Protocol of the Session on September 15, 2011

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ralf Briese [GRÜNE]: Mit der Türkei!)

Ich war in den letzten zwölf Monaten in Frankreich, Italien, Österreich, in den Niederlanden, in Belgien, der Schweiz, in Dänemark und bei einer AdRTagung auf Zypern.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Fahren Sie einmal nach Berlin, und reden Sie mit Frau Merkel und den Ministern! - Zurufe von der SPD)

- Meine Damen und Herren, warten Sie doch einmal ab, was ich jetzt sagen will! Dem werden Sie wahrscheinlich zustimmen.

Traurig ist: Fast überall in Europa sind der Nationalismus und der Separatismus im Aufwind. Auch in Deutschland haben viele Menschen nicht begriffen, dass es inzwischen generell um die Zukunft Europas geht. Was sollen junge Menschen eigentlich denken, wenn sie fast jeden Tag ein Klagelied hören und man ihnen mit der Verschuldungskrise in den Ohren liegt? Ich will Ihnen einmal Folgendes sagen: Mein Großvater ist schwer versehrt aus dem Ersten Weltkrieg wiedergekommen. Mein Onkel ist in Stalingrad verblieben. In den großen Schlachten des Ersten Weltkrieges ist in jeder Woche mehr Geld verpulvert worden als das, was wir bisher den Griechen geben mussten, meine Damen und Herren. An diese Prioritäten muss man einmal denken.

(Lebhafter Beifall)

Natürlich: Missstände müssen beseitigt werden. Ich denke, auch darin sind wir uns alle einig. Mit der Schuldenpolitik muss es ein Ende haben. Des

halb freue ich mich darüber, dass Heinz Rolfes, der sich mit Finanzen auskennt, hier gestern festgestellt hat: Die Spanier sind auf einem guten Weg. - Ich füge hinzu: Auch in Italien tut sich etwas. Wenn die einen anderen Ministerpräsidenten bekommen, dann wird es dort noch besser werden.

(Beifall bei der CDU und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir in Niedersachsen wissen Gott sei Dank, welch überragende Bedeutung Europa für unser Bundesland hat. Wir hier in Niedersachsen stehen hinter der Idee eines Europas der Regionen. Wir setzen diese Idee seit Jahrzehnten um; vor allem im Westen unseres Landes zusammen mit unseren Partnerregionen in den Niederlanden. Mit den Provinzen Groningen, Friesland, Drente und Overijssel gibt es viele gemeinsame Interessen, wenn es um die Regionalentwicklung, den Austausch von Gütern und Dienstleistungen sowie die großen Zukunftsthemen im Energiebereich geht.

Einige von Ihnen - auch von der Opposition - haben ja am Parlamentarierforum der Neuen Hanse Interregio teilgenommen, wo wir einen vernünftigen, sinnvollen und zukunftsweisenden Austausch mit unseren Freunden aus den Provinziallandtagen hatten. Ich möchte dafür plädieren, dass wir uns auch im Ausschuss auf eine Fortsetzung dieses Dialogs verständigen.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe auch Präsident Dinkla schon darum gebeten, und er hat Zustimmung signalisiert, meine Damen und Herren.

Zu unserem Antrag möchte ich generell sagen: Das ist kein Closed Shop, sondern zunächst eine Ideensammlung. Ich glaube, diese Sammlung wird in der zweiten Lesung noch durch viele weitere Ideen von möglichst allen Fraktionen dieses Hauses ergänzt.

Meine Damen und Herren, wenn Sie diesen Antrag lesen, haben Sie möglicherweise zunächst den Eindruck, dass er ein bisschen technokratisch ist. Deshalb will ich hier noch einmal die eigentliche Intention verdeutlichen. Ich möchte das zusammenfassen unter der Überschrift: „Niedersachsen und die Nordprovinzen der Niederlande: Miteinander leben, voneinander lernen und viele Zukunftsthemen gemeinsam angehen.“

Punkt 1: Miteinander leben, voneinander lernen. - Meine Damen und Herren, mehr als 10 000 Niederländer wohnen inzwischen im Emsland, in der Grafschaft und in Ostfriesland. Mehr als 6 000 junge Deutsche studieren in den Niederlanden, z. B. in Groningen. Sie machen dies mit großer Begeisterung. Ich darf Ihnen einmal aus einem Schreiben zitieren, das mir Studierende aus Groningen geschickt haben, nachdem wir mit unserem Arbeitskreis dort waren. Sie schreiben über ihre Dozenten: Die meisten Dozenten haben lange Praxiserfahrung. Der Kontakt zu den Dozenten ist sehr persönlich. Es wird deutlich, dass sie Spaß an ihrer Arbeit haben. Die Studenten spüren den Enthusiasmus beim Lehren und die Lust, den Studenten Wissen nahezubringen. - Meine Damen und Herren, so ist das in Groningen. Ich bin mir aber sicher, liebe Frau Johanna Wanka, wenn Sie bei uns noch länger Wissenschaftsministerin sind, werden auch wir hier solche Studienparadiese bekommen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ein enorm motivierendes Erlebnis hatte auch David McAllister in Groningen, kurz bevor er Ministerpräsident wurde. Er ist dort von den Studierenden gefeiert worden, nachdem er sich vehement für das Zukunftsprojekt „Die Einigung Europas“ eingesetzt hat. Daraus folgte dann auch die Idee, die Borkumer Erklärung der CDU-Fraktion zu formulieren und das Hafengebiet von Delfzijl zu besuchen. Unsere gesamte Fraktion hat sich mit dem Thema „Zusammenarbeit mit den Niederlanden“ bereits vor anderthalb Jahren auseinandergesetzt. Daraus ist letztendlich auch dieser Antrag erwachsen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt ist David nicht hier, aber ich kann, glaube ich, mit Fug und Recht feststellen: Es ist ein Herzensanliegen unseres Ministerpräsidenten, die Beziehungen zu den Niederlanden weiter zu vertiefen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, auch in der Tierhaltungsthematik können wir voneinander lernen. In den Niederlanden ist auf Druck des Handels das Konzept „Beter Leven“ entstanden. Daraus ist ein Tierschutzlabel entwickelt worden. Verbraucher sind bereit, mehr Geld für Tiere auszugeben, die tatsächlich besser leben. Unser Landwirtschaftsministerium hat diese Idee inzwischen übernommen. Auch hier entwickelt sich etwas. Auch das ist

ein Zeichen dafür, dass man voneinander lernen kann und dass Zusammenarbeit grundsätzlich sinnvoll ist.

Noch kurz zu Nr. 2: Die Zukunft gemeinsam gestalten. - Es geht hier um viele Kooperationen. Einzelheiten dazu sind im Antrag aufgeführt. Bei der Ausgestaltung der EU-Förderprogramme zusammen mit den niederländischen Provinzen sind wir auf einem guten Weg. Ich darf an dieser Stelle einmal ganz herzlich der Staatskanzlei, dem MW, dem MWK und den anderen Ministerien dafür danken, dass sie im Sinne unseres Antrags schon eine sehr gute Vorarbeit geleistet haben. Ganz herzlichen Dank an die Landesregierung!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, jetzt noch ein Vorschlag: Ich habe mit unserem außerordentlich europaaffinen Landtagspräsidenten Hermann Dinkla darüber gesprochen, dass wir zum Auftakt der Beratungen dieses Antrags im Ausschuss eine Sitzung nach Möglichkeit in den Niederlanden durchführen. Ich habe auch schon mit unserer Ausschussvorsitzenden, Frau Seeler, darüber gesprochen, die das ebenfalls grundsätzlich befürwortet. Vielleicht können wir einen geeigneten Termin Anfang November finden, vielleicht sogar mit dem Landtagspräsidenten, um deutlich zu machen, dass wir als gesamter Landtag - nicht nur Opposition oder Mehrheit, sondern Opposition und Mehrheit - gemeinsam mit der Landesregierung ein neues Kapitel der Zusammenarbeit mit den Niederlanden aufschlagen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Riese. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Niederlande sind unser europäischer Nachbar, das einzige Ausland, das an unser schönes Bundesland angrenzt. Der Kollege Hogrefe hat schon ausgeführt, dass es zwischen uns eine lange und gedeihliche Beziehung gibt. Wer dort im Grenzgebiet wohnt und groß geworden ist, der weiß, dass die Grenze vor 30 oder 40 Jahren wirklich noch als Grenze wahrgenommen wurde. Einmal oder allenfalls zweimal im Jahr fuhr man ins Nachbarland zum Einkaufen. Mittlerweile ist ein regelmäßiger Jugendaustausch ebenso selbstverständlich wie die Tatsache, dass im Grenzgebiet

viele niederländische Staatsbürger ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben, obwohl sie ihren Lebensmittelpunkt zum großen Teil nach wie vor in den Niederlanden haben.

An diesem Zusammenwachsen sind natürlich sehr stark die Europäische Union mit ihren Förderprogrammen und der Art, wie diese Programme in der Region gelebt und ausgestaltet werden, beteiligt. Da sind - das ist in der Antragsbegründung ja auch dargestellt worden - Organisationen wie die EUREGIO und die Ems-Dollart-Region - vorbildlich. Da treffen Menschen aufeinander und leben den europäischen Frieden. Die bevorstehende, im Jahr 2014 beginnende europäische Förderperiode kann tatsächlich neue Akzente setzen, um die Zusammenarbeit in beschriebenem Sinne zu vertiefen.

Einige der Gesichtspunkte, um die es dort geht, sind im Antrag angesprochen worden. Ich bin mir sehr sicher, dass im Laufe der Erörterung noch weitere Gesichtspunkte hinzutreten werden. Wenn man z. B. an die Verkehrswege denkt, kann man die E 233 als Beispiel nennen ebenso wie die Bahnverbindung zwischen Hengelo und Bad Bentheim, die tatsächlich eine Bahnverbindung zwischen Amsterdam und Berlin darstellt.

Aber auch im nördlichen Bereich, den zu vertreten ich hier die Ehre habe, gibt es eine Bahnverbindung, z. B. zwischen den Orten Groningen und Oldenburg. Beide Orte werden im Zusammenhang mit der Hochschulzusammenarbeit genannt. Eine Schiene liegt zwischen diesen beiden Orten. Wir teilen in der Region parteiübergreifend, darf ich sagen, das Bedauern, dass die Bahnstrecke zwischen Leer und Oldenburg als ein wichtiger Bestandteil der Strecke zwischen Groningen und Oldenburg eingleisig ist und bisher nur im weiteren Bedarf für den zweigleisigen Ausbau vorgesehen ist. Wenn Sie sich mit der Bahn von Oldenburg nach Groningen bewegen wollen, müssen Sie in Leer umsteigen. Dort müssen Sie möglicherweise sogar ein neues Ticket erwerben. Es ist für Deutsche nicht ganz einfach herauszufinden, wie sie das Ticket für den niederländischen Verkehr vom Preis her optimiert erwerben. Hier zu einer verbesserten Zusammenarbeit zu kommen, sollte meiner Auffassung nach bei der detaillierten Betrachtung des Antrags ebenfalls noch diskutiert werden.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Wichtig ist, wie die zukünftige Förderperiode gestaltet wird, namentlich bei den INTERREG-Pro

grammen. In den letzten Jahren hat sich ja gezeigt, dass eine Schwerpunktsetzung hier - wie fast immer in der Politik - zu besseren Erfolgen führt als die Gießkanne. Es kann nicht darum gehen, dass man in jeder Gebietskörperschaft noch ein paar Förderschilder aufstellt, sondern es muss ein Mehrwert für die Menschen und für die Regionen erreicht werden. Dies kann, wenn man sich die Landschaft anschaut, natürlich besonders gut dadurch erreicht werden, dass die Förderschwerpunkte Energie, Mobilität und Tourismus auf beiden Seiten der Grenze in gleicher Weise wichtig genommen werden und dass die Innovationen bei kleinen und mittleren Unternehmen in den Fokus genommen werden. Hier ist eine klare Positionierung des Niedersächsischen Landtages bei der weiteren Beratung des Antrags erforderlich.

Ich sprach bereits den hohen Anteil der Bürgerinnen und Bürger mit niederländischer Staatsangehörigkeit auf deutschem Gebiet an. Wenn man an die Lebensqualität der Menschen denkt, muss man auch Dinge in den Blick nehmen, die wir im Landtag tatsächlich nicht selber verantworten, die wir aber begleiten können. Ich würde mir wünschen, dass bei der weiteren Beratung des Antrags auch die Frage angesprochen wird, die uns seit 2006 verstärkt bewegt, wie man in Deutschland einen niederländischen Fernsehsender empfangen kann. Das ist ein ungelöstes Problem. Wie wir wissen, liegt die Verantwortlichkeit bei der Landesmedienanstalt, die die Kabelkanäle vergibt. Es ist aber nach wie vor ein großer Wunsch der Bevölkerung mit niederländischer Staatsangehörigkeit, dass hier insbesondere das zweite Programm des niederländischen Fernsehens wieder eingespeist wird. Wie ich es verstehe, ist es zurzeit zwar über Satellitenverbindungen mit besonders zu bezahlenden Paketen technisch empfangbar. Das ist aber nur sehr aufwendig möglich. Es sollte aus meiner Sicht zur Grundversorgung gehören.

Meine Damen und Herren, die umfassende Vertretung Niedersachsens im Ausland, auch mit Wirtschaftsanknüpfungspunkten, ist bekannt. Logischerweise strukturiert sich das im fernen Ausland, beispielsweise im überseeischen Ausland, mit NGlobal in anderer Weise, als man es in der deutsch-niederländischen Zusammenarbeit umsetzen kann. Wir dürfen aber nicht übersehen, dass die Niederlande einer unserer wichtigsten Außenhandelspartner sind und dass diese wirtschaftliche Beziehung, die ja auch bei uns zu Wohlstandssteigerung führt, nur durch eine intensiv gestaltete

Zusammenarbeit weiter vertieft und verbessert werden kann. Dazu dient dieser Antrag.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Riese. - Nächste Rednerin ist Frau Flauger von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Damen und Herren von CDU und FDP, die Überschrift Ihres Antrags beginnt mit den Worten: „Zusammenarbeit zwischen Niedersachsen und den Niederlanden“. Diese Zusammenarbeit ist immer zu verbessern. Das würden wir gerne unterstützen; denn es klingt gut. Dieser Forderung stehen wir grundsätzlich positiv gegenüber.

Wir haben aber natürlich nicht nur die Überschrift gelesen, sondern wir haben Ihren Antrag ganz durchgelesen. Da habe ich dann doch eine Reihe kritischer Anmerkungen, und zwar ganz konkret zu Ihrem Antrag.

(Roland Riese [FDP]: Sie können le- sen?)

- Das war ein bisschen frech. Ich kann schon lesen, seit ich vier bin.

(Zurufe: Hey!)

In Ihrem Antrag wird im Einleitungstext als gutes Beispiel die European Medical School in Oldenburg und in Groningen genannt. Da es dazu in der Presse, warum auch immer, die Aussage gab, dass alle außer der Linken dafür seien, will ich hier an dieser Stelle einmal Folgendes klarstellen: Wir sind sehr wohl für eine Medizinerinnen- und Medizinerausbildung im Nordwesten. Das unterstützen wir ausdrücklich. Wir haben allerdings Zweifel, ob das so funktionieren wird und ob die 12 Millionen Euro pro Jahr, die Sie bereitstellen, mit dem Engagement der weiteren Beteiligten ausreichen werden oder ob der Aufbau nicht zulasten anderer Fakultäten gehen wird. Wir freuen uns aber, wenn das klappt, und wir gucken einmal, wie es weitergeht.

Tatsache ist aber: Bisher ist das Ganze eine Idee, eine Diskussion, ein Papier. Es scheint jetzt anzulaufen. Es bleibt aber abzuwarten, wie es weitergeht. Jedenfalls ist es jetzt zu früh, das heute schon als gutes Beispiel niederländisch-niedersächsischer Zusammenarbeit zu loben. Das finde ich etwas voreilig.

Zu Ihrer ersten Forderung, zu den Angeboten zum Niederländischunterricht: Wir unterstützen es ausdrücklich, im Grenzbereich die Angebote zum Niederländischunterricht an Schulen auszubauen; denn wenn es um die Überwindung nationalstaatlicher Grenzen geht, haben Sie die Linke selbstverständlich immer an Ihrer Seite.

(Beifall bei der LINKEN)

In Ihrem Antrag findet sich aber nichts Konkretes dazu. Und wo findet sich denn diese Ihre Forderung in Ihrem Haushaltsentwurf wieder? Ist das nur wieder ein werbewirksames Bekenntnis? Oder wird es über nicht entgoltene Mehrbelastungen an den Schulen laufen? Wie stellen Sie sich das vor? - Das ist nicht klar.