Protocol of the Session on September 14, 2011

Zu dieser Petition ist dem Innenausschuss eine Stellungnahme des Innenministers zugeleitet worden. Ich habe mir, mit Verlaub, gestattet, diese Stellungnahme im Innenausschuss als perfide zu bezeichnen. Ich zitiere einmal einen Satz - verantwortlich ist übrigens Herr Schünemann -: Umfangreiche Aufnahmeaktionen helfen zwar den Menschen, die das Glück hatten, ausgesucht zu werden. Die anderen hingegen - und damit die überwiegende Mehrheit - bleiben zurück. - Das ist der Grund, warum man keinen Beitrag leisten will nach dem Motto „Dann helfen wir gar keinem; lassen wir sie doch alle da“.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Zynisch!)

Das ist eine merkwürdige Einstellung zum Begriff der Humanität.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren, ich erwarte, dass dieser Landtag seiner humanitären Pflicht nachkommt und dass wir die Landesregierung, wenn sie schon in der Innenministerkonferenz nicht handelt, auffordern, als Niedersachsen zu einem gerechten Anteil im Sinne von Resettlement beizutragen. Unsere Kommunen sind dazu bereit, nur dieses Landesparlament mit seiner Mehrheit nicht.

Herr Focke, ich habe es schon im Innenausschuss Ihrer Kollegin erwidert, als es hieß: Wir wollen ja irgendwann helfen; aber warten wir erst einmal ab. - Wie im Innenausschuss, zitiere ich auch hier Wilhelm den Schweiger: „Die Zeit zum Handeln jedes Mal verpassen nennt ihr: die Dinge sich entwickeln lassen.“

(Lebhafter Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Oetjen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind alle froh über den Prozess, der in der arabischen Welt und in Nordafrika eingesetzt hat, dass sich Menschen in ihren Heimatländern für Demokratie und für Menschenrechte einsetzen und aktiv dafür streiten.

Wir sind heute auch bei der Demonstration der Syrer gewesen, die am Wirtschaftsministerium schon so lange ausgehalten, um deutlich zu machen, dass wir an ihrer Seite stehen, wenn sie friedlich dafür kämpfen, dass in ihrem Land Menschenrechte und Demokratie eingeführt werden.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wissen natürlich auch, dass wir gerade an den Grenzen zu Libyen - das hat die Kollegin Polat ganz zum Schluss ihrer Rede dann noch einmal eingebracht - Probleme mit Menschen haben, die eben nicht aus Libyen kommen und dort auch als Flüchtlinge anerkannt sind. Ich glaube schon, dass wir auch eine Lösung für diese Menschen finden müssen.

Herr Kollege Bachmann, es ist nicht so, wie Sie es hier suggerieren, dass diese Seite des Hauses überhaupt nicht bereit ist, sich dieser Menschen anzunehmen und sie hier aufzunehmen. Ganz im Gegenteil! Wir haben auch in den Ausschussberatungen immer ganz klar gesagt: Wenn es eine europäische Lösung gibt, dann verschließt sich Niedersachsen als Letztes dagegen, diese Menschen aufzunehmen. - Das ist die Wahrheit. Bei dieser Wahrheit sollten Sie auch bleiben, Herr Kollege.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Kreszentia Flauger [LINKE]: Dann tun Sie doch Ihren Teil! - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Kann es denn wahr sein?)

Im Übrigen gibt es auch Länder in der Europäischen Union, die sich entschieden haben, solche anerkannten Flüchtlinge auch aufzunehmen, bevor es eine einheitliche europäische Lösung gibt. Ich möchte das ausdrücklich loben.

Ich sage hier auch - das habe ich in der ersten Plenardebatte schon gesagt -: Ich hätte mir vorstellen können, dass auch die Bundesrepublik Deutschland einen solchen Weg geht. - Dieser

Weg ist aber nicht gegangen worden, sondern es ist gesagt worden, dass wir uns im Rahmen einer europäischen Lösung dort einbringen.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Eine ho- he Abwartetendenz!)

Ich sage hier aber auch sehr deutlich: Gerade für diese Flüchtlinge brauchen wir tatsächlich eine Lösung. Ein Zurück nach Libyen kann es für diese Menschen nämlich nicht geben; denn sie werden dort als Feinde angesehen. Es gibt auch keinen Weg zurück in ihre Heimatländer; denn dort herrschen Bürgerkrieg und Verfolgung. Insofern sind diese Menschen auf Solidarität angewiesen.

Ich meine auch, dass wir gerade für diese Flüchtlinge aus Eritrea, aus Somalia und aus dem Sudan, die hier schon genannt worden sind, eine positive europäische Lösung finden werden, an der sich Niedersachsen dann auch mit Freude beteiligt.

Herr Kollege Oetjen, gestatten Sie eine Zwischenfrage? - Nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es gibt den Wunsch auf eine Kurzintervention. Frau Polat, bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident. - Lieber Herr Kollege Oetjen, mich irritiert das schon. Sie widersprechen sich, wenn Sie sagen, es solle für das Resettlement ein EU-Programm geben, an dem sich die Mitgliedstaaten beteiligen können. Die zuständige Kommissarin hat insbesondere Frankreich und Deutschland aufgerufen, auch solch ein Resettlement-Programm aufzulegen.

Im Innenausschuss wurde deutlich gesagt - sowohl vom Innenministerium als auch noch einmal in der Stellungnahme -, dass sich die Bundesrepublik nicht beteiligen möchte.

Es gibt also eine europäische Regelung; nur Deutschland möchte sich daran nicht beteiligen. Sie sagen, Sie würden sich wünschen, dass es eine solche Regelung als europäische Lösung gibt. Die gibt es. Sie wollen sich aber nicht daran betei

ligen. Heißt das, dass Sie jetzt diesem Antrag zustimmen, damit wir ein Signal an die Bundesregierung senden können?

Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, Herr Oetjen möchte nicht erwidern.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Was? Er hätte das ja einmal aufklären können!)

Dann liegt mir noch die Wortmeldung des Herrn Innenministers vor. Herr Schünemann, bitte!

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das macht jetzt Herr Schünemann!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mehrfach zu Recht darauf hingewiesen worden, dass wir sehr froh sein können, dass es in Nordafrika eine Demokratiebewegung gibt - die allerdings längst nicht abgeschlossen ist. Wir können nur hoffen, dass sich die Lage so stabilisiert, wie sich das zumindest in Teilen jetzt abzeichnet. Dort ist aber auch eine große Unterstützung aus der Europäischen Union und natürlich auch von uns gefordert.

Mich stört ein bisschen, dass hier alles etwas durcheinandergewürfelt wird, was nicht zusammengehört. Einmal ist das der sogenannte - in Anführungsstrichen; das muss ich wirklich sagen - „Flüchtlingsstrom“ Richtung Italien - Lampedusa -, Malta und anderen. Hier handelt es sich nur zu einem sehr geringen Teil tatsächlich um Bürgerkriegsflüchtlinge, die dann auch z. B. in Italien anerkannt werden und die dann auch bleiben können. Aber zu einem großen Teil handelt es sich um diejenigen, die Schlepperbanden 1 000 oder 1 500 Euro zahlen müssen, um überhaupt auf den Weg gebracht zu werden.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Men- schen sind aber auch sie!)

- Ja. Genau weil sie Menschen sind, macht es mich nachdenklich, dass man pauschal sagt: Diese Bewegung müssen wir insofern unterstützen, als alle, die irgendwo ankommen, sofort in der Europäischen Union bleiben sollen. - Das hätte fatale Folgen, weil damit auch ein Weg aufgezeigt würde, der in Nordafrika kommuniziert würde, dass das eine Chance sei, das Leben vielleicht hier zu verbessern. Das verstehe ich menschlich, liegt aber

nicht im Interesse insbesondere Nordafrikas. Denn für die Demokratiebewegung dort kommt es darauf an, dass nicht gerade diejenigen, die leistungsstark sind, die 1 000 oder 1 500 Euro irgendwie aufbringen können, das Land verlassen und diejenigen, die sozial noch schwächer sind, überhaupt keine Chance haben.

Wir müssen alles daransetzen, die Schlepperbanden mit Frontex u. a. zu bekämpfen, um genau dies zu verhindern. Der Ansatz der Europäischen Union muss sein, diejenigen, die in Nordafrika sind, zu unterstützen und die Demokratiebewegung aufzubauen. Das ist, glaube ich, in diesem Zusammenhang der richtigere Weg. Das betrifft Lampedusa und auch Malta.

Trotzdem ist klar, dass Malta angesichts seiner Größe in einer schwierigen Situation ist. Deshalb haben wir hier sofort reagiert. Über die Größenordnung kann man diskutieren. Aber das ist meiner Ansicht nach auf jeden Fall richtig und sinnvoll gewesen.

Den zweiten Punkt muss man unabhängig davon diskutieren. Was die etwa 8 000 bis 10 000 Menschen betrifft, die gerade aus Libyen und anderen Ländern geflohen sind, hat der UNHCR dargestellt, dass sie schutzbedürftig sind. Nachdem Libyen eine Verbesserung erreicht hat, wird jetzt zu untersuchen sein, ob sie nicht auf Dauer zurückkehren können. Das wird im Moment geprüft. Ist das nicht der Fall, dann werden wir uns auf europäischer Ebene sehr zeitnah - in der nächsten Woche ist wieder JI-Rat - damit beschäftigen, wie wir hier unterstützen können, ob es der bessere Weg ist, eine humanitäre Lösung vor Ort in Afrika zu schaffen, oder ob es der richtige Weg ist, zumindest einen Teil nach Europa zu übernehmen. Der Bundesinnenminister verfolgt hier genau den gleichen Weg wie im Falle Maltas, und das kann ich nur unterstützen. Wir sagen: Es ist sinnvoll, dass wir auf freiwilliger Basis Kontingente anbieten.

Frau Polat hat hier davon gesprochen, dass sich Belgien und andere Länder am ResettlementProgramm beteiligt haben. Bei Belgien handelt es sich um 50 bis 60 Personen. Wir haben immerhin schon 250 Menschen von Malta übernommen. Der Bundesinnenminister hat auch klar signalisiert, dass er sich einer Lösung für die 8 000 bis 10 000 Menschen überhaupt nicht verschließt. Da hat er die Unterstützung der Bundesländer. Wir haben in der Innenministerkonferenz darüber gesprochen, und es ist völlig klar, dass wir uns beim JI-Rat, an

dem ich als Vertreter der Länder teilnehmen kann, einer solchen Hilfestellung nicht entziehen werden.

Ich fasse zusammen: Denjenigen, die sich als Wirtschaftsflüchtlinge auf den Weg machen, mithilfe von Schleuserkriminalität hierher kommen und sich dabei in Lebensgefahr begeben, muss man klar sagen, dass das der falsche Weg ist. Wir müssen alles daransetzen, die Schleuser dingfest zu machen und vor allen Dingen vor Ort eine bessere humanitäre Lösung zu finden. Das ist ein wichtiger Punkt.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Bundesrepublik Deutschland muss schauen, ob sie einen Teil derjenigen übernehmen kann, die in den Flüchtlingslagern sind, die schutzbedürftig sind, die keine Chance haben, wieder integriert zu werden. Dem werden wir uns nicht verschließen.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Das ist eine technokratische Lösung, keine humanitäre!)

Das ist eine vernünftige, humanitäre Lösung vor Ort und keine Symbolpolitik, wie Sie sie machen wollen. Sie sollten das lieber differenzierter sehen und nicht so darstellen, als wenn der rechte Teil des Hauses inhuman wäre und Sie die einzig Humanen wären. Manchmal kann Hilfe vor Ort sogar humaner sein, als nur zu sagen „Kommt einfach in die Bundesrepublik Deutschland“.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen jetzt zu zwei Abstimmungen.

Wir stimmen zunächst über die Nr. 1 der Beschlussempfehlung ab. Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/3517 ablehnen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Beschlussempfehlung wurde gefolgt.