Protocol of the Session on September 15, 2011

(Clemens Große Macke [CDU]: Von der Forderung oder Förderung?)

Auch in den Formulierungen des Vorspanns und in der Begründung ist der Antrag in einer Weise unkonkret, dass es schon wehtut. Auf einer Skala der Unverbindlichkeit von eins bis zehn erreicht er fast die Zehn als höchste Stufe.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Zwölf!)

Zweitens. Der zweite Abschnitt besteht fast nur aus Fragen. Diese sind keineswegs unvernünftig, z. B.: „Warum sind die verschiedenen Maßnahmen erforderlich, und was genau bedeutet die Energiewende für das tägliche Leben?“ Aber dass jeder Ansatz von Antworten fehlt, ist unvernünftig. Sogar der Schlusssatz verfällt wieder in die BlablaRhetorik: „Es ist daher zu prüfen, wie die bisherigen Erfolge auf den verschiedenen Gebieten weitergeführt und ausgebaut werden können.“ - Oje!

Drittens. In dem Antrag fehlen neben allen schon angemahnten Konkretisierungen auch alle Überlegungen, die in Niedersachsen lange und in anderen Bundesländern bis heute bewährte Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung auch wieder für die Energiebildung zu nutzen. Dort war Sachkompetenz vorhanden, kenntnisreiche Veröffentlichungen wurden erarbeitet. Sie haben dieses Instrument der Bildung zerschlagen. Haben Sie jetzt den Mut, auch in diesem Punkt Lernfähigkeit zu beweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, ich kenne viele Aktive in dem in dem Antrag angesprochenen schulischen Handlungsfeld Bildung für nachhaltige Entwicklung oder in den regionalen Umweltzentren. Auch diese werden enttäuscht sein; denn sie erwarten mehr als Prüfaufträge, sie erwarten nachhaltige Unterstützung. Daher gibt es nur eine Chance, den Antrag so umzugestalten, dass er konsensfähig wird, nämlich ihn in allen Teilen entscheidend zu konkretisieren und mit Substanz anzureichern. Die SPD-Fraktion wird in den Ausschüssen gerne dazu beitragen.

Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Försterling für die FDP-Fraktion. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist unzweifelhaft, dass die Energiewende und der Vollzug der Energiewende große gesellschaftliche Herausforderungen sind. Einige Themen, die damit zusammenhängen, sind ja schon angesprochen worden, z. B. Offshorewindenergie, Erdverkabelung, neue Stromtrassen, neue Kohlekraftwerke, Gaskraftwerke, Kraftwerke zur Nutzung in Spitzenlastzeiten, aber auch die entscheidende Frage der dezentralen Energiegewinnung.

Alle diese Themen werden sicherlich vereinzelt schon in der Gesellschaft diskutiert; das hat Frau Korter zu Recht gesagt. Einige Bürgerinnen und Bürger gehen bereits sehr engagiert voran. Initiativen wie Bioenergiedörfer etc. zeigen, dass es den breiten Willen gibt, diese Energiewende zu vollziehen.

Ich glaube, dass es trotzdem sinnvoll sein kann, die Energiewende nachhaltig zu unterstützen, indem man Informationen und das Wissen darüber in der Bevölkerung breiter streut. Selbstverständlich kommt den Bildungseinrichtungen dabei eine ganz besondere Bedeutung zu. Deswegen ist es aus meiner Sicht folgerichtig, dass wir überprüfen, welche entsprechenden Instrumente und Inhalte es schon in Bildungseinrichtungen wie Schulen gibt und wie man sie insgesamt besser miteinander vernetzen kann, um die Gesellschaft nachhaltig positiv zu beeinflussen und weiterzuentwickeln.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger sagt dieser Antrag. Und ich verwahre mich gegen die Vorwürfe, CDU und FDP hätten in diesem Antrag deutlich gemacht, dass es eigentlich darum gehe, Schüler sozusagen eher gegen Erdverkabelung oder für Kohlekraftwerke zu indoktrinieren - das ist hier ja angeklungen. Das Gegenteil ist der Fall. Uns geht es wirklich darum, das Wissen der Bürgerinnen und Bürger, der kommenden Generationen breit aufzustellen, damit sie sich ihr eigenes Bild davon machen können, wie die Energiewende in den nächsten Jahren und auch Jahrzehnten vollzogen werden kann. Wenn wir diesen Antrag im Kultusausschuss gemeinschaftlich dahin gehend noch verbessern können, dann freue ich mich bereits heute auf die Beratungen im Kultusausschuss.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Beratung ist damit beendet.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll der Kultusausschuss und mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen sein. Spricht jemand dagegen, dass so verfahren wird? - Enthält sich jemand? - Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 30 und 31 vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Erste Beratung: Bergrecht reformieren - Umweltverträglichkeitsprüfung bei allen Maßnahmen „unter Tage“ - kein Fracking in Wasserschutzgebieten - keine Subventionen für Energiekonzerne - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3912

Erste Beratung: „Fracking“ - Sicherheit für Mensch und Umwelt geht vor! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/3967

Wir kommen zur Einbringung. Dazu hat sich zunächst der Kollege Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Sie haben das Wort, Kollege Wenzel.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der letzten Woche hielt es der Exxon-Konzern, einer der größten Konzerne der Welt, der u. a. zusammen mit Shell, einem weiteren großen Weltkonzern, Öl- und Gasförderung betreibt, und zwar auch in Niedersachsen, für notwendig, eine Anzeige zu schalten. Darin hieß es: „Die deutsche Erdgasförderung ist umweltverträglich!“ Wenn man weiter in den Text schaut, dann stellt man fest, dass Exxon erklärt, „in keinem Fall“ sei es „zu einer Beeinträchtigung des Trinkwassers gekommen“.

Das ist eine ganz bemerkenswerte Aussage; denn mittlerweile wissen wir ja, dass es in den Fällen in Hengstlage und Söhlingen zu Beeinträchtigungen des Grundwassers, des Bodens und auch der Atemluft gekommen ist. Offensichtlich streitet Exxon aber ab, dass es einen Zusammenhang mit der Frack-Bohrung gibt, die an diesen Stellen jeweils durchgeführt wurde. Aber, meine Damen und

Herren, es hat in beiden Fällen kein Beweissicherungsverfahren gegeben. Es ist auch nicht genau bekannt, welche Chemikalien damals in den Untergrund verbracht wurden. Wir stellen aber fest, dass in dem Lagerstättenwasser, das in Söhlingen erkanntermaßen in den Boden und in das Grundwasser eingedrungen ist, offenbar auch chemische Stoffe enthalten sind, die in Lagerstätten natürlicherweise nicht vorkommen. Das heißt: kein Beweissicherungsverfahren, kein eindeutiger Nachweis, aber die Behauptung von Exxon, im Trinkwasser sei nichts angekommen.

Meine Damen und Herren, das ist eine sehr spitzfindige Aussage, die hier von Exxon getroffen wird. Es geht aber noch weiter. In der Anzeige heißt es auch: „Richtig ist, dass aus den USA über Umweltbeeinträchtigungen berichtet wird.“ Frack-Verfahren selbst seien hierfür aber „nicht ursächlich gewesen“.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Die Ameri- kaner!)

Das war am 10. September dieses Jahres.

Am 3. August dieses Jahres gab es einen Artikel in der New York Times, in dem man das noch ganz anders lesen kann. Der Chief Executive Manager of ExxonMobil hat erklärt, dass es bei über einer Million Bohrungen in den USA nicht eine, nicht eine einzige Bohrung gegeben habe, wo Frischwasseraquifere betroffen gewesen seien. - Das heißt, hier ist noch viel deutlicher behauptet worden, dass so etwas nie passiert ist.

Wenn man in diesem Artikel der New York Times weiter liest, dann stellt man fest, dass die EPA, die amerikanische Umweltbehörde, sehr wohl festgestellt hat, dass in den USA schon 1987 Trinkwasservorkommen durch Fracking-Bohrungen beeinträchtigt wurden. Man stellt auch fest, dass die EPA damals den Verdacht hatte, dass es sich nicht nur um wenige, sondern um viele Fälle handelt. Exxon hatte aber damals versucht, über den Zugriff auf die Grundstücke genaue Nachweise zu verhindern. Jetzt räumt man in dieser Anzeige ein, dass es Probleme mit Blick auf Umweltbeeinträchtigungen gab, behauptet aber in demselben Atemzug, das habe nichts mit dem Frack-Verfahren zu tun.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Wo kommt es dann her?)

Die Ursache waren aber in den USA wie in Niedersachsen alte Bohrungen. Allein in Niedersachsen gibt es 15 000 alte Bohrungen, die in den letzten

100 Jahren im Rahmen von Erkundungen vorgenommen wurden. Und wenn man jetzt an der einen Stelle frackt, und an der anderen Stelle gibt es eine alte Bohrung, die vor 30, 50 oder 60 Jahren nicht ordentlich abgedichtet wurde, dann dringt das dort wieder nach oben und landet unter Umständen im Grund- bzw. Trinkwasser.

Das heißt, man muss vor einer solchen Maßnahme 150-prozentig sicher sein, dass alle alten Bohrungen bekannt und erfasst sind und damals 100-prozentig gegen Trinkwasservorräte abgedichtet wurden. Das muss natürlich untersucht werden. Man kann sich natürlich auf Exxon verlassen, aber, meine Damen und Herren, ich hätte dieses Vertrauen nicht.

Wenn wir aber Exxon beim Wort nehmen und die Behauptung, dass nie etwas passiert sei, glauben, dann stellt sich doch die Frage: Warum wehrt sich dieser Konzern gegen eine Umweltverträglichkeitsprüfung? - Wenn wirklich alles so harmlos wäre, wie Exxon behauptet, dann würden sie doch die Umweltverträglichkeitsprüfung mit Bravour bestehen und bräuchten keine Befürchtungen zu haben.

UVP-Recht ist seit 1990 Standard in Europa - nur eben nicht im Bergrecht. Im UVP-Verfahren wird ein sogenannter Scoping-Termin gemacht. Dann kommen die Träger öffentlicher Belange, die Wasserversorger, die Gemeinden, die Landkreise, an einem Tisch zusammen und können beispielsweise mitbestimmen, welche Gutachten erstellt werden müssen, welche unabhängigen Stellen die Gutachten erstellen, welches Beweissicherungsverfahren gewählt wird und welche Sicherung von Haftungsansprüchen vorzunehmen ist. Auch kann man dort sicherstellen, dass von vornherein z. B. Trinkwasservorkommen ausgeschlossen werden.

Dasselbe sollte man auch beim Kavernenbau machen. Dort haben wir ähnliche Entwicklungen. Auch dort ist es sinnvoll, UVP als Regelverfahren vorzusehen. Wir wollen, dass das Bergrecht ein Teil des Umweltrechts wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen den Anachronismus beenden, der hier herrscht. Ursprünglich war das einmal ein Arbeitsschutzgesetz.

Herr Kollege Wenzel - - -

Nein, ich möchte erst einmal zu Ende ausführen.

Heute ist es Grundlage für Rohstoffabbau, für Rohstoffförderung, für Abfallbeseitigung, für Atommülllagerung, für CCS-Speicher und Kavernenbau sowie für Geothermie. Das alles sind Fragen, die umweltpolitische Relevanz haben. Deshalb halte ich es für sinnvoll, die UVP hier als Regel anzuwenden.

(Glocke des Präsidenten)

In einem letzten Satz sage ich ganz deutlich: Wir halten es für absolut daneben, Weltkonzerne wie Shell und Exxon mit Mitteln aus unserem nicht gerade gut ausgestatteten Landeshaushalt zu fördern. Diese Konzerne haben genug Geld, um das selbst zu finanzieren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD und bei der LIN- KEN - Ralf Briese [GRÜNE]: Wo ist eigentlich der Umweltminister?)

Frau Twesten, Herr Kollege Wenzel hat die Wortmeldung nicht zugelassen. Er wollte zu Ende ausführen, und dann ist die Zeit vorbei gewesen. Das tut mir leid.

Frau Stief-Kreihe möchte den Antrag der SPDFraktion zum Tagesordnungspunkt 31 einbringen. Sie haben jetzt Gelegenheit dazu. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Wie gefährlich ist Fracking?“ lautete der Titel eines Artikels in der HAZ vom 13. August. Weiter heißt es:

„Lange haben die Umweltbehörden das Problem ignoriert. Große Erdgasfirmen suchen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eifrig nach möglichen Bohrplätzen für die sogenannte unkonventionelle Gasförderung mithilfe der umstrittenen Fracking-Methode, die in den USA zu erheblichen Umweltproblemen geführt hat. Nun warnt auch das Umweltbundesamt vor den Risiken dieser Bohrungen.“

So weit das Zitat. Ich komme noch darauf zurück.

Es freut mich, dass langsam, aber sicher die vielen offenen Fragen zu den Umweltrisiken der neuen Fördertechnik an Bedeutung gewinnen. Das ist ein

Ergebnis weltweiter Bürgerproteste und Mahnungen aus der Wissenschaft, die der niedersächsische Wirtschaftsminister allerdings vollkommen ignoriert, wie wir heute Morgen feststellen konnten.