Protocol of the Session on September 16, 2011

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich frage Sie vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen zu den kriminellen Machenschaften, die Sie sehr weit von sich weisen, warum denn dann die Staatsanwaltschaft ermittelt. Nach meiner Kenntnis dürfen Staatsanwälte nur ermitteln, wenn es zumindest den Verdacht auf kriminelle Machenschaften gibt. Oder wollen Sie die Staatsanwaltschaft für die Aufnahme der Ermittlungen kritisieren?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Minister!

Auf keinen Fall! Es steht einem Verfassungsorgan, dem ich angehöre, nicht zu, ein anderes Verfassungsorgan, das im Auftrage tätig wird, in irgendeiner Form zu kritisieren.

Natürlich gab es aufgrund eines eingestellten Ermittlungsverfahrens - da hat Frau Korter recht; das habe ich auch mehrfach erklärt - gegen einen Schulleiter den begründeten Verdacht im Zusammenhang mit den erhobenen stichprobenartigen Prüfungen durch die Rentenversicherung, dass seit 2007 Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass möglicherweise bei bestimmten Fällen in bestimmten Vertragsarten ein anderer Vertrag hätte abgeschlossen werden müssen, um sich nicht entsprechender Sozialleistungsbeiträge oder Steuern entziehen zu können.

Allerdings, Herr Limburg, gehört zur Wahrheit auch, dass in allen Erlassen seit 2002, auch noch zu Zeiten der früheren SPD-geführten Landesregierung, die Schulleitungen darauf hingewiesen

wurden, dass für den Fall des Abschlusses eines Dienstleistungsvertrages der Dienstleistungsnehmer verpflichtet ist, die Sozialversicherungsbeiträge oder aber die entsprechenden Steuern abzuführen. Darauf wurde in allen Erlassen hingewiesen.

Ein Problem ist allerdings - auch das habe ich Ihnen im Ausschuss erläutert -: Wenn jemand über mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse verfügt, kann der Schulleiter unter Umständen nicht erkennen, wie viele Verträge sich dahinter befinden und ob nicht doch eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vorliegt oder ob nicht durch die Stundenzusammenführung vielleicht doch ein Arbeitsvertrag hätte abgeschlossen werden müssen. Dazu sind unsere Schulleiter, die ich an dieser Stelle auch ausdrücklich in Schutz nehmen möchte, nicht ausgebildet, sie sind keine Juristen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zurück zu den Fakten. Seit Anfang des Jahres laufen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen Unbekannt. Es wird keiner Person direkt ein Verschulden im Zusammenhang mit dieser soeben erwähnten Vertragspraxis an Ganztagsschulen vorgeworfen. Es liegt der Verdacht des Verstoßes gegen § 266 a Strafgesetzbuch - Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt - gegen Unbekannt vor, wie dieser auch immer zustande gekommen sein mag. Das habe ich wohl ausreichend dargestellt.

Von Anfang an habe ich hier erklärt - sowohl im Parlament als auch im Ausschuss -, dass ich größtmögliche Transparenz wünsche und von Anfang an eine zügige Aufklärung aller Vorwürfe - auch schon in alter Funktion - seit Dezember 2009 im Kultusministerium angeregt und auch vorgenommen habe. Deshalb wurden Sie im Kultusausschuss mehrfach unterrichtet, nämlich am 27. Januar, am 28. Januar durch den Referatsleiter Dienstrecht, am 11. Februar und am 20. Mai erneut, nämlich über die zugrunde liegende Problematik und die Entwicklung. Auch das Plenum befasste sich mehrmals mit dem Thema, nämlich im März und im Mai 2011.

Um es zusammenfassend zu sagen, so wie auch Sie es am Ende zusammenfassend sagen wollten: Die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wirft keine neuen Fragen auf, sondern sie fasst lediglich alle bislang gestellten Fragen und die weitgehend bekannten und möglichen Antworten zu dem Thema zusammen. Aus Respekt vor

dem Parlament trage ich das natürlich gerne noch einmal vor. Alles, was zur Sache bereits gesagt wurde, kann ich im Grundsatz im Wesentlichen wiederholen.

Zunächst zu den weiteren Maßnahmen, die wir getroffen haben. Im Februar habe ich eine Arbeitsgruppe mit drei Verwaltungsexperten, einem anerkannten Steuerfachmann aus dem Finanzministerium, der im Rahmen der Steuerfahndung gearbeitet hat, und einem Experten, den ich ausdrücklich von außen geholt habe, eingesetzt, der diese Arbeitsgruppe geleitet hat und leitet. Diese Arbeitsgruppe hat gemeinsam mit Mitarbeitern des Kultusministeriums und der Landesschulbehörde aufgearbeitet, wie sich die Situation der Ganztagsschulverträge seit 2002 im gesamten Bereich objektiv und unbeeinflusst von anderen entwickelt hat. Das war der Auftrag.

Der Bericht liegt seit April vor. Das Ergebnis: In den Unterlagen gibt es keinen einzigen Hinweis darauf, dass es dem Kultusministerium bei der Erstellung der Erlasse darauf ankam, durch den Einsatz von Honorarkräften Haushaltsmittel in Form von vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen einzusparen.

Herr Kollege Althusmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Korter?

Aber immer.

Frau Korter, bitte!

Herr Althusmann, können Sie denn dem Parlament erklären, warum Sie diese Arbeitsgruppe so spät eingesetzt haben, nämlich erst, als die Staatsanwaltschaft ermittelt hat, und nicht schon nach den Hinweisen im Jahr 2009? Im Jahr 2007 konnten Sie das noch nicht machen, aber 2009 hätte man ja schon anfangen können.

Herr Minister!

Es gab zu dem Zeitpunkt keinen Anlass dazu, aufgrund der Prüfvorgänge, die seit dem Jahr 2007 liefen. Es gab 2007/2008 einen langen Schriftver

kehr zwischen Kultusministerium und Rentenversicherung; teilweise sind die Schreiben nicht beantwortet worden, teilweise wurden die Vorgänge sehr spät beantwortet.

Ich selbst habe von der Problematik im Dezember 2009 Kenntnis bekommen und habe umgehend angewiesen, dass die Erlasse entsprechend verändert werden.

Im Juni 2010 ist der neue Erlass auf den Weg gebracht worden. Im August 2010 hat die Landesschulbehörde mitgeteilt, sie könne dies angesichts von rund 7 000 Verträgen personell nicht sofort umsetzen. Daraufhin hat mein Staatssekretär der Landesschulbehörde gesagt, wir setzen das für ein halbes Jahr aus, bis zum 1. Februar 2011, um das sorgfältig auszuwerten.

Seit Februar 2011 haben wir eine klare Rechtsgrundlage, inzwischen im Übrigen auch mit unbefristeten Arbeitsverträgen. Es gab zu diesem Zeitpunkt keinerlei Anlass, dazu noch eine Arbeitsgruppe einzusetzen, um diesen Komplex aufzuarbeiten. Aber ich habe die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und die Rentenversicherung sehr ernst genommen und entschieden, das alles glasklar aufzuarbeiten. Als Parlament haben Sie ein Anrecht darauf, so habe ich es auch im Ausschuss gesagt.

Ein kleiner Einschub: Ob nun, wie von der SPD gefordert, der Landesrechnungshof eine weitere Prüfung parallel zu der der Rentenversicherung und der der Staatsanwaltschaft für notwendig hält, möge er im Rahmen seiner eigenen Entscheidungshoheit - er ist bekanntlich unabhängig - entscheiden.

Sie haben auf eine Problematik aufmerksam gemacht, Frau Korter, die zutreffend ist. Anlass für die Änderung des Ganztagsschulerlasses in 2004 waren die Veränderungen im Bereich der Ganztagsschulzahlungen des Bundes. Das sogenannte IZBB-Programm mit rund 4 Milliarden Euro, wovon fast 400 Millionen Euro auf das Land Niedersachsen entfielen, musste umgesetzt werden. Wir wollten natürlich - das hätte jede Landesregierung getan - so viel von den Ganztagsschulgeldern des Bundes wie möglich in Ganztagsschulen umsetzen. Das heißt, ab diesem Zeitpunkt sind die Ganztagsschulen exponentiell ausgebaut worden. Ihre Zahl hat sich bis heute im Vergleich zu 2003 verachtfacht. Dementsprechend hat sich auch die Zahl der Verträge vervielfacht, die sich durch diese Schulform ergeben.

Sie wissen vielleicht, dass von den 1 300 Ganztagsschulen rund 360 als gebundene Ganztagsschulen arbeiten. Seit 2004/2005 haben wir den sogenannten 8.2er-Erlass: Unter Verzicht auf weitere Ressourcen werden den Ganztagsschulen entsprechende Mittel zugewiesen, die kapitalisiert werden können, um daraus entsprechende Ganztagsschulverträge abschließen zu können.

Klar ist, dass auch die heutigen 86 Millionen Euro, die wir in Niedersachsen für Ganztagsschulen ausgeben, natürlich nach oben hin immer steigerbar wären. Wünschenswert wäre vielleicht eine Verdopplung. Aber das ist angesichts der Haushaltslage des Landes Niedersachsen zurzeit auf keinen Fall machbar.

Meine Damen und Herren, die Arbeitsgruppe war im Übrigen auch der Auffassung, dass die Handreichungen für die Ganztagsschulen in Bezug auf den Abschluss von Honorarverträgen seinerzeit unzureichend gewesen sind. Begründung: Für die Ganztagsschulleitungen als juristische Laien waren sie zu knapp ausgeführt und aufgrund fehlender Fallbeispiele als Entscheidungsgrundlage wenig praxistauglich.

Insofern haben wir natürlich, nachdem wir dieses geprüft haben, entsprechend gehandelt. Dennoch wird dem Kultusministerium bescheinigt:

Erstens. Die bekannt gewordenen Einzelfälle im Zusammenhang mit Honorarverträgen wurden verwaltungsmäßig richtig abgewickelt.

Zweitens. Es wurde folgerichtig reagiert, indem den Schulen der Abschluss von Arbeitsverträgen sowie der Einsatz von unbefristet beschäftigten pädagogischen Mitarbeitern an Grundschulen auch im Rahmen ganztagsspezifischer Angebote ermöglicht wurden.

Ebenso folgerichtig ist: Den Ganztagsschulen wurden von der Landesschulbehörde erarbeitete Handreichungen und Muster zur Verfügung gestellt. - Die sind seit geraumer Zeit im Internet vorrätig.

Seit Februar dieses Jahres, seitdem der neue Erlass in Kraft ist, haben wir nur einen einzigen Fall, in dem gegen die rechtlichen Vorgaben der Landesschulbehörde, dass sie zu genehmigen und diese Verträge zu prüfen hat, verstoßen wurde, aufgrund welcher Ereignisse auch immer. Diesem Fall wurde nachgegangen.

Wir haben aus meiner Sicht seit Februar eine absolut glasklare, auch mit der Staatsanwaltschaft und der Rentenversicherung abgestimmte rechtliche Grundlage zum sicheren Abschließen von Ganztagsschulverträgen, auch von Dienstleistungs- und Honorarverträgen.

Es wird immer der Eindruck erweckt, als seien Dienstleistungsverträge etwas Unrechtmäßiges. Wir haben zurzeit rund 1 600 Arbeitsverträge und 4 500 Dienstleistungsverträge, die rechtlich korrekt abgeschlossen wurden. Der Anschein, den Sie da immer erwecken wollen, es sei alles unrechtmäßig, was dort läuft, ist schlichtweg falsch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich möchte mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesschulbehörde bedanken; denn die Landesschulbehörde hat trotz vielfältiger anderer Aufgaben unsere 1 300 Ganztagsschulen letztendlich gut beraten und beaufsichtigt. Sie hat die Möglichkeit zum Abschluss von Arbeitsverträgen aufgezeigt. Dies wurde, wie eben dargestellt, umfangreich genutzt.

Insgesamt glaube ich, dass unsere Schulen inzwischen Handlungssicherheit haben.

(Ina Korter [GRÜNE]: Ja, das hat aber lange gedauert!)

Diese gilt es, weiter zu verbessern. Zuletzt hat die Landesschulbehörde im Mai eine umfangreiche Schulungsmaßnahme durchgeführt, mit der alle Ganztagsschulen erreicht wurden.

Ich glaube auch, das man feststellen darf, dass hier eine Fehlentwicklung erkannt worden ist und dass die richtigen Maßnahmen seitens der Landesregierung getroffen wurden. Auch bleibt es Fakt, dass wir die notwendigen Nachzahlungen entsprechend dem, was ich gesagt habe, vornehmen werden, wenn wir wissen, wie hoch sie tatsächlich sind.

Wir haben inzwischen in Abstimmung mit der Oberfinanzdirektion eine Datenbank entwickelt, in der alle Verträge, die Sie vorhin dargestellt haben - das müssen nicht alles Ganztagsschulverträge sein, darunter sind auch andere Verträge, aber das sei nur am Rande bemerkt -, aufgearbeitet und rückblickend geprüft werden, weil die Rentenversicherung einen Anspruch auf - in welcher Größenordnung auch immer - möglicherweise entgangene Sozialversicherungsbeiträge hat.

Zusammenfassend möchte ich mich also bei den Fragestellern für die Gelegenheit, dies noch einmal öffentlich sagen zu können, ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ina Korter [GRÜNE]: Gern gesche- hen!)

Aber eines stört mich dann doch. Die Grünen kommen ja immer wieder mit Unschuldsmiene daher und erklären uns, wie man besser regieren sollte.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Was soll das denn jetzt! - Ina Korter [GRÜNE]: Das machen wir auch!)

Meine Damen und Herren, schauen wir doch einmal in andere Bundesländer, in denen die Grünen schon mitregiert haben. - Zugegebenermaßen auch mit uns; das kann man machen, muss man aber nicht.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Das war aber nicht erfolgreich! - Beifall bei den GRÜNEN)

- Ich habe ja gesagt: Das kann man machen, muss man aber nicht.