Protocol of the Session on April 13, 2011

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Allzu defensiv erscheint doch das Vorgehen, das uns Staatssekretär Liersch Anfang April im Wirtschaftsausschuss vorgestellt hat. Der Ansatz, unter Leitung des Landes einen Restrukturierungsbeirat unter Einbeziehung der Agentur für Arbeit ins Leben zu rufen, klingt doch nicht nur für mich viel mehr nach Abwicklung und kein bisschen nach Aufbruch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: So sieht es aus!)

Bislang haben Sie auf das Prinzip Hoffnung gesetzt und die Verantwortung für eine Lösung den Sozialpartnern im direkten Gespräch zugewiesen.

Spätestens seit dem letzten Treffen am 5. April, das Teilnehmer als desaströs beschreiben, müsste allen Beobachtern klargeworden sein, dass wir dringend einen radikalen Strategiewechsel seitens der Landesregierung brauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Auch wenn das sicher weder dem Naturell noch der politischen Grundhaltung von Herrn Liersch und Herrn Bode entspricht, hilft nach unserer Überzeugung jetzt nur noch ein deutlich erhöhter Druck auf die Unternehmensleitung. Der Ministerpräsident müsste aktiv werden. Die Zeit der liberal leisen Diplomatie ist wirklich vorbei!

Der Standort Alstom in Salzgitter beginnt nämlich bereits auszubluten - so sagen uns Beschäftigte. Wir dürfen nicht länger tatenlos zusehen, dass Fachkräfte bei Alstom jetzt schon zur Konkurrenz abwandern - zu Konkurrenzbetrieben, die an den hoch qualifizierten Beschäftigten sehr interessiert sind. Alle anderen Wettbewerber in der Branche haben volle Auftragsbücher, bereiten sich auf die Hochkonjunktur vor und suchen zusätzliche Facharbeiter. Gleichzeitig plant Alstom, bis zur Hälfte der Beschäftigung abzubauen. Auch daran sieht man das eigentliche Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dieses Missmanagement trifft Niedersachsen ins Mark. Da muss endlich Tacheles mit der Unternehmensleitung geredet werden,

(Zuruf von Dirk Toepffer [CDU])

damit die Krise des Standortes - nachdem alles andere nicht geholfen hat; wir sind doch in einer ganz späten Phase der Auseinandersetzung, Herr Kollege - dort endlich als Chance begriffen wird.

Es geht darum, mit dem Land als gewichtigem Auftraggeber, das eine wichtige Rolle spielt, die man in die Waagschale werfen muss, und der niedersächsischen Mobilitätswissenschaft als Innovationspartner - sie ist ebenfalls ein wichtiger Partner für Alstom - in den aktuellen Auftragsboom durchzustarten.

Es geht um Angebote! Ein schnell wirksames Sanierungskonzept zur Reduktion des aufgeblähten Verwaltungsapparates und zur Effektivierung der Produktion am Standort liegt vonseiten der Beschäftigten bereits vor. Hier muss endlich auch ein Schritt der Unternehmensleitung in diese Richtung erfolgen.

Wir fordern Ministerpräsident McAllister auf: Nutzen Sie die kurze Zeit bis zum befürchteten Showdown am 28. April, bevor die Sozialpartner - verkeilt, wie sie sind - womöglich das Tischtuch endgültig zerschneiden und der Konflikt noch weiter eskaliert.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Will von der SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Toepffer, in der Tat: Wir müssen uns heute nach dem Fiasko, das wir in der letzten Woche im Wirtschaftsausschuss erlebt haben, kritisch mit dem Thema Alstom auseinandersetzen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Firma Alstom Transport zählt mit einem Umsatz von 5,7 Milliarden Euro im letzten Jahr und rund 26 000 Mitarbeitern in mehr als 60 Ländern zu den weltweit führenden Anbietern von Lösungen für den schienengebundenen Verkehr. Vor dem Hintergrund, jetzt auch Chancen über Beteiligungen auszuloten, halte ich im Augenblick für unrealistisch. Ich halte die Forderung der Linken in diesem Punkt eher für populistisch.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, worum geht es? - Es geht um den Kampf gegen die schrittweise Zerschlagung des Standortes Salzgitter. Welch ein Ausverkauf von Know-how und Qualifikationen der Sparte Fahrzeugbau! Dabei hat die Firma gerade mit anderen den Zuschlag zur Lieferung der neuen Stadtbahnwagen z. B. für die ÜSTRA hier in Hannover erhalten. Alstom liefert dafür die Drehgestelle. Was aber noch viel wichtiger ist: Alstom konnte sich in einem europaweiten Wettbewerb durchsetzen. Auftragsvolumen: 50 Stadtbahnwagen und Optionen auf weitere 96 Fahrzeuge.

Das heißt: Alstom ist im Markt, kann im Wettbewerb mithalten und hat technische Produkte, die europaweit gefragt sind. Wir wissen: Mitbewerber sind die Firmen Stadler in der Schweiz oder Bombardier in Brandenburg/Berlin. Sie alle wurden in der Vergangenheit von ihren Regierungen unter

stützt. Wir erwarten nicht mehr und nicht weniger auch von der Niedersächsischen Landesregierung für Alstom in Salzgitter.

(Beifall bei der SPD)

Die Firma Alstom hat bewiesen, dass sie im Bahnfahrzeugbau erfolgreich ist. Sie stellt z. B. über die LNVG die Fahrzeugsysteme für die S-Bahn Bremen/Niedersachsen, Fahrzeuge für die NordWestBahn, für die EVB auf der Strecke Bremerhaven– Bremervörde–Buxtehude und für die Weser-Lammetalbahn.

Nun stehen 2011 drei weitere Netze im Wettbewerb zur Ausschreibung durch die Landesnahverkehrsgesellschaft an. Auch hier ist die Landesregierung gefragt, wie sie mit der Vergabe neuer Fahrdienstleistungen umgehen will und ob niedersächsische Fahrzeughersteller eine faire Chance für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und die Sicherung ihres strategischen Know-hows haben. Wenn wir Mobilitätsland Nummer eins bleiben wollen, brauchen wir diese Investitionen in diesen Zukunftsmarkt.

Aktuell stellt der BDI in seiner Investitionsagenda fest: Jede Milliarde, die in Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen investiert wird, sichert bzw. schafft 20 000 Arbeitsplätze. - Im Umkehrschluss bedeutet das: Jeder Euro, der weniger investiert wird, schadet dem Standort Deutschland und insbesondere natürlich Niedersachsen.

Doch seit Jahren bleiben auch in unserem Land die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur hinter dem Bedarf zurück. Der SPNV, meine Damen und Herren, wird in Zukunft noch wichtiger für die Menschen in Niedersachsen angesichts der demografischen Entwicklung. Auch und gerade deshalb sind die Entwickler bei Alstom in Salzgitter unverzichtbar.

Vieles wiederholt sich. Denken wir an Airbus. Auch da ging es um Wettbewerbsfähigkeit. Es gab ein Sanierungskonzept „Power 8“, das durch die Entwicklung im Konzern und auf dem Weltmarkt erfreulicherweise aber überholt wurde. Der Kampf um die Arbeitsplätze und die Sicherung des Knowhows haben sich gelohnt. Eine Weiterentwicklung ist z. B. CFK-Valley.

Meine Damen und Herren, es geht also um mehr. Die Frage ist, wie die Niedersächsische Landesregierung strategische Industriepolitik betreibt. Der Fahrzeugmarkt ist ein dynamischer und wachsender Zukunftsmarkt. Wenn Alstom Salzgitter dabei unter die Räder kommt, übernehmen die Wettbe

werber die Aufträge. Die Landesregierung hätte eine solche Krise früher erkennen können und müssen und hätte auch früher intervenieren müssen. Dass es schwierig ist, mit Franzosen in internationalen Konzernen umzugehen, haben wir schon bei EADS erlebt. Dass es sich aber lohnt, zu kämpfen, zeigt uns auch dieses Beispiel. Es darf nicht sein, dass die Konzernetage in Frankreich Alstom in Salzgitter untersagt, sich an öffentlichen Ausschreibungen von Verkehrsunternehmen oder der Landesnahverkehrsgesellschaft überhaupt zu beteiligen nach dem Motto: Ihr müsst erst wirtschaftlicher werden.

Die Standortverantwortlichen aus örtlicher Leitung und Arbeitnehmervertretung haben genügend Konzepte für die Zukunft des Werkes entwickelt. Sie können nur anbieten; die Konzernspitze muss wollen. Die Konzernspitze aber will eine Standortbereinigung zulasten der Beschäftigten und der betroffenen Region sowie gegen die Interessen ihrer Betriebsräte und der IG Metall. Und die Landesregierung zaudert, zögert und verschärft die Situation damit unnötig.

(Vizepräsident Dieter Möhrmann über- nimmt den Vorsitz)

Unterstützen wir die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und fordern wir die Landesregierung auf, endlich zu handeln, damit eine der Zukunftsbranchen in Niedersachsen, nämlich die Mobilität, nicht ein wichtiges Markenzeichen verliert.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Försterling. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem bisherigen Verlauf der Diskussion glaube ich, insgesamt sagen zu können, dass dieses Haus vor drei Wochen schon mehr Einigkeit gezeigt hat, als es darum ging, die Arbeitsplätze in Salzgitter nach Möglichkeit zu erhalten.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Eben nicht! Sie müssen jetzt auch handeln!)

Es wäre, glaube ich, falsch, wenn man jetzt anfangen würde, die Einmütigkeit, die wir in unserem

Beschluss am 17. März zum Ausdruck gebracht haben,

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Der wird nicht in Frage gestellt; er muss umgesetzt werden!)

in Frage zu stellen, um daraus möglicherweise politisches Kapital zu schlagen. Ich denke, dafür ist es einfach zu wichtig.

Wir alle, glaube ich, waren überrascht, als am 22. März kurz vor 17 Uhr - nachdem am Nachmittag der europäische Betriebsrat mit der Konzernleitung in Paris verhandelt und die Betriebsratseite gedacht hatte, dass man einvernehmlich auseinandergehen wird - eine Pressemitteilung veröffentlicht worden ist mit dem Hinweis darauf, dass in Europa 1 380 Stellen - 700 davon in Salzgitter - gestrichen werden sollen und dass im Übrigen von diesen Restrukturierungsmaßnahmen nur Standorte in Spanien und Italien betroffen sein werden, nicht jedoch die Werke in Frankreich oder auch in Osteuropa, weil die Lohnkosten dort entsprechend niedriger sind.

Das heißt: Wir haben auch dort erkannt, wie schwierig es ist, sich mit der französischen Konzernleitung auseinanderzusetzen.

Ich möchte noch einmal deutlich machen, dass es ein Irrtum ist, wenn behauptet wird, dass die Landesregierung in den letzten Monaten bzw. Jahren keine Gespräche geführt habe.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Das hat niemand gesagt!)

Auch da wurden immer wieder - - -

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Die Gespräche waren nicht erfolgreich und müssen weitergehen!)