Protocol of the Session on May 27, 2011

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmt und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/3409 ablehnt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.

Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf:

Besprechung: Frühkindliche Bildung in Niedersachsen: Ankündigungen der Landesregierung - Wo bleiben die Taten? - Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/3160 - Antwort der Landesregierung - Drs. 16/3606

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Große Anfrage vorgelegt hat, hat sich Frau Korter zu Wort gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den Anfang kommt es an. Darüber herrscht heute breiter Konsens. Bereits vor der Schule, in der Kindertagesstätte, soll die Grundlage für das lebenslange Lernen gelegt werden, und hier muss deshalb ganz besonders investiert werden.

„Nie wieder sind die Kinder so neugierig und aufnahmefähig wie im Kindergartenalter. Wir werden deshalb den Bildungsauftrag des Kindergartens nachhaltig stärken.“

Das schrieb die CDU 2003 in ihr Wahlprogramm.

Auch im Wahlprogramm 2008 findet sich:

„Wir werden die frühkindliche Bildung durch pädagogische Förderung im Kindergarten unterstützen.“

Schöne Worte, meine Damen und Herren! Die Realität sieht anders aus.

Laut Niedersachsen-Monitor ist die Geburtenrate seit 2004 um 11,6 % zurückgegangen. Das ist bundesweit der höchste Rückgang. Bei einer zugleich überdurchschnittlichen Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit stellt sich die Frage, welche Rolle bei dem starken Geburtenrückgang wohl die schlechte Betreuungssituation spielt.

Wenn wir uns die Antworten der Landesregierung auf unsere Große Anfrage zur frühkindlichen Bildung ansehen, müssen wir feststellen: Niedersachsen gehört bei der Elementarbildung unverändert zu den Schlusslichtern in Deutschland. Den schönen Worten sind leider kaum Taten gefolgt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Hel- ge Limburg [GRÜNE]: Traurig ist das!)

Meine Damen und Herren, von der schwarz-gelben Landesregierung werden die Kurzen in Niedersachsen noch immer viel zu kurz gehalten.

Sehen wir uns einmal die Ausgaben an! Kein anderes Bundesland gibt weniger Geld für die frühkindliche Bildung aus als Niedersachsen. Das gilt, wenn man sich den absoluten Betrag ansieht, der pro Kind für die frühkindliche Bildung ausgegeben wird, und das gilt ebenso für den prozentualen Anteil der Ausgaben für die Elementarbildung an den Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte.

Niedersachsen ist gemeinsam mit Schleswig-Holstein absolutes Schlusslicht in Deutschland. Von einer Priorität der frühkindlichen Bildung kann in unserem Bundesland wahrlich nicht die Rede sein.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Da ist es kein Wunder, dass Niedersachsen mit seinem Kindertagesstättenangebot sowohl quantitativ als auch qualitativ ziemlich schlecht dasteht.

Betrachten wir das Platzangebot! Niedersachsen gehört seit Langem zu den Schlusslichtern bei den Kita-Plätzen. Von 2003 bis heute ist unser Land bei den Drei- bis Sechsjährigen sogar vom sechstletzten wieder auf den viertletzten Platz zurückgefallen. Bei den unter Dreijährigen liegen wir auf dem drittletzten Platz. Schlechter waren zum letzten Stichtag 2010 nur das schwarz-gelb regierte Schleswig-Holstein und das damals noch schwarz-gelb regierte Nordrhein-Westfalen.

Noch schlechter, meine Damen und Herren, sieht es aus, wenn man die Ganztagsangebote in den Kindertagesstätten betrachtet. Hier liegt Niedersachsen mit einer Quote von 21 % Ganztagsplätzen bei den unter Dreijährigen und sogar nur mit 16,2 % bei den Drei- bis Sechsjährigen auf dem vorletzten Platz. Die Ganztagsquote ist in Niedersachsen gerade mal halb so hoch wie im Bundesdurchschnitt. So, meine Damen und Herren, kann man keine Vereinbarkeit von Kindern und Beruf ermöglichen.

Schon heute zeichnet sich ab, dass Niedersachsen bis 2013 nicht genügend Plätze geschaffen haben wird, um den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz erfüllen zu können. Das bestätigt auch die aktuelle Studie der Bundesregierung zur föderalen Finanzierung des Kinderbetreuungsausbaus. Dafür müsste das Land Niedersachsen den Ausbau noch drastisch beschleunigen.

Betrachten wir die Gruppengröße und die Personalausstattung in den Kindertagesstätten! Meine Damen und Herren, es reicht nicht, nur eine ausreichende Zahl von Kindertagesplätzen zu schaffen. Vielmehr kommt es auch auf die Qualität an.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Grundlage der Qualität ist die Ausstattung, und die ist in Niedersachsen leider nach wie vor äußerst unbefriedigend. Man muss sich das einmal überlegen: Schon bei den Beratungen zum Kindertagesstättengesetz 1992 waren sich alle Fraktionen im Landtag einig, dass als Ziel eine Gruppengröße von maximal 20 Kindern anzustreben sei. Nur vorübergehend hat man sich damals auf eine Gruppengröße von 25 Kindern geeinigt.

(Astrid Vockert [CDU]: Unter Rot- Grün! - Gegenruf von Christian Meyer [GRÜNE]: Und ihr habt das nicht um- gesetzt!)

Bis heute, 20 Jahre später, wurde dieser Personalschlüssel kein bisschen verändert.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Traurig ist das!)

Auch bei der Qualifikation der Erzieherinnen hat sich so gut wie nichts getan. Noch immer sind Mitarbeiterinnen mit Fachhochschulabschluss die große Ausnahme. Verbindliche, bundesweit abgestimmte Richtlinien für die Fachhochschulausbildung? - Fehlanzeige!

Noch immer ist der an sich im Kita-Gesetz vorgesehene Anteil der ausgebildeten Erzieherinnen gegenüber den Zweitkräften kaum gestiegen. In Zukunft ist sogar zu befürchten, dass Niedersachsen gar nicht genug voll ausgebildete Erzieherinnen zur Verfügung stellen kann, weil die Landesregierung zu wenig tut, um für ausreichende Ausbildungskapazitäten zu sorgen.

(Astrid Vockert [CDU]: Falsch! - Ge- genruf von Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Wir haben gerade erlebt, dass unser Antrag hierzu im Ausschuss ohne jede großartige Beratung einfach abgelehnt wurde.

(Zurufe von der CDU: Das war richtig! - Weitere Zurufe von der CDU - Ge- genruf von Helge Limburg [GRÜNE]: Jetzt hört einmal ein bisschen zu! Ihr könnt noch etwas lernen! )

- Ihr habt doch noch Redezeit!

Wie sieht es bei der Qualitätsentwicklung aus?

(Unruhe bei der CDU - Helge Limburg [GRÜNE]: Zuhören, Herr Klare!)

- Kollege Klare, Sie haben gleich noch Redezeit.

Es gibt zwar einen von den Trägerverbänden erarbeiteten Orientierungsplan für die Arbeit in den Kindertagesstätten. Aber bis heute ist dieser Plan nicht verbindlich, und die Landesregierung hat viel zu wenig getan, um die Kindertagesstätten bei der Umsetzung dieses sehr guten Orientierungsplans zu unterstützen. Was nützt der beste Orientierungsplan, wenn er vor Ort gar nicht bekannt ist?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man höre und staune: 15 % der Kindertagesstätten fühlten sich laut einer Begleitstudie der Universität Trier zur Umsetzung des Orientierungsplans nicht einmal ausreichend über diesen informiert. Hinsichtlich der Umsetzung fordert die Begleitstudie deutlich mehr Fortbildungen und weist auf das Problem hin, dass die Erzieherinnen in den zu großen Gruppen zu wenig Zeit für die Kinder haben. Konsequenzen der Landesregierung daraus? - Keine! Instrumente zur externen Qualitätssicherung wie z. B. die Schulinspektion für die Schulen, an der Sie auch schon wieder herumbasteln, gibt es für die Kindertagesstätten überhaupt nicht.

Nächster Bereich: Wie ist die Situation für Kinder mit Migrationshintergrund? - Auch das hat uns interessiert. Die Landesregierung wird nicht müde, zu betonen, wie wichtig die Sprachförderung gerade für die Integration der Kinder mit Migrationshintergrund ist - nicht nur für diese Kinder, möchte ich betonen, auch für viele andere.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Aber gerade weil die Sprachförderung so wichtig ist, ist es überhaupt nicht nachzuvollziehen, dass die Mittel dafür seit Jahren auf niedrigem Niveau geblieben sind, obwohl die Zahl der Kinder, die Unterstützung brauchen, in den Kindertagesstätten deutlich gestiegen ist. Eine wissenschaftliche Evaluation der Erfolge der Sprachfördermaßnahmen hat es offensichtlich überhaupt nicht gegeben, lediglich eine Moderatorenbefragung 2005.

Wie sieht es mit der Lage der Kinder mit Behinderung in den Kindertagesstätten aus, wie mit der Inklusion? Vor zwei Jahren ist die UN-Behindertenrechtskonvention in Kraft getreten. Die Verpflichtung, Kindern mit besonderem Unterstützungsbedarf ungehinderten Zugang zu einem inklusiven Bildungssystem zu verschaffen, gilt natür

lich auch für den Bereich der Elementarbildung, für Krippen und Kindertagesstätten, für Kindergärten und alles, was wir in diesem Bereich haben.

In Niedersachsen aber - das muss man sich einmal ansehen - besucht noch immer die Mehrheit der Kinder mit Behinderung, nämlich 57 %, im Elementarbereich eine Sondereinrichtung. Es ist mehr als ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren, es ist eine Missachtung der UN-Konvention,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

dass die Landesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage keinerlei Angaben dazu macht, bis wann alle Kinder, zumindest wenn ihre Eltern es wünschen, wohnortnah mindestens eine integrative Kindertagesstätte besuchen können.

Lassen Sie mich noch ganz kurz etwas zum Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung, zum nifbe, sagen. Obwohl die Landesregierung immer gern auf die Aktivitäten des nifbe verweist und Frau Vockert das sicherlich gleich breit ausführen wird, gibt es noch keine Aussage zur weiteren Finanzierung. So ist unabhängige Forschung nicht möglich.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen: Es ist wohl unstrittig, dass gute Kindertagesstätten die Bildungschancen aller Kinder nachhaltig verbessern, weil sie ganz unten ansetzen. Gute Kindertagesstätten bringen auch volkswirtschaftlich schon kurzfristig deutlichen Gewinn. Sie ermöglichen die Erwerbstätigkeit beider Eltern und führen so zu Mehreinnahmen des Staates. Deshalb ist es einfach kurzsichtig, gerade bei den Kindertagesstätten zu sparen.