Protocol of the Session on April 13, 2011

Meine Damen und Herren, warum eine Beteiligung des Landes Niedersachsen? - Es kann doch nicht sein, dass die französische Geschäftsleitung dem Betriebsrat sagt: Auch wenn die Kosten gesenkt werden, auch wenn die Auftragslage gut ist - wir verlagern auf jeden Fall diese Produktionsteile nach Polen. - Wir müssen eine stärkere Beteiligung haben, damit dieses nicht möglich ist. Wir verlangen mehr Mitbestimmung für die Arbeitnehmervertretung.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das Land kann Einfluss in allen unternehmensrelevanten Fragen ausüben, wenn es dann will.

Gucken wir doch einmal das VW-Gesetz an: Da ist es möglich, dass nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Aufsichtsrat Produktionsverlagerungen getätigt werden können. Genau das brauchen wir auch für andere Industrieunternehmen.

Darum, meine Damen und Herren von der Landesregierung, gehen Sie diesen Schritt! Machen Sie eine aktive Industriepolitik! Helfen Sie erst einmal den Beschäftigten bei Alstom! Das ist aber auch gut für eine weitere Industriepolitik hier in Niedersachsen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Toepffer von der CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lage bei Alstom ist in der Tat uns allen bekannt. Das, was den Vorgang einzigartig macht, ist nicht die Tatsache, dass ein Unternehmen versucht, seine Rendite zu erhöhen. Das kennen wir, das ist auch legitim. Wir kennen es auch, dass ein Unternehmen versucht, seine Rendite dadurch zu erhöhen, dass es die Produktion ins Ausland verlagert. Das, was den Vorgang in der Tat einzigartig macht, ist die Tatsache, dass das Unternehmen überhaupt keine erkennbaren Anstrengungen unternimmt, um die Rendite durch Maßnahmen hier in Deutschland zu steigern. Was das Ganze auch einzigartig macht, ist die Tatsache, dass man den Beschäftigten des Unternehmens überhaupt keine

Chance gibt, ihren Beitrag zu leisten, um den Gewinn hier in Deutschland zu steigern.

(Zustimmung von Elisabeth Heister- Neumann [CDU])

Diese Einzigartigkeit hat uns in der Tat veranlasst, hier im Hause parteiübergreifend - auch mit der Linken - einen Entschließungsantrag zu beschließen, um den Beschäftigten zu helfen. Frau Weisser-Roelle, ich finde es schade, dass Sie diesen parteiübergreifenden Konsens jetzt ein bisschen verlassen und versuchen, Schuldzuweisungen zu verteilen. Dafür ist überhaupt kein Platz.

Es war Ministerpräsident McAllister, der bereits vor dem Entschließungsantrag Gespräche mit der deutschen Alstom-Leitung geführt hat. Es war Ministerpräsident McAllister, der bereits vor dem Entschließungsantrag Gespräche mit der französischen Konzernleitung geführt hat. Und es war Minister Bode, der in den letzten Tagen Gespräche mit der IG Metall, mit der Agentur für Arbeit, mit Betriebsräten und Unternehmensleitungen geführt hat. Nicht umsonst war am 9. April in der Braunschweiger Zeitung zu lesen: Landesregierung erhöht den Druck auf Alstom.

(Beifall bei der CDU - Victor Perli [LINKE]: Wie denn?)

Es ist nun an der Zeit, die Gespräche abzuwarten und zu gucken, ob der Druck ausreicht. Wenn der Druck nicht ausreicht, muss er in der Tat erhöht werden.

(Ursula Weisser-Roelle [LINKE]: Dann machen Sie es doch einmal!)

Man könnte es eigentlich damit bewenden lassen, wenn Sie diese Aktuelle Stunde nicht durch die interessante Facette der Forderung nach einer aktiven Industriepolitik bereichert hätten.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist doch eine gute Forderung!)

- Ja, dann muss man aber einmal gucken, was Sie damit eigentlich meinen! Normalerweise schaut man dazu in ein Parteiprogramm, um herauszufinden, was die Partei sich dabei denkt. Die Linke aber hat vier Jahre seit ihrer Gründung noch kein richtiges Programm, sondern nur einen Programmentwurf.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist doch nicht wahr! Dann wären wir doch nie zur Bundestagswahl zugelassen worden! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Da stößt man dann ganz schnell auf den Begriff „Wirtschaftsdemokratie“.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Gut gele- sen!)

- Sehen Sie, Herr Sohn! - Dann guckt man, was Sie unter Wirtschaftsdemokratie verstehen. Sie haben eine Wirtschaftsexpertin - zumindest bezeichnet sie sich so - mit Frau Ulla Lötzer, Abgeordnete der Linken im Deutschen Bundestag.

(Björn Thümler [CDU]: Nein! Ist das wahr?)

Sie hat in einem Vortrag bei der Rosa-LuxemburgStiftung im März 2010 erläutert, was diese Wirtschaftsdemokratie ist. Sie sagt - ich zitiere -:

„Es geht um ein Regime, in dem die Beschäftigten, die Zivilgesellschaft und die Parlamente weit stärker in wirtschaftliche Prozesse eingreifen.“

(Beifall bei der LINKEN)

Also gewissermaßen Sohn statt Winterkorn. Es wird dann auch beschrieben, wie das funktionieren soll. Es werden Wirtschaftsräte eingeführt. In diesen Wirtschaftsräten sitzen dann die Parlamentarier und sagen, wie die Wirtschaft gesteuert werden soll.

(Björn Thümler [CDU]: Um Gottes wil- len! - Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

Frau Lötzer liefert ein wunderbares Beispiel dafür, wohin das führen würde. Sie haben soeben das Thema VW aufgegriffen. Das hat sie in ihrem Vortrag im März 2010 auch getan. Sie setzt sich mit der Frage auseinander, wie es in der Automobilindustrie weitergeht. Im März 2010 stellt Ihre Wirtschaftsexpertin - Wirtschaftsdemokratie - fest, dass es in der Automobilindustrie gigantische Überkapazitäten gebe. Sie sagt: Die Nachfrage wird immer weiter sinken, und deswegen müssen die Kapazitäten abgebaut werden.

(Zuruf von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

- Das hat sie in ihrem Vortrag gesagt. Herr Dr. Sohn, er liegt bei mir auf dem Tisch. Sie können ihn sich angucken.

Kommen wir auf den Punkt, liebe Frau WeisserRoelle! Ich kann Ihnen sagen: Ich bin froh, dass

sich diese Landesregierung nicht eines Wirtschaftsrates bedient,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

sondern das operative Geschäft VW übergeben hat. VW hat nämlich weiter auf steigende Nachfrage gesetzt, keine Kapazitäten abgebaut, in 2010 den größten Unternehmensgewinn der Geschichte erzielt, hat 7 Milliarden verdient, 7 Millionen Autos verkauft und schafft in diesem Jahr 6 000 Arbeitsplätze - deshalb, weil wir die Wirtschaft der Wirtschaft überlassen!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Frau Weisser-Roelle, lieber Herr Sohn, das ist der Grund, weswegen wir Ihrer Forderung nach linker aktiver Industriepolitik nicht nachkommen werden. Das ist der Grund, weswegen wir sagen: Ihre als Wirtschaftsdemokratie verniedlichte Planwirtschaft gehört auf den Müllhaufen der Geschichte! Das ist besser für die Menschen in Deutschland, in Niedersachsen und auch bei Alstom!

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile dem Kollegen Hagenah, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Toepffer, der Versuch, von den Unzulänglichkeiten des Engagements der Landesregierung abzulenken, indem Sie auf linke Irrwege in der Wirtschaftspolitik hinweisen, ist nicht gelungen; denn diese Landesregierung sitzt im Aufsichtsrat von VW, bedient sich der öffentlichen Einflussnahme auf Airbus und ist nach wie vor mit der entscheidende Eigentümer von Salzgitter Stahl. Ich meine, dass die CDU-FDP-Landesregierung das lebt, was die Linke als Wirtschaftsdemokratie fordert. Insofern ist Ihnen das überhaupt nicht fremd.

Wir alle sind uns einig, dass Alstom Salzgitter für die Industriepolitik in Niedersachsen ein strategisch wichtiger und unverzichtbarer Baustein ist. Um Alstom dauerhaft erfolgreich im Wettbewerb zu erhalten, ist dort eine entwicklungsfähige Masse an Beschäftigung und Fertigungstiefe vorzuhalten. Das ist mit dem derzeit auf dem Tisch liegenden Personalabbauplan der Konzernleitung nicht ver

einbar. Insbesondere die Verlagerung des Rohbaus nach Polen würde dem Standort nachhaltig schaden. Damit sollten Sie, Herr Toepffer, sich auseinandersetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Rohbau in der Waggonfertigung ist nach Ansicht vieler Fachleute ein entscheidender Fertigungsbaustein. Darin steckt ein Großteil an möglichen Innovationen. Hier wird die Prozessoptimierung vorangebracht, und hier wird die Grundlage für Fahrzeuge erstellt, die immer sparsamer Energie verbrauchen.

In Salzgitter war z. B. die erste Waggonfertigung, die Aluminiumschweißnähte ohne Nachbearbeitung hingekriegt hat, und man könnte, wenn man weiterhin zusammen agieren könnte, noch viele derartige Innovationen zuwege bringen.

Der Produktionsstandort Salzgitter gehört damit in seiner Grundanlage nicht etwa zum alten Eisen im Schienenfahrzeugbau, sondern hat im Gegenteil das Potenzial, mit einem klugen Management und mit hoch qualifizierten Beschäftigten zum Vorreiter bei Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Branche zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Herr Toepffer, das ist eine Tatsache. Die Landesregierung hat es bisher leider versäumt, die ganze Palette der Verhandlungs-, Überzeugungs- und Sanktionsmöglichkeiten aus dem einstimmigen Beschluss des Landtages vom vorigen Monat einzusetzen. Das ist das Problem. Darüber reden wir heute.