Protocol of the Session on May 25, 2011

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorgesehen, sodass wir gleich zur Beratung kommen können. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Frau Kollegin Polat zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau von Below-Neufeldt, die FDP scheint kein Interesse an diesem Thema zu haben. Ihre Fraktionskollegen haben Sie ganz allein gelassen.

Seit 1979 existiert in unserem 1946 gegründeten Land Niedersachsen ein Denkmalschutzgesetz und damit, Frau Ministerin, eine umfassende einheitliche Rechtsgrundlage für die Denkmalpflege. Die Erhaltung niedersächsischer Kulturdenkmale als Zeugnisse unserer Geschichte war und ist seit diesem Jahr für das ganze Land rechtsverbindlich. Meine Damen und Herren, Sie wissen, warum ich das betone. Diese rechtliche Verpflichtung gilt natürlich auch für dieses Hohe Haus. Landesregierung und Parlament sind für mehr als 500 Baudenkmale im Landesbesitz verantwortlich. In einem davon - ich hoffe, das bleibt auch so - halte ich gerade diese Rede.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie Sie wissen, liegt mir unser kulturelles Erbe besonders am Herzen, was sicherlich mit meinen Wurzeln zu tun hat. Deshalb habe ich gemeinsam mit meiner Fraktion ein eigenes grünes Denkmalschutzgesetz eingebracht. Dieses Gesetz hat den Anspruch, bürgerinnenfreundlich und modern zu sein. Frau Ministerin - der Herr Ministerpräsident ist leider nicht anwesend -, Sie haben Ihr Gesetz unter genau dieses Motto gestellt, mussten aber in der Verbandsanhörung sehr schnell feststellen, dass Ihr Gesetz das genaue Gegenteil ist.

(Jörg Hillmer [CDU]: Wo waren Sie denn?)

Die Regierungsfraktionen schienen völlig überrascht von der geballten Kritik fast aller Verbände mit Ausnahme von Herrn Horst von Haus & Grund. Den, der ihn kennt, überrascht das nicht. Lieber Herr Kollege Hillmer, Sie haben immer wieder irritiert die Landesregierung gebeten, zu den Kritikpunkten Stellung zu nehmen. Sie konnten das nämlich nicht. Die Grundbesitzer forderten sogar, die Landesregierung möge ihren Entwurf zurückziehen. Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin Herrn von Klencke zitieren, der es auf den Punkt gebracht hat. Die vom MWK entworfene Gesetzesnovelle weise handwerkliche Fehler auf, die in einzelnen Paragrafen ziel- und sinnentstellend wirkten. Sie sei unausgegoren, weil sie die nachhaltig negativ wirkenden Folgen vieler neuer eingefügter Bestimmungen übersehe, weil sie rechtlich zweifelhafte Neuerungen einführe und weil sie die Balance der bisher geübten Kooperation zwischen privater Denkmalpflege und aufsichtführender, unterstützender behördlicher Denkmalpflege massiv zugunsten unverhältnismäßiger und weitgehender staatlicher Kontrolle und Überwachung verschiebe. Am Ende bittet der Verband, der wahr

lich nicht zu unserer Klientel gehört, den Entwurf zurückzuziehen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Hört, hört!)

Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz hatte bis 2004 Vorbildcharakter, bis diese Landesregierung im Rahmen der Verwaltungsmodernisierung zur erstmaligen Novellierung dieses Gesetzes ansetzte und mit dem niedersächsischen Denkmalschutz leider Tabula rasa machte. Ein prominentes Ergebnis war und ist der noch heute stark kritisierte Genehmigungsvorbehalt für öffentliche Gebäude im Besitz des Landes. Sie wissen, der Landtagsabriss lässt grüßen.

Wesentliche Fehler haben Sie mit dieser kleinen Novelle also nicht korrigiert. Im Gegenteil. Mit dieser Novelle versuchen Sie zwar, mit uns gleichzuziehen, und nehmen die notwendigen Anpassungen an internationale Konventionen vor. Aber zu Recht fragte Herr Professor Dr. Küster die Frau Ministerin am vergangenen Wochenende beim Niedersachsentag, wieso nicht im Rahmen des UNESCO-Übereinkommens auch die Kulturlandschaften in den Definitionskatalog in § 3 mit aufgenommen werden. So schlagen wir es vor und wurden dafür von Herrn Riese bei der Einbringung unseres Gesetzentwurfes in das Parlament heftig kritisiert.

Auch die Regelung, die Sie aus unserem Gesetzentwurf übernommen haben, die Denkmaleigenschaft auf Wunsch der Eigentümerinnen per Verwaltungsakt festzustellen, ist zwar ein gut gemeinter Versuch, diese Neuerung als Maßnahme für mehr Bürgerinnenfreundlichkeit darzustellen. Dieser Versuch muss aber wegen handwerklicher Schwächen und wegen des Denkfehlers durch die von Ihnen eingefügte Stichtagsregelung zwangsläufig scheitern.

(Beifall bei den GRÜNEN - Glocke der Präsidentin)

Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst formuliert es trocken, aber deutlich und bezweifelt, dass das gesetzgeberische Ziel von mehr Akzeptanz für den Denkmalschutz mit der hier gewählten Formulierung erreicht werden kann.

Gleiches gilt für den Versuch, sich mit diesem Gesetz ein grünes Mäntelchen umzuhängen. Mehr Energieeffizienz, mehr erneuerbare Energien, Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Behinderungen - alle Verbände haben Sie darauf hingewiesen, dass Ihr Ansatz nicht akzeptabel sei,

um es mit den Worten des Niedersächsischen Heimatbundes zu sagen.

(Glocke der Präsidentin)

Leider haben Sie diesen Passus trotz massiver Kritik beibehalten und nur am Ende, Herr Hillmer, unseren Ansatz der Denkmalwertbilanz, eine Eingriffsregelung, aufgegriffen, wie er ursprünglich vom Grundbesitzerverband entwickelt wurde.

Ein letzter Satz, Frau Kollegin Polat!

Lassen Sie mich zum Schluss erwähnen, dass es sehr schade ist, Frau Ministerin, dass Sie am Ende des Tages die Eigentümerinnen im Regen stehen lassen, weiterhin munter den Ausverkauf der Denkmale im Eigentum des Landes betreiben und Ihre Fachbehörde personell kaltstellen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Nun spricht für die CDUFraktion Herr Kollege Hillmer. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorausschicken, dass ich Denkmalschutz in den letzten Wochen der Beratung als ein hoch interessantes Thema erfahren habe, weil es einen großen Spannungsbogen aufmacht - vom gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Interesse an der Sicherung und am Erhalt von Kulturgütern auf der einen Seite über die Sozialbindung des Eigentums, die finanziellen Möglichkeiten des Staates, den Schutz sicherzustellen, bis zum Schutz des Eigentums und dem Nutzungsinteresse des Eigentümers auf der anderen Seite.

Der Denkmalschutz berührt unser Bild vom Menschen und vom Verhältnis von Staat und Bürger. Der Staat allein, meine Damen und Herren, kann die Masse der Kulturdenkmäler nicht auf Dauer schützen und erhalten. Staatswirtschaften wie die DDR, die sämtliche Befugnisse in der Hand hatten, sind uns nicht als ein Hort des Denkmalschutzes in Erinnerung geblieben. Im Gegenteil: Viele wertvolle Kulturgüter wurden in dieser Zeit bewusst oder auch aus Unvermögen zerstört.

Andererseits sind nicht alle Eigentümer zu allen Zeiten aus eigenem Antrieb am Erhalt ihres Kulturdenkmals interessiert gewesen. An dieser Stelle muss das gesellschaftliche Interesse eingefordert werden.

Ich möchte aber betonen - auch das ist eine Erkenntnis aus der Anhörung -, dass sehr viele Eigentümer von Kulturdenkmalen mit großem Engagement und hohem persönlichen Einsatz ihr Denkmal erhalten. In diesem Fall kann jede staatliche Bevormundung demotivierend wirken.

Meine Damen und Herren, jedes Denkmal ist anders, jede Situation ist anders, und jeder Eigentümer ist anders. Deshalb ist es unmöglich, im Gesetz für jeden Einzelfall eine einzige, richtige Schutzstrategie festzulegen.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Das machen Sie doch gerade!)

Vielmehr ist das Fingerspitzengefühl der Denkmalschützer vor Ort gefragt. Der Denkmalschutz und der private Eigentümer sind quasi mit einem gegenseitigen Vetorecht ausgestattet. Der Denkmalschutz kann die Erlaubnis zu einem Eingriff verweigern, und der Eigentümer kann den Erhalt unterlassen, weil er unzumutbar ist. Der kluge Denkmalschutz entsteht also vor Ort, immer in der verständigenden Würdigung beider Interessen. Jeder von uns kann unrühmliche Fälle des Denkmalschutzes benennen, in denen dieses Fingerspitzengefühl gefehlt hat.

Selbstverständlich reflektiert unser Ihnen vorliegender Änderungsvorschlag zum Niedersächsischen Denkmalschutzgesetz auf der Grundlage eines Gesetzentwurfs der Landesregierung die Erfahrungen aus der Praxis. Wir erwarten von den Denkmalschutzbehörden, dass die Änderungen, auch wenn sie vorsichtig formuliert sind, eine veränderte Anwendungspraxis auslösen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ändert sich durch die vorliegende Novelle ab dem 1. Oktober 2011? - Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz wird bürgerfreundlicher. Wir führen eine Anhörung des Eigentümers vor der Eintragung eines Baudenkmals ein. Dieser Eigentümer hat dann darüber hinaus den Anspruch auf einen feststellenden Verwaltungsakt, der ihn dann erst in die Lage versetzt, sein Klagerecht auch schon gegen die Eintragung geltend zu machen.

Anpassungen an nationale und internationale Rechtsnormen werden ebenfalls vorgenommen. Alle Maßnahmen, die zum Schutz eines UNESCO

Weltkulturerbes nicht nur unerheblich sind, bedürfen demnächst einer Benehmensherstellung mit dem Niedersächsischen Landesamt für Denkmalschutz.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Einführung eines Verursacherprinzips. Wenn bisher z. B. der Bund eine Baumaßnahme auf niedersächsischem Gebiet durchgeführt hat und dort ein Denkmal berührt gewesen ist, waren es unsere Lasten, dieses Denkmal zu erfassen und zu sichern. Das wird durch die Einführung des Verursacherprinzips in § 6 Abs. 3 auf den Verursacher, in diesem Beispiel auf den Bund, abgewälzt.

Meine Damen und Herren, wir stärken in der Abwägung zum Denkmalschutz die Interessen von alten Menschen und von Menschen mit Behinderung. Ich glaube, dass es ein ganz wichtiger Punkt im demografischen Wandel ist, diese Interessen in die Abwägung zum Denkmalschutz mit aufzunehmen. Außerdem stärken wir die Möglichkeit der energetischen Verbesserung eines Kulturdenkmals.

Nicht zuletzt ist es uns ebenfalls ganz wichtig, den Einsatz erneuerbarer Energien auch in Kulturdenkmalen zu ermöglichen.

Achten Sie bitte bei den nachfolgenden Rednern darauf - bei den vorhergehenden haben Sie es auch festgestellt -, wie wichtig den Oppositionsparteien diese wichtigen Interessen im konkreten Fall dann noch sind.

Wir haben allerdings auch Verschärfungen eingeführt. So gibt es in der neuen Novelle eine vorläufige Eintragung von beweglichen Denkmalen. Wir halten das für wichtig, um wichtige Kulturbestände in beweglichen Denkmalen - Münzschätze, Sammlungen etc. - vorläufig zu sichern, bevor es eine formelle Eintragung gibt.

Wir haben weiterhin festzustellen, dass die Möglichkeit, Nachforschungen anzustellen, das gezielte Suchen nach Kulturgütern mit modernen Hilfsmitteln, mit Sonden etc., erheblich vereinfacht worden ist. Wir führen dafür eine Genehmigung durch die Behörde ein. Es ist also nicht mehr für jedermann möglich, an jeder beliebigen Stelle Nachforschungen nach Kulturgütern vorzunehmen.

Es gab bisher eine generelle Zulässigkeit von Land- und Forstwirtschaft in Grabungsschutzgebieten. Diese nehmen wir aus dem Gesetz heraus, setzen an deren Stelle aber eine Ausgleichspflicht bei der Nichterteilung dieser Genehmigung für die Land- und Forstwirtschaft.

Meine Damen und Herren, wir haben uns gegen ein „großes Schatzregal“ entschieden. Nicht jegliches herrenlose Fundstück wird Landeseigentum, sondern nur diejenigen Fundstücke, die bei staatlichen Nachforschungen oder in Grabungsschutzgebieten entdeckt werden oder wenn sie einen hervorragenden wissenschaftlichen Wert besitzen. Den unbedarften Zufallsfinder möchten wir nicht kriminalisieren und auch nicht in Gewissensnöte bringen. Wir sind davon überzeugt, dass mit diesem Vertrauen in den Bürger am Ende mehr wichtige Funde die Wissenschaft erreichen als durch ein generelles Aneignungsverbot. Wir haben ein positives Bild von unseren Bürgern und begegnen ihnen mit Vertrauen. Wenn Sie der Debatte aufmerksam folgen, werden Sie feststellen, dass es hier auch andere Sichtweisen gibt.

Meine Damen und Herren, die Fraktionen der CDU und der FDP präsentieren Ihnen ein modernes, bürgerfreundliches Denkmalschutzgesetz, das den Eigentümer als Partner einbezieht und ihm im Konfliktfall einen verbesserten Rechtsschutz garantiert.

Ich bitte Sie um Zustimmung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD: Das sehen wir aber anders!)

Herzlichen Dank. - Nun hat für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Behrens das Wort. Bitte schön!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Heute wollen wir die Novelle zum Denkmalschutzgesetz auf den Weg bringen. Im Nachhinein muss man sagen: Die Landesregierung war zu Beginn dieses Prozesses durchaus mit großen Vorstellungen gestartet. Es gab deutliche Aussagen dazu: Die Belange der Bürger sollten eine größere Rolle spielen, die UNESCOWeltkulturerbestätten sollten besser im Gesetz implementiert werden, Denkmale sollten besser geschützt werden, und es gab auch das große Schatzregal als neues Moment in der niedersächsischen Denkmalschutzgesetzgebung.

Heute müssen wir nach der Vorlage des überarbeiteten Gesetzentwurfs feststellen: Aus der großen Reform ist ein Reförmchen geworden. Wenn man sich die Details anschaut, muss man sogar sagen: Das Denkmalschutzgesetz führt zu einer Schwächung der Belange des Denkmalschutzes, nicht zu

einer Stärkung. Es ist ein Placebogesetz geworden, leider nicht mehr.

(Beifall bei der SPD)

Die Rolle der privaten Eigentümer von Denkmälern wird nur unzureichend gestärkt. Denn gebraucht wird sicherlich eine kooperative Zusammenarbeit zwischen privaten Eigentümern und staatlichen Fachbehörden. Vor allem eine intensive Fachberatung ist hierbei notwendig. Das können unsere staatlichen Stellen aber gar nicht ausreichend leisten. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Novelle zum Denkmalschutzgesetz ist also kein großer Wurf. Die Anhörung dazu war allerdings sehr hilfreich und hat viele Schwachstellen im Denkmalschutz in Niedersachsen deutlich gemacht.