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Verschleudert Wirtschaftsminister Bode (FDP) Millionen aus dem Landeshaushalt für den Erdgasmulti ExxonMobil? - Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/3979
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verschleudert Wirtschaftsminister Bode (FDP) Millionen aus dem Landeshaushalt für den Erdgasmulti ExxonMobil?
Die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 29. August 2011 informiert in einem Artikel unter der Überschrift „Es gibt Kohle, wenn das Gas nicht fließt“, dass das Land Niedersachsen einem Erdgasmulti Entschädigungszahlungen zukommen lässt, wenn eine Erdgasbohrung nach dem sogenannten Fracking-Verfahren nicht erfolgreich sei. Demzufolge „honoriere“ Wirtschaftsminister Jörg Bode seit Anfang des Jahres 2011 Erdgasunternehmen für jede erfolglose Bohrung mit bis zu 2 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt. Nutznießer dieser Zahlungen sei vor allem die ExxonMobil Corporation, der nach der Marktkapitalisierung weltgrößte Konzern. Darüber hinaus soll - dem Zeitungsbericht zufolge - das Land Niedersachsen zumindest bei einer Fracking-Bohrung in Damme von ExxonMobil keine Förderabgabe er
hoben und damit auf erhebliche Einnahmen für den Landeshaushalt verzichtet haben. Experten kritisieren diese Handlungsweise.
Bei dem Fracking handelt es sich um ein Verfahren für die Förderung von sogenanntem unkonventionellen Erdgas, wie Kohleflözgas, Schiefergas oder Tight Gas, das im Gegensatz zu konventionellem Erdgas im Gestein eingeschlossen ist. Bei der Fracking-Technologie wird eine mit teilweise hochgiftigen Chemikalien versetzte Flüssigkeit mit hohem Druck in die Tiefe gepumpt, um das gastragende Gestein aufzubrechen. Die Erdgasförderung nach dem Fracking-Verfahren ist nach Expertenmeinung mit Risiken für die Bevölkerung und die Umwelt, insbesondere das Trinkwasser, verbunden. Gefahren gehen vor allem von der FrackFlüssigkeit aus, die in sehr großen Mengen anfällt.
In den USA, in denen unkonventionelles Erdgas bereits großflächig gefördert wird, kam es bereits zu Unfällen wie der Kontamination von Trinkwasser, zu Explosionen und Erdstößen. Auch in Niedersachsen, dem Bundesland mit dem mit Abstand größten Erdgasaufkommen in Deutschland, sowie in Nordrhein-Westfalen, dem Bundesland mit dem nächstgrößeren Erdgasaufkommen, fürchten Anwohnerinnen und Anwohner sowie Betreiber von Wasserwerken vor allem um die Trinkwasserqualität und protestieren daher gegen geplante Erdgasbohrungen nach der Fracking-Technologie.
In Nordrhein-Westfalen gibt es, dem Zeitungsbericht vom 29. August 2011 zufolge, einen fraktionsübergreifenden Konsens, so lange nicht über Fracking-Genehmigungen zu entscheiden, bis unabhängige Gutachter Grundlagen für eine Risikobewertung des Frackings erstellt haben. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Jörg Bode hält dagegen schon Umweltverträglichkeitsprüfungen, die dem Fracking-Verfahren vorausgehen sollen, für überzogen und will das im Rahmen einer Bundesratsinitiative deutschlandweit durchsetzen. Er warne vor zu großen Belastungen aus Umweltverträglichkeitsprüfungen für die Erdgasmultis.
1. Wie bewertet sie das Fracking-Verfahren bei der Förderung von sogenanntem unkonventionellen Erdgas in seinen Möglichkeiten, aber vor allem seinen Gefahren für Mensch und Umwelt?
3. Welche Einnahmen sind dem Land Niedersachsen durch nicht erhobene Förderabgaben bei der Erdgasgewinnung bislang entgangen (Angaben seit dem Jahr 2008 bis zum 31. August 2011 je- weils nach Jahren)?
Herzlichen Dank, Herr Kollege Herzog. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Bode. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Niedersachsen wird seit über 150 Jahren Erdöl und seit über 50 Jahren Erdgas gewonnen. In diesem Zeitraum hat sich der Industriezweig zu einem Garanten für die Sicherheit der heimischen Energieversorgung und einem wichtigen niedersächsischen Arbeitgeber entwickelt.
Daneben leisten die hier tätigen Unternehmen nicht unerhebliche Förderabgabezahlungen, die sich zuletzt - im Jahr 2010 - auf rund 544 Millionen Euro beliefen. Die Förderabgabeeinnahmen des Landes sind in den Länderfinanzausgleich einzustellen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Erdöl- und Erdgasförderung wendet in Niedersachsen seit über 35 Jahren die Technik der hydraulischen Bohrbehandlung, das sogenannte Fracking, an. In über 250 Projekten wurden dabei unter hohem hydraulischem Druck künstliche Risse in tiefliegenden Gesteinsformationen erzeugt, um die wirtschaftliche Erdgasförderung zu ermöglichen. Dabei ist bis heute in Niedersachsen kein Fall bekannt geworden, bei dem der Einsatz dieser Technologie zu einer Beeinträchtigung von Grund- oder Trinkwasser geführt hätte. Dies ist natürlich auch darauf zurückzuführen, dass wir höchste technische und umweltrelevante Anforderungen an diese Technologie stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bekanntlich ist die sogenannte Frack-Technologie seit einiger Zeit Gegenstand von öffentlichen Debatten. Auslöser dieser Debatten waren Berichte aus den USA, in denen Umweltschäden - insbesondere die
Verunreinigung von Grundwasser - thematisiert wurden. Dies hat verständlicherweise auch in Deutschland zu einer erheblichen Sensibilisierung der Bevölkerung geführt, da Befürchtungen aufkamen, dass es in Niedersachsen zu ähnlichen Vorkommnissen kommen könnte.
Seien Sie sicher, dass wir diese Sorgen sehr ernst nehmen. Die notwendige Diskussion darüber sollte aber nicht mit dem Schüren von Ängsten geführt werden, sondern wir sollten uns sachlich mit diesem Thema auseinandersetzen und die Bürgerinnen und Bürger informieren.
Wie ich bereits im März-Plenum dieses Jahres bei der Beantwortung einer Dringlichen Anfrage ausgeführt habe, hat die Landesregierung großes Interesse an den Vorkommnissen in den USA und deren Ursachen. Vertreter des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie sind deshalb bereits im Frühjahr zu einem Informationsbesuch in die USA gereist. Die Gespräche mit den zuständigen amerikanischen Aufsichts- und Genehmigungsbehörden haben deutlich gezeigt, dass die Vorkommnisse in den USA nicht auf die Anwendung der Frack-Technologie, sondern auf die unzureichende Beachtung der umweltrelevanten und technischen Standards, etwa bei der Abdichtung von Bohrlöchern sowie bei der Lagerung von Frack-Flüssigkeiten an der Tagesoberfläche, zurückzuführen sind.
Auch der in den Medien wiederholt veröffentlichte Bericht zu brennendem Trinkwasser soll nach Auffassung der amerikanischen Seite nicht auf die Erdgasförderung, sondern auf oberflächennahes biogenes Methan in den trinkwasserführenden Schichten zurückzuführen sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich hier ausdrücklich betonen, dass der Erhalt von unbeeinflusstem Grund- und Trinkwasser für mich von ganz besonderer Bedeutung ist. Ich bin daher aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Frack-Technologie für die Sicherung der heimischen Energieversorgung der Auffassung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Genehmigung von hydraulischen Bohrlochbehandlungen unabdingbar ist, soweit diese Vorhaben nachhaltige negative Auswirkungen erwarten lassen.
Sofern in Abhängigkeit von den geologischen Gegebenheiten, dem Standort, der Tiefe, dem Abstand zu trinkwasserführenden Schichten, dem Volumen der verwendeten Medien und den eingesetzten Additiven bei dem Vorhaben mit erheblichen nachteiligen Auswirkungen für die Umwelt zu rechnen ist, muss für die Genehmigung dieser Vorhaben ein bergrechtliches Planfeststellungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung verbindlich sein. Eine entsprechende Anpassung des Bergrechtes haben wir im vergangenen Monat initiiert. Im Wirtschaftsausschuss des Bundesrates hat diese Position eine Ländermehrheit gefunden.
Wichtig ist mir dabei auch, dass die Anwendung dieser Technologie nicht nur für die Erdöl- und Erdgasgewinnung zu regeln ist, sondern dass sie wertneutral auch für die Gewinnung sämtlicher Bodenschätze gilt, bei der diese Technologie zum Einsatz kommt. Hierzu zählt beispielsweise auch die Erdwärmegewinnung, also die Tiefengeothermie, wie ein vor Kurzem durchgeführter Frack an der Erdwärmebohrung GeneSys hier in Hannover gezeigt hat.
Die Einführung einer standortbezogenen Vorprüfung soll die erforderliche Flexibilität schaffen, um bei hydraulischen Bohrlochbehandlungsmaßnahmen, die keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt und hier insbesondere auf das Trinkwasser haben, von einer Umweltverträglichkeitsprüfung abzusehen. Dies kann beispielsweise bei Tiefengeothermiebohrungen der Fall sein, wenn beim Einsatz der Frack-Technologie der Frack-Flüssigkeit keine Additive zugesetzt werden. Man kann hier umgangssprachlich auch von einem sogenannten Süßwasserfrack sprechen. Das ist allerdings keine offizielle Bezeichnung.
Die Forderung nach einer generellen UVP-Pflicht für Explorationsbohrungen halte ich allerdings für nicht verhältnismäßig; denn dies würde zu einer deutlichen Verschärfung der geltenden EU-Anforderungen führen und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft gefährden. Wir gehen davon aus, dass bei uns ca. 18 000 Arbeitsplätze direkt und indirekt betroffen wären.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich jetzt zum Thema Förderabgabe kommen. Grundlage für die Erhebung der Förderabgabe ist der durch das Bundesberggesetz vorgegebene rechtliche Rahmen. Die Förderabgabe beträgt nach § 31 Abs. 2 des Bundesberggesetzes zehn vom Hun
dert des Marktwertes oder Bemessungsmaßstabes, d. h. des Wertes, der für im Geltungsbereich des Bundesberggesetzes gewonnene Bodenschätze dieser Art durchschnittlich erzielt wird.
Die einzelnen Länder können unter bestimmten, in § 32 des Bundesberggesetzes abschließend normierten Voraussetzungen einen hiervon abweichenden, d. h. höheren oder auch niedrigeren, Abgabesatz festsetzen sowie Abgabepflichtige gänzlich von der Förderabgabe befreien.
Die in Niedersachsen seit Jahrzehnten stattfindende Gewinnung von Kohlenwasserstoffen, die zunehmende Tiefe und Komplexität der verbliebenen Lagerstätten sowie die Endlichkeit der Vorräte haben in den letzten Jahren zu einem deutlichen Rückgang der Reserven und der Fördermengen geführt.
Daneben beeinflussen die immer schwieriger werdenden geologischen Verhältnisse kleine Lagerstätten sowie die wachsenden technologischen Herausforderungen zunehmend die Wirtschaftlichkeit der niedersächsischen Erdöl- und Erdgasförderung und veranlassen die Unternehmen verstärkt zu Investitionen in Projekte im Ausland. Dies gefährdet die Sicherheit der Rohstoffversorgung Deutschlands, führt zu einem Abbau von Arbeitsplätzen in dieser Branche, besonders in Niedersachsen, und verschlechtert die Ausnutzung der heimischen Lagerstätten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Ausgangslage in Niedersachsen, die voraussichtliche Entwicklung auf den internationalen Öl- und Gasmärkten sowie weitere volkswirtschaftliche Belange bilden die Grundlage für die Entscheidung der Landesregierung über die Höhe der Abgabesätze für Erdöl und Erdgas. So hat die Landesregierung zum 1. Januar 2011 die Abgabesätze für Erdgas von 32 auf 36 vom Hundert des Bemessungsmaßstabes und für Erdöl von 17 auf 18 vom Hundert des Marktwertes heraufgesetzt. Gleichzeitig wurden - zunächst befristet für ein Jahr - die Gewinnung von Erdgas aus Tonstein sowie die Gewinnung von Erdwärme von der Förderabgabe befreit.
Weiterhin hat die Landesregierung die in der Niedersächsischen Verordnung über die Feldes- und die Förderabgabe seit vielen Jahren geltenden Regelungen zur Anrechenbarkeit von Kosten auf die Zahlung der Förderabgabe, wie z. B. Aufbereitungs- und Fortleitungskosten, um eine Regelung zur Anrechenbarkeit von Kosten für die Erstellung von Explorationsbohrungen erweitert.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesregierung hat mit ihren Entscheidungen sichergestellt, dass die Bürgerinnen und Bürger in angemessener Weise an der Nutzung der heimischen Energieressourcen teilhaben. Gleichzeitig wurde mit der zeitlich befristeten und energie- sowie versorgungspolitisch begründeten Befreiung von der Abgabepflicht ein Anreiz geschaffen, um die Suche nach neuen Energieressourcen, wie z. B. Erdwärmevorkommen oder Erdgaslagerstätten, zu unterstützen.
Zu 1: Bei der hydraulischen Bohrlochbehandlung handelt es sich um eine seit Jahrzehnten in Niedersachsen erfolgreich angewendete Technologie. Diese Technologie ermöglicht den Rückgriff auf wichtige heimische Energieressourcen, deren Nutzung ohne die Anwendung dieser Technologie nicht möglich wäre. Insofern trägt diese Technologie zur Verringerung der Importabhängigkeit bei, erhöht die Versorgungssicherheit und sichert Arbeitsplätze, gerade auch in strukturschwachen Regionen.
In Niedersachsen wurden in den letzten 35 Jahren mehr als 250 hydraulische Bohrlochbehandlungen durchgeführt, ohne dass ein Fall bekannt geworden ist, bei dem der Einsatz dieser Technologie zu einer Beeinträchtigung von Grund- und Trinkwasser geführt hat. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass bei Beachtung der etablierten technischen und umweltrelevanten Standards keine erhöhten Sicherheits- und Umweltrisiken bestehen.
Hinsichtlich der aktuellen Entwicklungen zur Anpassung des Bergrechtes verweise ich auf meine einführende Erklärung.
Zu 2: Mit der Einführung der Regelung zur Anrechenbarkeit von Kosten für wirtschaftlich nicht fündige Explorationsbohrungen auf die Förderabgabe hat die Landesregierung einen Investitionsanreiz geschaffen, mit dem die Rohstoffversorgung gesichert, die Ausbeute der Lagerstätten optimiert und Arbeitsplätze erhalten werden sollen. Ursächlich für diese Entscheidung waren insbesondere die stark rückläufigen Erdgasfördermengen und Erdgasreserven in Verbindung mit den komplexen geologischen Verhältnissen, die die Suche nach neuen Erdgasreserven in Niedersachsen zunehmend unwirtschaftlich macht.
Hierbei geht es nicht um eine spezifische Förderung der sogenannten Frack-Technologie. Die Inanspruchnahme dieser Regelung setzt nicht die
Anwendung dieser Technologie voraus, sondern das Erstellen von Tiefbohrungen mit einer Tiefe von über 2 500 m. Bislang kam diese Regelung für keine Explorationsbohrung zur Anwendung.
Zu 3: Nach Maßgabe der Bestimmungen des Bundesberggesetzes beträgt der Abgabesatz für das in Niedersachsen gewonnene Erdgas grundsätzlich zehn vom Hundert des Bemessungsmaßstabs. Mit den Entscheidungen über die Festsetzung des Abgabesatzes für diesen Bodenschatz hat die Landesregierung in dem genannten Zeitraum abweichende, d. h. generell höhere, Abgabesätze festgelegt, die zu Mehreinnahmen in Höhe von rund 1,1 Milliarden Euro in den Jahren 2008 und 2009 geführt haben.
Für die Gewinnung von Erdgas aus Tonsteinlagerstätten, in denen es sich gebildet hat, hat die Landesregierung für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 auf die Anwendung des im Bundesberggesetzes genannten Regelabgabesatzes verzichtet. Da bis zum 31. August 2011 in Niedersachsen keine wirtschaftliche Förderung aus diesen Lagerstätten stattfand, wurde die Befreiungsregelung bislang nicht in Anspruch genommen.