichtigen syrischen Staatsangehörigen mit Ausnahme von Straftätern bis auf Weiteres ausgesetzt wird. Rückführungen nach Syrien finden seither bundesweit also nicht mehr statt. Das ist eine Selbstverständlichkeit.