Protocol of the Session on September 15, 2011

zeigt die Dringliche Anfrage, dass mit ihr erneut der Versuch unternommen wird, das pädagogische Konzept der Schule, für das sie zu Recht ausgezeichnet worden ist, und die Dauer der Schulzeit bis zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife an den Gesamtschulen meines Erachtens sachwidrig miteinander zu vermischen.

Das besondere Unterrichtskonzept der Integrierten Gesamtschule Göttingen-Geismar bezieht sich auf die Schuljahrgänge 5 bis 10 und zeichnet sich somit vornehmlich dadurch aus, dass in TeamKleingruppen, sogenannten Tischgruppen, gearbeitet und auf die äußere Fachleistungsdifferenzierung in den Fächern Mathematik, Englisch,

Deutsch und Naturwissenschaften verzichtet wird. Außerdem erfolgt eine leistungsmäßige Zuordnung der Schülerinnen und Schüler mit Bezug auf den angestrebten Schulabschluss durch die Klassenkonferenz erst am Ende des Sekundarbereichs I.

Dieses Modell ist möglich geworden, weil der Schule mit Blick auf die beschriebene Fachleistungsdifferenzierung ein abweichendes Verfahren nach der KMK-Vereinbarung über die Schularten und Bildungsgänge im Sekundarbereich I eingeräumt wird.

Nach § 12 Niedersächsisches Schulgesetz umfasst die Integrierte Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe die Schuljahrgänge 5 bis 12. Sie führt im 10. Schuljahrgang auch die Einführungsphase und im 11. und 12. Schuljahrgang die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe. Der Gesetzgeber hat für die Integrierte Gesamtschule keine abweichende Schulzeitdauer zugelassen. Die neue Schulzeitdauer gilt erstmals für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich im Schuljahr 2014/15 im 9. Schuljahrgang der Integrierten Gesamtschule befinden.

Vor dem Landtag am 29. Juni 2011 und in weiteren Gesprächen auch mit dem Schulelternrat der Göttinger Schule am 30. Juni 2011 hatte die Landesregierung zugesagt, zu Beginn des neuen Schuljahres 2011/12 eine abschließende Entscheidung in der Angelegenheit zu treffen. Dabei wurde bereits in Aussicht gestellt, mit der Schule zu erörtern, wie die bisher vorgesehene Einstufung der Schülerinnen und Schüler am Ende des 9. Schuljahrgangs aufgehoben und wieder auf den 10. Schuljahrgang verlegt werden kann, damit das pädagogische Konzept der Schule in den Schuljahrgängen 5 bis 10 in vollem Umfang unangetastet bleibt. In der Kultusausschusssitzung am 2. August 2011 sind hierzu nähere Ausführungen gemacht worden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Die Schule führt zu Beginn des Schuljahres 2011/12 ihr pädagogisches Konzept wie bisher in vollem Umfang und ohne Abstriche fort. Sie muss zwar nach Erlass die zweite Fremdsprache als Wahlpflichtfremdsprache im 6. Schuljahrgang anbieten, hat dieses aber bereits in der Vergangenheit als Bestandteil ihres Konzeptes getan.

Zu 2: Das Gespräch mit der Schule ist für den 19. September dieses Jahres anberaumt. In dem

Gespräch sollen folgende Eckpunkte erörtert werden: Die Schule verfährt im Sekundarbereich I nach ihrem bisherigen pädagogischen Konzept. Dies gilt auch für den 10. Schuljahrgang. Dabei unterrichtet die Schule ihre Schülerinnen und Schüler auf der Basis einer Fach- und Schülerpflichtstundenzahl von 192 Gesamtstunden in den Schuljahrgängen 5 bis 10. Die Klassenkonferenz entscheidet wie bisher auf der Grundlage der gezeigten Schülerleistungen erst am Ende des 10. Schuljahrgangs über den erreichten Schulabschluss. Eine Vorentscheidung am Ende des 9. Schuljahrgangs entfällt. Schülerinnen und Schüler, die den erweiterten Sekundar-I-Abschluss erreicht haben, wechseln in die Qualifikationsphase der gymnasialen Oberstufe. Schülerinnen und Schüler, die diesen Abschluss nicht erreicht haben, haben das Recht, den 10. Schuljahrgang zu wiederholen.

Zu 3: Bis zum Ende des 10. Schuljahrgangs werden nach dem Vorschlag der Landesregierung an der Göttinger Schule weiterhin alle Schülerinnen und Schüler gemeinsam lernen können. Hinsichtlich der Dauer der Schulzeit bis zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife wird es aber auch für diese Schule bei der geltenden Rechtslage bleiben. Einer abweichenden Regelung nur für diese Schule steht nicht nur das geltende Schulgesetz entgegen, sondern vor allem auch das rechtliche Gebot der Gleichbehandlung desselben Sachverhalts.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Korter stellt die erste Zusatzfrage.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Eigentlich ist aber alles klar!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister Althusmann, vor dem Hintergrund, dass die IGS Göttingen-Geismar als beste Schule Deutschlands ausgezeichnet worden ist und diese Auszeichnung auch dafür bekommen hat, dass sie besonders viele Schülerinnen und Schüler zu einem hoch qualifizierten Erfolg führt, weil sie länger Zeit zum Lernen haben, frage ich die Landesregierung: Aus welchen zwingenden pädagogischen Gründen muss jetzt diese beste Schule Deutschlands ihr Konzept ändern und das Abitur nach

Klasse 12 machen und nicht mehr wie bisher nach Klasse 13?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Frau Abgeordnete Korter, ich möchte noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass die KMK-Vereinbarung in Bezug auf die IGS Göttingen-Geismar sich allein und ausschließlich auf das pädagogische Konzept der Schuljahrgänge 5 bis 10 bezogen hat. Zum Zeitpunkt der Einsetzung dieser KMK-Vereinbarung spielte die Frage der Schulzeiten - ob nun 12 oder 13 Jahre; da sind die Länder frei - überhaupt keine Rolle.

Ich will in diesem Zusammenhang auf das verweisen, was uns die Eltern im März 2010 geschrieben haben und worauf sie Wert legen, um das pädagogische Konzept der IGS Göttingen-Geismar zu erhalten. Sie sagen in dem Schreiben am 31. März 2010 - exemplarisch -: Es sei entscheidend, den Verzicht auf die äußere Fachleistungsdifferenzierung und das Tischgruppenmodell aufrechtzuerhalten. Entscheidend sei auch der Erhalt des Modells für die Schuljahrgänge 5 bis 10, also die Rücknahme einer Vorentscheidung am Ende des 9. Schuljahrgangs, so wie sie für alle anderen IGSen gilt. Die Eltern fordern den Verzicht auf eine Aufteilung im 10. Schuljahrgang in Gymnasialschülerinnen und -schüler auf der einen und Realschülerinnen und -schüler sowie Hauptschülerinnen und -schüler auf der anderen Seite. Außerdem fordern sie die Zuordnung der Schülerleistungen zu den Schulabschlüssen am Ende des 10. Schuljahrgangs. - Das ist die Quintessenz dieses Schreibens vom März 2010.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das kann nicht abschließend sein!)

Das pädagogische Konzept der Tischgruppen und des völligen Verzichts auf äußere Fachleistungsdifferenzierung in den Schuljahrgängen 5 bis 10 kann nach dem Vorschlag der Landesregierung letztendlich erhalten werden, wenn diesem Vorschlag gefolgt wird. Dies wird jetzt mit der Schule und der Schulleitung, aber auch mit den Eltern - am Rande dieses Plenums hat ein weiteres Gespräch stattgefunden - erörtert.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Es ist doch unzulässig, das als Argument zu be- nutzen!)

Die Frage des Abiturs nach 12 oder nach 13 Jahren ist für die Umsetzung des Schulkonzeptes nicht maßgeblich. Man kann auch bei 12 Jahren das pädagogische Konzept für die Schuljahrgänge 5 bis 10 aufrechterhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das se- hen die Eltern aber anders!)

Herr Kollege Wenzel stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister, vor dem Hintergrund der Tatsache, dass wir hier eine ausgezeichnete Schule haben,

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

bei der die Schulabbrecherquote fast null beträgt, während der Durchschnitt in Niedersachsen bei 7,5 % liegt, frage ich Sie: Was haben Sie bisher veranlasst, und was wollen Sie veranlassen, um die Prinzipien und die pädagogischen Erfolge dieser Schule auch auf andere Schulen in Niedersachsen zu übertragen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister!

Herr Abgeordneter Wenzel, zunächst zur Auszeichnung von Schulen mit Schulpreisen. In Deutschland wird eine Vielzahl von Schulpreisen vergeben. Auch das Max-Planck-Gymnasium Göttingen hat vor knapp einem Jahr einen deutschen Schulpreis erhalten, der allerdings etwas geringer, nämlich nur mit 50 000 Euro dotiert war. Von dort kam aber nicht die Forderung, aufgrund der besonderen Leistung des dortigen pädagogischen Konzeptes müsse auch am Max-Planck-Gymnasium wieder die Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren erfolgen. Das sollte man also nicht miteinander vermischen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist doch absurd, Herr Minister!)

- Augenblick! Darüber hinaus haben Sie eine - - -

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Außerdem gibt es da nur 60 Anmeldungen! Bei der IGS gibt es 300! Sie kennen sich vor Ort nicht aus!)

- Ich war schon zweimal da.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Kollege Wenzel, ich darf Sie unterbrechen. Sie haben die Möglichkeit, Zusatzfragen zu stellen. Das muss jetzt nicht im Dialog erfolgen. Ich finde das auch nicht passend. - Bitte, Herr Minister!

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das war nur ein Zwischenruf!)

Im Übrigen haben Sie eine falsche Zahl genannt. Ich will sie der Richtigkeit halber korrigieren. Die Schulabbrecherquote in Niedersachsen liegt nicht bei 7,5 %, sondern deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt von inzwischen 7 %. Wir liegen unterhalb von 6 % und wollen diese Zahl noch einmal deutlich absenken. 2003 lag sie übrigens noch bei 10,3 %. Dies nur als kleiner Hinweis.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben im Kern danach gefragt, ob das auch für andere Gesamtschulen gelten kann. Entscheidend für die Umsetzung des pädagogischen Konzepts der Göttinger Schule ist natürlich nicht nur die KMK-Anerkennung bezüglich der Fachleistungsdifferenzierung, sondern auch die Lehrerstundenfinanzierung. Obwohl diese Schule auf die äußere Fachleistungsdifferenzierung verzichtet, erhält sie dafür zusätzliche Lehrerstunden. Diese kann sie für Lehrerdoppelbesetzungen in bestimmten Fachunterrichten oder für Tutorenstunden verwenden. Sie kann sie aber auch für zusätzliche Arbeits- und Übungsstunden einsetzen.

Nach den Vorgaben des Erlasses vom 1. August 2011 können alle Integrierten Gesamtschulen bei Vorlage eines entsprechenden pädagogischen Konzepts in den Schuljahrgängen 5 bis 8 komplett auf die äußere Fachleistungsdifferenzierung verzichten. Sie können auch vergleichbar dem verfahren, wie die Göttinger Schule verfährt. Dafür erhalten sie dann auch die entsprechende Fachleistungsdifferenzierung.

Ich darf am Rande hinzufügen: Zu keinem Zeitpunkt in der Geschichte der Integrierten Gesamt

schulen in Niedersachsen hat es einen derartigen pädagogischen Gestaltungsspielraum einschließlich der materiellen Absicherung, also der Unterrichtsstundensicherung, gegeben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dies zu dem Vorwurf aus den Reihen der Opposition, wir würden zu wenig Rücksicht auf die Gestaltungsspielräume der Integrierten Gesamtschulen nehmen.

Kurzum: Jede Gesamtschule kann dieses Konzept in den Schuljährgängen 5 bis 8 auf jeden Fall umsetzen. Das Konzept der IGS Göttingen-Geismar zeichnet sich jedoch dadurch aus, dass in den Klassen 5 bis 10 alle Schülerinnen und Schüler ohne Aufteilung auf bestimmte Niveaustufen, Fachkurse usw. in Form eines besonderen Unterrichtsmodells unterrichtet werden.

Zum Schluss: Ich weiß, dass in Göttingen die Übergangsquoten zum Gymnasium im Vergleich mit anderen Regionen in Niedersachsen überproportional hoch sind. Deshalb mag es auf der einen Seite nicht verwunderlich sein, dass der gymnasiale Anteil der Schülerinnen und Schüler in der IGS Göttingen-Geismar deutlich über 60 % liegt. Ich will aber hinzufügen, dass das offensichtlich auch eine Ursache dafür ist, dass dieses pädagogische Konzept so erfolgreich funktioniert. Das kritisieren wir nicht, und wir haben ja auch einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, mit dem der Erhalt dieses pädagogischen Konzepts aus unserer Sicht gesichert werden kann.

Die Lehrerstundentafel einer normalen IGS lässt - wenn man etwas tiefer in die Materie einsteigt und gerade vor dem Hintergrund des Vorschlags der Landesregierung - erwarten, dass das pädagogische Konzept der IGS Göttingen-Geismar mit Übungsstunden, mit Tutorenstunden usw. in den Schuljahrgängen 5 bis 10 im Wesentlichen ohne Abstriche umgesetzt werden kann. Dazu hat die Schulleitung meines Wissens ja auch einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt.