1. Wie stellt sich der derzeitige Sachstand bei der Entwicklung eines Tierschutzlabels dar, und wann ist mit der Einführung desselben voraussichtlich zu rechnen?
2. Welche tierschutzrelevanten Bereiche wird ein Tierschutzlabel abdecken, und sind diese aus Sicht der Landesregierung ausreichend?
3. In welcher Form werden die Entwicklung und Etablierung eines Tierschutzlabels durch die Landesregierung derzeit unterstützt?
Verbraucherinnen und Verbraucher erwarten von der Nutztierhaltung mehr als nur die Erzeugung von Lebensmitteln. Im Qualitätsbegriff von Le
bensmitteln dürfte Tierschutz nach der Produktsicherheit noch vor dem Umweltschutz eine Rolle spielen. Laut Eurobarometer und der Universität Göttingen sind rund 20 % der Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU bzw. in Deutschland bereit, besondere Anstrengungen zu unternehmen, um besonders tiergerechte Produkte zu kaufen - auch wenn dies mit einem erhöhten Kaufpreis verbunden wäre.
Mit einem Tierschutzlabel sollen Produkte ausgezeichnet werden, bei deren Erzeugung die Belange des Tierschutzes in besonderem Maße Berücksichtigung finden, d. h. über den gesetzlichen Mindeststandards hinausgehende Tierschutzauflagen umgesetzt werden. Eine solche Kennzeichnung soll Konsumenten in die Lage versetzen, besonders tiergerecht erzeugte Produkte zu erkennen, um dies bei ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen zu können. Gleichermaßen soll den Erzeugern die Möglichkeit eröffnet werden, die Einhaltung von höheren als den gesetzlich vorgeschriebenen Tierschutzstandards glaubwürdig zu kommunizieren und über Mehrpreise erhöhte Kosten der Erzeugung auszugleichen. Auf diesem Wege kann die Tierschutzkennzeichnung einen Anreiz schaffen, den Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung zu verbessern.
Auf EU-Ebene war die Einführung eines Tierschutzlabels ursprünglich bereits im „Aktionsplan Tierschutz“ der Europäischen Kommission für die Jahre 2006 bis 2010 vorgesehen. Hierzu hat die Europäische Kommission u. a. dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Bericht zu Möglichkeiten der Ausgestaltung einer Tierschutzkennzeichnung vorgelegt. Abschließende Entscheidungen sind dort nicht getroffen worden.
Deutschland hat bereits im Februar 2010 im Agrarrat die Einführung einer freiwilligen Tierschutzkennzeichnung auf europäischer Ebene unterstützt.
Die Niedersächsische Landesregierung hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie eine freiwillige Tierschutzkennzeichnung befürwortet und unterstützt.
Zu 1: Die Einführung einer Tierschutzkennzeichnung soll im neuen Tierschutzaktionsplan der EU, der derzeit von der Europäischen Kommission vorbereitet wird, berücksichtigt und in der Folge
In Deutschland liegen Konzepte für eine privatwirtschaftliche Kennzeichnung der Unternehmen Westfleisch e. G. („Aktion-Tierwohl“) und der VION Food Group („Tierwohl-Label“) vor, die mit höheren Tierschutzstandards bei der Erzeugung von Schweinefleisch werben. Seit Juni dieses Jahres wird bereits Ware im Rahmen der „AktionTierwohl“ der Westfeisch e. G. vermarktet. Alsbald sollen auch Produkte aus dem TierschutzlabelProgramm der VION Food Group über das Handelsunternehmen Coop angeboten werden. VION hat die Richtlinien für das Label gemeinsam mit Wissenschaftlern u. a. der Universität Göttingen, dem Deutschen Tierschutzbund, Produzenten und Händlern erarbeitet. Damit hat VION den „niedersächsischen Weg“ gewählt: die Erarbeitung von Richtlinien unter Einbindung u. a. von Vertretern der Wirtschaft, von Tierschutzverbänden und der Wissenschaft.
Im Vergleich der beiden o. a. Konzepte sind die Auflagen des VION-Modells höher, entsprechend auch die Mehrkosten. Mit beiden Konzepten soll ein Marktsegment erschlossen werden, das zwischen Bio- und konventioneller Ware angesiedelt ist.
Weitere Handelsketten werden voraussichtlich die Entwicklung, d. h. das Verbraucherverhalten, beobachten. Favorisiert wird ein international einsetzbares Label, d. h. eine einheitliche europäische Lösung.
Zu 2: Eine Wertschöpfung durch ein Label ist dann realisierbar, wenn die Verbesserungen für die Tiere messbar und gleichzeitig an die Verbraucherinnen und Verbraucher kommunizierbar sind. Aus Sicht der Landesregierung sollte ein Tierschutzlabel daher einfach, verständlich und glaubhaft sein.
Die Konzepte von Westfleisch und VION beziehen sich auf die Tierart Schwein und betreffen das Platzangebot, die Anforderungen an den Boden, das Beschäftigungsmaterial sowie Eingriffe bei Schweinen (z. B. Kastration) und die Transportdauer. Dies ist ein zu begrüßender Auftakt für mehr Tierschutz. Die Anforderungen eines Labels sollten sich in der Zukunft nicht nur minimal vom gesetzlichen Mindeststandard abheben. Eine Beschränkung auf Einzelaspekte (z. B. Verzicht auf Kastration bei Ferkeln) ist ein erster Ansatz, aber in der Regel nicht ausreichend, um eine wissenschaftlich belastbare, umfassende Beurteilung
der Tiergerechtheit zu ermöglichen. Ziel sollte sein, dass eine Tierschutzkennzeichnung Aussagen zur gesamten Prozesskette (von der Zucht über die Haltung und den Transport bis zur Schlachtung) trifft.
Zu 3: Die Landesregierung sieht im Tierschutzlabel ein geeignetes Instrument, um den Tierschutz in der Nutztierhaltung weiterzuentwickeln, den Verbraucherwünschen zu entsprechen und für diejenigen Erzeuger, die ihre Erzeugung auf Tierschutzleistungen ausrichten wollen, bessere Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.
Daher unterstützt die Landesregierung die Etablierung freiwilliger Tierschutzlabel beispielsweise im Rahmen der Umsetzung des „Tierschutzplans Niedersachsen“. In diesem Zusammenhang erarbeitet das ML u. a. zusammen mit Wissenschaftern und Vertretern von Tierschutzverbänden, Produzenten, Vermarktern und Behörden einheitliche Tierschutzindikatoren, die eine Voraussetzung für die Etablierung eines Tierschutzlabels sind. Diese Indikatoren müssen messbar sein und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren, um eine objektive Aussage über die Tiergerechtheit einer Prozesskette treffen zu können.
des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung auf die Frage 23 des Abg. Jan-Christoph Oetjen (FDP)
Die Ernährungsbranche stellt den zweitwichtigsten Wirtschaftszweig in Niedersachsen dar und bietet ein vielfältiges und spezialisiertes Angebot. Des Weiteren ist Deutschland mit etwa 4,5 Millionen Muslimen und 200 000 Juden auch ein Land des interkulturellen Zusammenlebens. Das Zusammenspiel dieser beiden Faktoren bewirkt, dass sich bereits Label, wie z. B. „Qibla Food Control“ (QFC), „Halal Control Assurance Service“ (HCAS), oder die Listung von Erzeugnissen auf der sogenannten Koscherliste der Rabbinerkonferenz etabliert haben. Diese bescheinigen jüdischen oder muslimischen Mitbürgern die Eignung des jeweiligen Lebensmittels gemäß den jeweiligen religiösen Speisevorschriften. Viele nationale und internationale Unternehmen lassen sich die Halal-Tauglichkeit sowie die koschere Produktion bereits bescheinigen, um auf dem Weltmarkt größeren Absatz zu finden.
Biounternehmen scheinen diese Möglichkeit bisher jedoch wenig interessant zu finden, obgleich ein Interesse aufseiten der inländischen Verbraucher durchaus möglich ist und auch der Export, z. B. in muslimische Länder, an Bedeutung gewinnen kann.
1. Wie lassen sich die Anforderungen der Halal-Vorschriften, der Koscher-Standards und die Anforderungen für den ökologischen Landbau zusammenführen?
2. Wie beurteilt die Landesregierung das Potenzial des inländischen und des exportorientierten Ethnomarketings?
3. Kann sich die Landesregierung vorstellen, an der Entwicklung einheitlicher transparenter Standards für religiöse Qualitätszertifikate mitzuwirken?
Bei den Anforderungen an den ökologischen Landbau handelt es sich zunächst um Bedingungen eines Produktionsverfahrens und der Kennzeichnung der innerhalb dieses Verfahrens erzeugten Produkte. Bei den als „Halal-Vorschriften“ und „Koscher-Standards“ angesprochenen Regelungen handelt es sich um Speisevorschriften. Während die Anforderungen an den ökologischen Landbau und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen rechtlich verbindlich bestimmt sind, ist dies bei den genannten Speisevorschriften nicht der Fall.
Zu 1: In Deutschland existiert im Unterschied zu einigen islamisch geprägten Staaten (beispiels- weise Malaysia) kein einheitlicher „Halal-Standard“. Unternehmen, die „Halal-Zertifizierungen“ anstreben, bedienen sich hierzu der Angebote von privaten Zertifizierungsgesellschaften. Diese wiederum arbeiten hierfür mit islamischen Autoritäten zusammen, die das Zertifikat beglaubigen. Welche Anforderungen an die Zertifizierung genau gestellt werden, unterscheidet sich im Detail, oft abhängig von der Koran-Auslegung der Autorität, auf die sich der Zertifizierer beruft (vgl. z. B. unterschiedliche Auffassungen zum Schächten). Der Landesregierung ist bekannt, dass sich islamische Religionsgemeinden in Deutschland um eine einheitliche, für die Religionsgemeinschaft verbindliche Auslegung der Speisevorschriften bemühen. Soweit der Landesregierung bekannt ist, liegt jedoch noch kein Ergebnis vor. Der Landesregierung ist bekannt, dass zahlreiche den ökologischen Landbau betreffende Regelungen, insbesondere im Bereich der Tierhaltung, Vorstel
Ein Standard für koschere Lebensmittel im Sinne der Anfrage existiert in Deutschland nicht. Eine beispielsweise in Israel oder den USA übliche Zertifizierung koscherer Lebensmittel durch Rabbinate erfolgt nur partiell, beispielsweise bei jüdischen Bäckereien oder Metzgereien. Die Einhaltung jüdischer Speisegesetze erfolgt innerhalb der jüdischen Religionsgemeinschaft uneinheitlich, verpflichtend allerdings innerhalb des orthodoxen Judentums. Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland stellt eine sogenannte Koscher-Liste zur Verfügung, die koschere Lebensmittel aller Produktbereiche umfassend und einzelfallbezogen benennt und über ein Internetportal Auskunft in Zweifelsfällen gibt.
Grundsätzlich steht es jedem Anbieter von Lebensmitteln - auch von Biolebensmitteln - frei, seine Produkte auch auf Grundlage muslimischer oder jüdischer Speisegesetze zertifizieren zu lassen.
Zu 2: Die Landesregierung beurteilt die Marktchancen für nach Halal- und Koscher-Vorschriften erzeugte Lebensmittel sowohl im Inland als auch im Ausland angesichts von weltweit ca. 1,57 Milliarden Muslimen (in Deutschland: ca.: 4,1 Millionen) und ca. 13,5 Millionen Juden (in Deutschland: ca. 200 000) positiv.
Der Landesregierung ist bekannt, dass eine Vielzahl niedersächsischer Unternehmen bereits über Halal-Zertifizierungen verfügt und diese vor allem im Export nutzt. Die von der Landesregierung beauftragte Marketinggesellschaft der niedersächsischen Land- und Ernährungswirtschaft hat bereits im April 2009 eine gut besuchte Fachveranstaltung zum Thema „Halal-Symposium - Marktpotenziale muslimkonformer Lebensmittel“ mit Vertretern der islamischen Religionsgemeinschaft, von Zertifizierungsgesellschaften und Lebensmittelherstellern durchgeführt.
Zu 3: Aus Sicht der Landesregierung müsste der Wunsch nach einer staatlichen Regelung für das Segment nach religiösen Speisevorschriften erzeugter Lebensmittel aus den Religionsgemeinschaften selbst kommen. Ein solcher Wunsch ist an die Landesregierung von dieser Seite nicht heran getragen worden. Es besteht vielmehr der nachvollziehbare Eindruck, dass die betreffenden Religionsgemeinschaften sich ihre Handlungsfreiheit in dieser Frage erhalten wollen.
des Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz auf die Frage 24 der Abg. Dr. Gero Clemens Hocker und Christian Grascha (FDP)
Hersteller versprechen sich durch die Veröffentlichung von umweltrelevanten Angaben einen Vorteil im Käuferverhalten. Der CO2-Fußabdruck eines Produktes (Product-Carbon- Footprint, PCF) soll die Treibhausgasemissionsbilanz über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes angeben. Bei der Auswertung zahlreicher Bilanzen durch das Öko-Institut zeigte sich jedoch, dass vergleichbare Produkte deutlich unterschiedliche CO2-Fußabdrücke aufweisen. Dies kann an den Werten, die den Rechnungen zugrunde gelegt werden, oder auch an der Vielzahl unwägbarer Einflüsse im Laufe des Lebenszyklus eines Produktes liegen.
1. Welche Bedeutung kann die Einführung eines produktabhängigen CO2-Fußabdruckes für den Klimaschutz auch im Vergleich mit anderen Klimaschutzmaßnahmen besitzen?
2. Wie beurteilt die Landesregierung die derzeitige Aussagekraft eines CO2-Fußabdrucks bei fehlender Vergleichbarkeit der Angaben?
3. Welche Faktoren müssen in die Berechnung eines CO2-Fußabdruckes eines Produktes einfließen, um eine seriöse Vergleichbarkeit zu erzielen?
In Bezug auf den Lebenszyklus eines Produktes werden beim Product Carbon Footprint (PCF) die CO2-Emissionen, die bei der Herstellung und dem Vertrieb einer Ware entstehen, berechnet. Eine CO2-Kennzeichnung (Label) an der Ware soll Hinweise auf die Emissionen des Produkts geben. In einigen Ländern wird die Einführung solcher Labels geprüft, und es existieren bereits Pilotprojekte, auch in Deutschland.
Der World Wide Fund For Nature Deutschland (WWF) hat sich mit dem Öko-Institut Freiburg, dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Thema1 GmbH zu einem Konsortium zusammengeschlossen, das deutschen Unternehmen anbietet, ihren PCF zu ermitteln. Das im April 2008 gestartete und vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) unterstützte Pilotprojekt umfasst Produkte von zehn Unternehmen aus den Branchen Lebensmittel, Handel, Telekommunikation, Ver