Protocol of the Session on July 1, 2011

(Gabriela König [FDP]: 380 000!)

- Nach „Tourismus: Daten und Fakten 2010“ sind es 340 000. Frau König, vielleicht haben Sie 40 000 erfunden.

(Gabriela König [FDP]: Nein!)

Hier steht es jedenfalls so drin.

Gerade weil das von so zentraler Bedeutung ist, ist das, was der DGB unter den Begriff „gute Arbeit“ gefasst hat, besonders wichtig, nämlich dass man von seiner Arbeit leben können muss. Insofern brauchen wir dort den Mindestlohn. Man könnte sogar sagen: Kaum eine Branche braucht den gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro so nötig wie die Tourismusbranche in Niedersachsen. Dort müssen vernünftige Arbeitsverhältnisse vielfach erst noch geschaffen werden.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Zweitens muss auf einen historischen Längsschnitt hingewiesen werden. Wenn Sie sich ein bisschen damit beschäftigt haben, dann wissen Sie:

Im 19. Jahrhundert machte ungefähr ein Drittel der Leute Urlaub, häufig sogar weniger. Nur ein Drittel der Leute waren also in irgendeinem Sinne Touristen. Zwei Drittel machten überhaupt nie Urlaub und waren nie touristisch außerhalb ihrer Städte und Dörfer unterwegs.

Zum 20. Jahrhundert gehört die Errungenschaft, dass praktisch alle Urlaub außerhalb ihrer eigenen Städte und Dörfer machen konnten.

Wenn man sich die Entwicklung der ersten Jahre des 21. Jahrhunderts ansieht, dann stellt man fest: Die Situation droht sich so zu entwickeln, dass zwar zwei Drittel immer noch Urlaub machen, aber ein wachsender Teil - bald ein Drittel - keinen Urlaub außerhalb der eigenen Städte und Dörfer mehr macht. Das betrifft vielfach z. B. die Kinder von Hartz-IV-Empfängern, Geringverdienern, Teil

zeitkräften und befristet Beschäftigten. Das ist eine Entwicklung, die man stoppen muss.

Nach unserer Ansicht hat jeder, vor allen Dingen jedes Kind, ein Recht auf Urlaub, übrigens auch auf Gesundheitstourismus. Das ist der Bereich, der am stärksten eine Tourismusbranche für den größeren Geldbeutel zu werden droht. Das ist zu verhindern.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das kann man übrigens dadurch ermöglichen, dass man obligatorische Klassenfahrten an die Nordsee oder in den Harz macht oder Sozialpassmaßnahmen für regionale Urlaube einführt.

Zu den Anträgen werden wir uns in den Ausschüssen ausführlich äußern.

Zu dem CDU-Antrag ist nicht allzu viel zu sagen, weil er relativ substanzlos ist. Im Kern fordert er von der Landesregierung, dass sie arbeitet, wie es vorgeschrieben ist. Ihr Forderungskatalog ist im Grunde der Aufgabenkatalog des Ministeriums in diesem Bereich. Das ist ziemlich erbärmlich.

Abschließend möchte ich ganz kurz zum SPDAntrag Stellung nehmen. Er ist zwar gut. Wir müssen aber - auch unter dem Gesichtspunkt der Parlamentarismus- oder Politikverdrossenheit - aufpassen, dass wir hier nicht schöne Anträge mit hehren Bekundungen zum Kulturtourismus beschließen, während auf der anderen Seite die SPD-geführte Region Hannover Kulturmittel für das Theater für Niedersachsen kürzt und die CDU das noch intensiver im gesamten Bereich Hildesheim macht. Das passt dann nicht zusammen. Das Entscheidende - das ist gesagt worden - ist die Frage der Finanzierung von Kultur auf kommunaler Ebene. Daran hängt dann auch die ganze Frage des Kulturtourismus.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die FDP-Fraktion spricht Frau König. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Tourismus in Niedersachsen schreibt eine echte Erfolgsgeschichte. Selbst die Krise hat daran nichts geändert. Immer wieder stellen wir fest, dass trotz stetig steigender Zahlen weiterhin Entwicklungspotenziale vorhanden sind und genutzt

werden. Ein ganz herzlicher Dank und unsere große Wertschätzung gehen hier an Frau Ruh von der TMN und an Frau Pürschel, die ausgezeichnete Arbeit geleistet haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das wurde ihnen auch vom Sparkassen-Tourismusbarometer, von Finanz- und Wirtschaftsfachleuten bestätigt. Ich glaube, das ist eine ganz große Wertschätzung gewesen.

Unsere gute Position verstärkt und verstetigt sich also. Das bringt nicht nur einen großen Imagegewinn mit sich, sondern auch ein großes Wirtschaftswachstum. Das entwickeln wir mit unserem Antrag nochmals weiter.

Ein besonders wichtiger Zweig, den wir hier aufnehmen, ist der Gesundheitstourismus, und zwar gerade, aber nicht nur wegen des demografischen Wandels. Insgesamt ist es wichtig, auf die Gesundheit zu achten, und das so früh wie möglich. Alle Menschen wollen bis ins hohe Alter fit bleiben. Dazu bedarf es einer frühen Vorsorge. Das Bewusstsein hierfür zu stärken, ist neben den vermehrten und verbesserten Angeboten eine der Aufgaben, der wir uns stellen wollen.

Gesundheit zu genießen und in Erholung einzubringen, bedeutet erhöhte Lebensqualität. Gerade junge Familien mit einer großen Doppelbelastung spielen hier eine wichtige Rolle. Viele äußerst geforderte Berufsgruppen stehen vor einem Burn-outSyndrom. Und viele jung gebliebene Alte wollen neben Erholung und Erlebnis auch gesundheitlich etwas für sich tun.

In unseren fünf Punkten haben wir von Anregungen über Schulungen, Kooperationen, Qualifikationen bis hin zur Qualitätssicherung und Werbung vieles angeführt, um einen weiteren Anreiz zu bieten und um dieser wichtigen Sparte noch mehr zum Erfolg zu verhelfen. Dabei wollen wir nicht verschweigen, dass wir auch in der Vergangenheit bereits erfolgreich daran gearbeitet haben.

Der Kultustourismus ist unbestritten eine wichtige Ergänzung unserer Tourismuslandschaft. Aber er wurde schon immer von uns unterstützt. Dies lässt sich deutlich an den Mitteln ablesen, die in diese Sparte investiert worden sind. Sie aber versuchen immer wieder, das zu unterschlagen.

Von den 20 Projekten greife ich beispielhaft drei Projekte heraus. 2007 gab es einen Zuschuss von über 2 Millionen Euro für die Errichtung eines Besucherzentrums „Varusschlacht“. 2009 gab es für

das Projekt in Duderstadt „Erlebnisstation einer mittelalterlichen Stadt“ über 2 Millionen Euro. In diesem Jahr steht ein Zuschuss von über 1,5 Millionen Euro für den Ausbau des Schlosses Evenburg als Zentrum für historische Gartenkultur fest. Ich weiß nicht, warum Sie das immer wieder schlechtreden. Wir sind längst dran, und wir tun eine ganze Menge. In den letzten Jahren sind bereits 21,6 Millionen Euro in Kultureinrichtungen, die mit dem Tourismus verbunden sind, hineingeflossen. Warum erwähnen Sie das nie?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Tourismus und Kultur sind seit jeher eine Einheit und ergänzen sich besonders gut bei Städtereisen, aber auch bei Veranstaltungen in den Ferienorten. Dies weiter auszubauen, sehe ich als richtig und wichtig an, ist aber schon immer in unserer Planung enthalten gewesen und wird auch immer weiter in unserem Fokus bleiben.

Gesundheitstourismus ist somit einer der etwas größeren und etwas spektakuläreren Dinge, die wir noch wesentlich stärker ausbauen müssen und für die wir uns jetzt besonders stark machen müssen. Denn, wie gesagt, der demografische Wandel und der Aspekt der Belastung junger Familien und junger Arbeitnehmer werden von uns gesehen und liegen uns besonders am Herzen. Darauf müssen wir einen ganz besonderen Fokus richten. Das ist die Ausrichtung unseres Antrages für die Zukunft, um diesen Bereich noch zu verbessern. Das werden wir im Ausschuss entsprechend beraten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der nächste Beitrag kommt von Herrn Hagenah für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sie haben das Wort, Herr Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Tourismus ist es eine komische Sache bei CDU und FDP. Irgendwie wollen Sie immer Sachen beschließen, von denen Ihnen vorher die Landesregierung gesagt hat, dass sie sie schon macht. Neues von Ihrer Seite kommt jedenfalls nicht über Ihre Anträge hier in das Parlament.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erinnere Sie, Frau König, an Ihren eigenen Beschlussvorschlag vom Februar - so nichtssagend, aber doch so allgemein -, die enge Zusammenarbeit mit den Tourismusverbänden und den

Tourismusdienstleistern auf den Gebieten von Gesundheitstourismus, Sport, Wellness und Gesundheitswirtschaft weiterhin zu unterstützen. Das haben Sie gerade im Februar beschlossen. Im Mai hat die Landesregierung auf eine Anfrage von Ihnen dargestellt, was sie alles schon macht.

Ich muss Sie wirklich fragen: Was stellen Sie in Ihrem Antrag - so allgemein, wie er gehalten ist - an tatsächlich Neuem vor, was diese Landesregierung nicht schon dargestellt hat, dass sie es längst tut? - Entweder trauen Sie Ihrer Landesregierung nicht, dass sie das, was sie Ihnen schreibt, wirklich macht, oder Sie wollen, weil demnächst Kommunalwahl ist, mit einem frischen Antrag durch die Lande ziehen und den vielen Touristikern zeigen, die ein wichtiger Wirtschaftsbereich sind, dass Sie auch an sie denken. Mehr kann ich als Motiv in Ihrem Antrag wirklich nicht wiederfinden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Beim Antrag der SPD-Fraktion verhält es sich ein Stück weit anders. Wir haben zwar schon Diskussionen über Tourismus und Kultur geführt. Der SPD-Antrag enthält aber ein paar neue Aspekte. Daran sollten Sie sich vielleicht ein Beispiel nehmen. Denn wir müssen inzwischen erleben, Frau König, dass im touristischen Bereich regionale Strukturen wegbrechen, weil sich Kommunen diesen Bereich einfach nicht mehr leisten können.

Ein Beispiel: Den großen Domfestspiele in Bad Gandersheim droht wegen der engen finanziellen Situation der Kommune das Aus.

(Zuruf von Christian Grascha [FDP])

Weil Sie immer noch darauf beharren, dass Kultur für unsere Kommunen eine freiwillige Leistung ist, ist dieser Zuschussbereich für die mit knappem Geld ausgestatteten Kommunen überhaupt nicht mehr darstellbar.

(Zuruf von Gabriela König [FDP])

Der Kulturtourismus fällt eben durch den Rost, wenn die regionalen Strukturen durch Ihre Haushaltspolitik - also durch das Austrocknen der kommunalen Ebene - in schwieriges Wasser kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es wäre für die ganze Region ein wirklich großer Verlust, wenn Bad Gandersheim seine Domfestspiele nicht mehr durchführen könnte. Da gibt der Antrag der SPD-Fraktion für uns Ansatzpunkte. Sie sollten vielleicht einmal schauen, was die Enque

tekommission auf Bundesebene dazu beraten hat. Sie gibt Ihnen Empfehlungen, was nötig ist - auch im Kulturbereich, der im SPD-Antrag erwähnt wird -, nämlich über den Tellerrand hinauszugucken und nicht nur zu meinen, die kleinen Projekte vor Ort über die Landschaften fördern zu müssen, sondern mit dem goldenen Zügel regionale Verbünde herzustellen. Nur dann, wenn Kultur und Tourismus mit regionalen Elementen verbunden werden, ist es nachhaltig und wird über die lokale Situation hinaus regional und darüber hinaus bemerkt. Nur dann ist Kulturtourismus nachhaltig und für unser Land sinnvoll und nützlich.