Protocol of the Session on November 11, 2011

- Auch Indien.

Neben der Arabischen Liga hat inzwischen auch die Europäische Union reagiert und Sanktionen gegen Syrien verhängt. So wurden zuletzt am 21. September dieses Jahres syrische Staatsangehörige sowie Institutionen, darunter auch wichtige Unternehmen, in die EU-Sanktionsliste aufgenommen. Die aufgelisteten Personen dürfen nicht mehr in die EU einreisen. Ihre Vermögenswerte innerhalb der EU werden eingefroren. Außerdem wurde das bereits bestehende Ölimportembargo der EU um ein Investitionsverbot im Öl- und Gassektor in Syrien ergänzt.

Alle diese Sanktionen und die Forderungen nach einer sofortigen Beendigung aller militärischen Einsätze gegen die Protestbewegungen sind auf Initiative der Bundesregierung durchgesetzt worden.

(Christian Grascha [FDP]: So ist es!)

Wir begrüßen diese klare und sehr harte Haltung gegenüber dem Assad-Regime ausdrücklich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die aktuelle Lage in Syrien hat die Bundesregierung dazu veranlasst, keine Abschiebungen nach Syrien mehr durchzuführen. Sie hat damit umfassend, schnell und richtig reagiert. Von daher erledigt sich bereits der erste Punkt Ihres Antrages.

(Zustimmung von Christian Grascha [FDP])

Die Kündigung des Rückübernahmeabkommens ist zurzeit nicht notwendig, da, wie schon gesagt, keine Flüchtlinge mehr nach Syrien abgeschoben werden.

Die Situation ist jetzt abzuwarten. Bei einer Beruhigung der Lage oder einem Umsturz des Regimes muss die Situation neu bewertet werden.

Die Umsetzung des dritten Punktes zur Einrichtung einer unabhängigen Aufklärungskommission erschließt sich mir nicht. Diese niedersächsische Kommission müsste die syrische Regierung zwingen, bitten oder in welcher Form auch immer veranlassen, Auskünfte zu erteilen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie eine unabhängige, wahrscheinlich nicht einmal staatliche Kommission - oder ein runder Tisch oder eine Arbeitsgruppe - einen souveränen Staat dazu bringen will, Auskünfte zu erteilen. Ich glaube nicht, dass das durchsetzbar ist.

(Zustimmung von Angelika Jahns [CDU])

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Limburg?

Das ist die erste Beratung. Ich möchte gerne zu Ende ausführen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sie haben eine Frage gestellt! Darauf möchten wir eingehen!)

Des Weiteren fordern Sie in dem letzten Punkt, dass keine wirtschaftlichen oder politischen Reisen nach Syrien erfolgen sollen. Demnach dürfte diese von Ihnen geforderte unabhängige Kommission nicht nach Syrien reisen, um sich vor Ort ein Bild machen zu können. Das Ganze schließt sich also aus. Von daher ist Ihr Antrag an dieser Stelle sehr widersprüchlich.

(Zustimmung bei der CDU)

Zusammenfassend möchte ich ausführen, dass wir uns einig sind, dass die Menschenrechtsverletzungen in Syrien unerträglich sind, aufhören müssen und geahndet werden müssen. Die Bundesregierung hat schnell, richtig und humanitär gehandelt. Die Entwicklungen bleiben nun abzuwarten. Die Lage muss immer wieder neu bewertet werden. Ich bin mir sicher, dass uns während der Ausschuss

beratungen neue Erkenntnisse erreichen und in unsere Entscheidungen einfließen werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Focke, Sie haben in Ihrer Rede eine Frage an uns gerichtet, aber dann unsere unterstützende Zwischenfrage - dazu hatte ich mich gemeldet - nicht zugelassen. Deshalb habe ich mich zu einer Kurzintervention gemeldet.

Sie haben behauptet, dass die von uns geforderte Kommission gar nicht in der Lage sei, Schicksale aufzuklären, weil Syrien nicht kooperiere. - Wir haben nie eine Kooperation mit dem syrischen Staat gefordert. Das wäre ja auch absurd, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielleicht ist sogar der CDU-Fraktion bekannt, dass es andere Möglichkeiten gibt, die Schicksale von Menschen aufzuklären. Amnesty International ist weltweit sehr erfolgreich, gerade gegen den Willen solcher Terrorregime Schicksale aufzuklären. Es gibt viele Journalistinnen und Journalisten, die im Untergrund in Syrien recherchieren. Diese Liste ließe sich noch fortsetzen. Natürlich gibt es Möglichkeiten, wenn man willens ist, auch in Syrien Schicksale von Menschen aufzuklären, die dorthin abgeschoben worden sind. Aber nach Ihrem Vortrag, Herr Kollege, muss ich den Eindruck haben, dass Sie überhaupt kein Interesse an dem Schicksal dieser Menschen haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Ansgar- Bernhard Focke [CDU]: Das stimmt nicht! - Angelika Jahns [CDU]: Das ist eine Unterstellung! Das ist eine Un- verschämtheit! - Editha Lorberg [CDU]: Das sind immer diese Gut- menschen! - Ursula Körtner [CDU]: Das sind selbsternannte Gutmen- schen! - Gegenruf von Helge Limburg [GRÜNE]: Besser als Schlechtmen- schen wie ihr! - Ernst-August Hop- penbrock [CDU]: Ein Lümmel ist das!)

Herr Kollege Focke möchte erwidern. Bitte schön!

Herr Kollege Limburg, Sie fordern eine Kommission, die unabhängig sein soll und ihre Schlüsse und Forderungen an die Politik und andere Länder auf der Grundlage von Informationen verschiedener Kanäle formulieren soll. Dazu haben Sie eben Amnesty International, aber auch irgendwelche Journalisten genannt. Das Problem ist: Wer überprüft hierbei die Echtheit dieser Angaben? Welche Bilder werden dabei gezeichnet? Sind das die tatsächlichen Bilder? - Von daher glaube ich, dass, wenn man eine ernsthafte Kommission haben will, die Erkenntnisse, die dort aufgearbeitet werden,

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

eine sachlich und rechtlich klare Grundlage haben müssen und nicht auf Berichten vom Hörensagen oder örtlichen Berichten beruhen dürfen, die nicht abschließend nachprüfbar sind.

(Zuruf von Filiz Polat [GRÜNE])

- Frau Polat, wenn Sie weniger schreien würden, könnten Sie mir auch zuhören. Danke.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der Kollege Focke möchte in Ruhe seine Erwiderung vortragen. Lassen Sie ihn jetzt doch bitte ausreden! - Herr Focke, bitte!

Wissen Sie, was das Problem ist? - Wir alle sind uns einig, dass die dortigen Ereignisse unmenschlich sind und dass sie geahndet werden müssen. Aber man kann sich - das habe ich auch in der gestrigen Debatte gemerkt - nicht immer nur auf das eine fokussieren und nichts mehr darum herum wahrnehmen. Einfach nur noch über diesen einen Punkt zu reden, um das Heil der Welt hier im Niedersächsischen Landtag herbeizuführen, wird nicht funktionieren. Von daher sollten wir uns im Ausschuss auf die sachliche Ebene zurückbewegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie wollen doch nicht in Abrede stellen, dass es diesen Handlungsbedarf gibt! Meine Güte, Herr Focke!)

Die nächste Wortmeldung stammt von der Kollegin Leuschner von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Focke, es werden leider viel zu wenige Bilder über Menschenrechtsverletzungen in Syrien gezeigt. Da muss ich Ihnen also widersprechen. Ich bedaure, dass dieses Thema hier eine solche Schärfe bekommt, weil Sie wissen, dass sich die Situation in Syrien in den vergangenen Wochen dramatisch zugespitzt hat.

Trotz des mit der Arabischen Liga vereinbarten Friedensplans hat sich, was die Menschenrechtsverletzungen betrifft, nichts, aber auch gar nichts zum Positiven geändert. Die syrische Regierung und ihr Präsident Baschar al-Assad hatten am 2. November einem Friedensplan der Arabischen Liga zugestimmt, der einen Rückzug der Soldaten und Panzer aus den Städten, ein Ende der Gewalt gegen Demonstranten, die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Zulassung internationaler Beobachter und innerhalb von zwei Wochen die Aufnahme eines Dialogs mit den Oppositionellen vorsah. Dies alles, meine Damen und Herren, waren nur Worthülsen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist nicht gehandelt worden. Täglich erreichen uns neue Meldungen und Berichte über Gewalt gegen Demonstranten, Inhaftierungen und Ermordungen von Demonstranten durch das Militär oder die Unterstützer des Assad-Regimes. Täglich werden Menschen an ihrer freien Meinungsäußerung gehindert. Sie werden inhaftiert, sie verschwinden einfach, und teilweise werden sie durch Heckenschützen ermordet. Mittlerweile geht die Zahl der Opfer in die Tausende. Dennoch nehmen in den Städten Syriens täglich Menschen an Demonstrationen teil. Das sind meiner Meinung nach mutige Menschen, denen hier unser Respekt und unsere Solidarität ausgesprochen werden muss.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN sowie Zu- stimmung bei der CDU und bei der FDP)

Im gleichen Umfang gelten unsere Solidarität und unser Respekt auch den hier lebenden Exilsyrern, die demonstrieren und sich für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie in ihrem Land einsetzen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, zu Ihren Forderungen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frau Polat: Ein Teil dieser Forderungen ist durch Ihre Fraktion im Deutschen Bundestag aufgeworfen worden. Diese sind in Ihren Antrag übernommen worden. Das finde ich gut. Wir sind für eine Kündigung des Rückführungsabkommens. Das ist logisch. Auch wir meinen, dass es sinnvoll ist, dass Niedersachsen einen Abschiebestopp initiiert. Wir fordern den Innenminister Herrn Schünemann auf, sich dafür einzusetzen.

Wir müssen, egal mit welchen Mitteln, versuchen zu klären, was mit den Abgeschobenen passiert ist. Wir müssen ihre Schicksale aufklären. Das ist notwendig. Ich weiß aber nicht genau, ob die Kommission, die Sie vorschlagen, das Richtige ist. Das werden wir im Ausschuss beraten. Völlig unstrittig ist, dass es Informationen von Journalistinnen und Journalisten sowie von Menschenrechtsorganisationen gibt. Aber es stellt sich die Frage, welche Funktion eine Kommission hier in Niedersachsen ausfüllen kann. Das würde ich gerne im Fachausschuss mit Ihnen gemeinsam beraten.

Wir müssen auch den aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes für November abwarten - mir liegt nur der für den Oktober vor; seitdem hat sich die Situation aber meiner Meinung nach dramatisch zugespitzt -, damit wir ihn in unsere Beratungen einbeziehen können.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat im letzten Jahr einen Antrag eingebracht, bei dem sie noch davon ausgegangen ist, dass man mit Syrien in irgendeiner Weise noch verhandeln könne. Das war ein Irrtum. Das ist mittlerweile absolut nicht mehr aktuell. Die wesentlichen Forderungen sind aber aufgeführt. Darin ist auf gravierende Menschenrechtsverletzungen hingewiesen worden und gefordert worden, das Rückübernahmeabkommen zu kündigen und einen Abschiebestopp zu erlassen. All das ist in dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion enthalten.