Erstens. Nicht alles ist auf einem guten Weg. Die eingestellten Haushaltsmittel reichen weder vorne noch hinten.
Zweitens. Den Antrag einfach für erledigt zu erklären, wird dem Thema Prävention von sexuellem Missbrauch an Kindern nach unserer Auffassung nicht gerecht, meine Damen und Herren.
Drittens. Nach unserem parlamentarischen Verständnis muss ein Parlament in der Lage sein, sich gegenüber einer Landesregierung auch inhaltlich zu positionieren.
Viertens. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie hatten ein Jahr lang Zeit, einen Änderungsantrag einzubringen. Aber auch dazu waren Sie nicht in der Lage. Wir bedauern sehr, dass es offenbar nicht mehr zum Stil dieses Hauses gehört, bei einem so sensiblen Thema wie diesem, wo sich auch in den Beratungen zeigt, dass man sich eigentlich einig ist, den Versuch zu unternehmen, einen gemeinsamen Beschluss herbeizuführen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang exemplarisch auch an den Antrag der SPD-Fraktion zum Thema Altersuizid.
Meine Damen und Herren, die Arbeit im Dunkelfeld-Bereich ist Präventionsarbeit. Sie schützt Mädchen und Jungen in Niedersachsen. Und wenn man das als gesamtgesellschaftliche Aufgabe versteht, dann muss man dafür auch Geld in die Hand nehmen und einen ganzen Schritt machen, meine Damen und Herren von der CDU, nicht nur einen halben.
Meine Damen und Herren, der Kollege Riese von der FDP-Fraktion hat noch einmal ums Wort gebeten. Er hat noch eine Restredezeit von 2:11 Minuten.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Frau Tiemann, das ist doch nicht nötig! Wir wissen alle, dass im September Kommunalwahl ist.
Wir sind uns in der Sache doch einig. Und Sie wissen doch aus den Ausschussberatungen, dass wesentlich mehr Mittel im Topf sind und zwei Standorte für diese Projekte in Rede stehen. Wenn man sich in der Sache einig ist, dann ist es doch nicht nötig, nur für die Kameras einen Streit zu zelebrieren.
(Petra Tiemann [SPD]: War das eine Kurzintervention von Herrn Riese? - Zuruf von der FDP: Nein, er hatte noch Restredezeit!)
- Meine Damen und Herren, haben Sie Fragen an den Präsidenten? - Dafür gibt es bestimmte Verfahren, die wir auch einhalten wollen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit der ersten Lesung dieses Antrags im letzten Jahr, aber insbesondere auch im Rahmen der Anhörung im Ausschuss und während der gesamten Ausschussberatung im letzten Jahr haben wir uns intensiv mit dem Thema des sexuellen Missbrauchs an Kindern befasst. Bei diesem Thema stößt man auf besonders schwierige, sensible und komplexe Fragestellungen. In dem sogenannten Dunkelfeld befinden sich Menschen, die entsprechende Neigungen verspüren und Hilfe suchen.
Im Rahmen des Präventionsprojektes der Berliner Charité wird seit 2005 eine therapeutische Unterstützung für Männer angeboten, die auf Kinder gerichtete sexuelle Impulse verspüren und Angst davor haben, zu Tätern zu werden. Aus dieser Situation heraus suchen sie Hilfe. Im Rahmen eines solchen Projektes auch in Niedersachsen eine Stelle einzurichten, an die sich in Niedersachsen ansässige Männer wenden können, um Hilfe zu erhalten, ist ein gutes Ansinnen. Ich möchte mich bei der Kollegin Staudte bedanken, die diese Idee durch ihren Antrag in den Ausschuss eingebracht hat. Das ist wirklich eine gute Idee, die wir aufgegriffen haben und fortführen müssen.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin außerdem dankbar für die äußerst konstruktive Beratung im Ausschuss. Es ging nicht um parteipolitische Intentionen, sondern wir waren uns in der Sache relativ schnell einig und haben an einem Strang gezogen. Wir haben uns auch von kompetenter Stelle entsprechend informieren lassen.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ins Gedächtnis rufen, was in den Beratungen deutlich geworden ist, nämlich dass dieses Thema von allen Beteiligten als sehr ernst und zwingend handlungsbedürftig eingeschätzt wurde. Das Sozialministerium hat bereits einen Haushaltstitel in Höhe von 40 000 Euro für die Dunkelfeld-Arbeit eingerichtet. Es wurde zunächst daran gedacht, die Durchführung des Projekts der Medizinischen Hochschule Hannover zu übertragen. Im Rahmen der Ausschussanhörung wurde allerdings klar, dass auch die Universität Göttingen bereits einen Projektvorschlag zu diesem Thema ausgearbeitet und einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Mit den im Haushalt eingestellten 40 000 Euro können beide Universitäten - das haben beide auch signalisiert - in diesem Frühjahr ihre Projekte starten. Ich bin aber auch glücklich darüber, dass das Sozialministerium Gespräche mit dem Justizministerium aufgenommen hat, um - das wissen wir alle - zu prüfen, wie die wichtigen noch fehlenden Mittel aufgebracht und abgesichert werden können.
Aber lassen Sie mich noch einen Satz zu dem Projekt in Berlin sagen: Auch das Land Berlin hat die Mittel für das Projekt nicht einfach eben so zur Verfügung gestellt, sondern hierbei war das Bundesjustizministerium mit beteiligt. Es haben also mehrere Töpfe zur Verfügung gestanden, aus denen das Projekt gespeist wurde. Auch wir müssen nach entsprechenden Lösungen suchen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Die Landesregierung ließ dem Antrag Taten folgen. Sowohl die Universität Göttingen als auch die MHH planen, in diesem Frühjahr mit den Projekten zu beginnen. Ich finde es auch gut, dass die Universität Göttingen bzw. das Fachklinikum sich zu einer Kofinanzierung bereit erklärt hat. Man sieht also: In diesem Bereich wird eng zusammengearbeitet. Ich finde, dass diese sehr schnelle und unbürokratische Hilfe vonseiten des Ministeriums etwas Gutes auf den Weg gebracht hat.
Deshalb möchte ich den Vorwurf, Frau Staudte, hier würde nicht wirklich etwas getan, zurückweisen. Denn es ist anders. Und wenn man ein flächendeckendes Angebot haben will, dann ist es doch sinnvoll, Schritt für Schritt vorzugehen, und zwar mit kompetenten Partnern, die wir mit der Universität Göttingen und der MHH an unserer Seite haben. Aber das muss sich erst entwickeln; zunächst müssen die Projekte in Hannover und Göttingen ins Leben gerufen werden, damit es zu
einem flächendeckenden Angebot kommt und die Männer, die diese Neigungen verspüren, Hilfe benötigen und Hilfe suchen, Anlaufstellen haben.
Wir dürfen bei diesem Thema gemeinsam nicht nachlassen und müssen auch weiterhin darüber diskutieren. Aber ich finde, wir dürfen dann auch die Krankenkassen nicht aus der Verantwortung lassen, die sich ein wenig hinter der Anonymitätsklausel verstecken. Sie sollten auch einen Kostenbeitrag leisten. Denn alle wissenschaftlichen Untersuchungen belegen, dass solche Neigungen eine Erkrankung sind. Wenn jemand diese Neigungen verspürt und um Hilfe ersucht, dann müssen natürlich auch seine Persönlichkeitsrechte in gewisser Form geschützt werden. Aber unser Gesundheitssystem muss hier gefordert werden. Deswegen müssen wir entsprechende Gespräche führen, damit zukünftig auch von dieser Seite Mittel zur Verfügung gestellt werden. Ich denke, hierbei sind wir uns alle einig, dass jeder verhinderte Missbrauch nicht nur ein kleiner, sondern ein großer Erfolg ist und dass diese Präventionsarbeit wichtig ist. Um es mit den Worten eines Betroffenen zu sagen: Am Missbrauch stirbt man ein Leben lang. Alles, was wir im Vorfeld dafür tun können, dass das verhindert wird, ist richtig und sollten wir auch unterstützen.
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, meine ich: Wir sind auf einem guten Weg. Für uns ist der Antrag an dieser Stelle erledigt. Die Landesregierung ist bereits in Detailplanungen eingestiegen und befindet sich in Abstimmung mit anderen Ministerien und den Betroffenen. Von daher wäre es, glaube ich, an der Stelle richtig, den Antrag zurückzuziehen; denn sonst müssen wir ihn ablehnen, weil er erledigt ist.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kann hier nicht darum gehen, diesen hervorragenden Antrag zurückzuziehen; denn die Intention dieses Antrages wird von Ihnen offensichtlich nicht verfolgt, wenn man berücksichtigt, dass die Mittel,
die Sie dafür einsetzen wollen, völlig unzureichend sind. Vollständig ignoriert haben Sie - das muss man an dieser Stelle auch ganz deutlich sagen - die Hinweise, die die Experten in der Anhörung gegeben haben.
Wir haben ja - ich erinnere gerne daran - diesen Antrag vor fast einem Jahr das erste Mal debattiert, durchaus auf einem angemessenen Niveau, ganz ruhig und entspannt, so, wie man es mit diesem Thema machen muss. Das gab mir eigentlich die Hoffnung - vielleicht verliere ich sie im Laufe dieser Legislaturperiode leider noch -, dass wir eine konstruktive Ausschussberatung haben würden. Aber die Konsequenzen, die Sie gerade aus den Ergebnissen der Anhörung gezogen haben, lassen etwas anderes vermuten.
Herr Riese, mitnichten fordert Bündnis 90/Die Grünen als Antragssteller, dass in einem Flächenland wie Niedersachsen in jedem Krankenhaus ein solches Angebot vorzuhalten ist. Darum geht es mitnichten. Es soll ein zentrales Angebot geben. Ich finde es ungeheuerlich, dass Sie hier so etwas unterstellen.
Die größte Ungeheuerlichkeit kam in Ihrem zweiten Beitrag, zu dem Sie sich gemeldet haben und in dem Sie Frau Tiemann unterstellt haben, sie würde hier Kommunalwahlkampf machen wollen. Dieser Vorwurf läuft gänzlich ins Leere, weil dieser Antrag bereits seit fast einem Jahr in der Beratung ist und Sie Ihre Ankündigung, einen konstruktiven Änderungsantrag einzubringen, nicht eingehalten haben.
Das lässt einen in der Tat an der Glaubwürdigkeit der Regierungsfraktionen von CDU und FDP zweifeln. Aber ich denke, das ist des Öfteren so. Vor einem Jahr sagte Frau Prüssner beispielsweise:
„Die Prävention ist das beste und sinnvollste Mittel, Übergriffen und Straftaten in diesem Rahmen zu begegnen.“
Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion DIE LINKE haben damals Beifall geklatscht. Wir hatten ja noch die Hoffnung, dass wir eine vernünftige Debatte hinbekommen.
Herr Focke, Sie haben die Antragsstellerin gerade gelobt und haben gesagt, dass die Idee aufgegriffen worden sei. Aber ich muss Ihnen sagen: Wenn
Sie an dieser Stelle sogar einräumen, dass auch andere Töpfe angezapft werden müssten, und bis heute keine Antwort darauf geben können, wie Sie das notwendige Geld zusammenkriegen wollen, dann ist die Gefahr latent, dass Sie Ihren Ankündigungen keine Taten folgen lassen.
Wir Linke unterstützen diesen gut ausgearbeiteten Antrag weiterhin und bleiben bei unserer Position, dass Prävention das beste Mittel ist, um Kinder vor Männern mit diesen entsprechenden Neigungen zu schützen, wenn wir ihnen nicht mit einem niedrigschwelligen Angebot die Möglichkeit geben können, gegen ihre Neigungen anzugehen und dabei auch professionelle Hilfe und Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Projekte wie „Dunkelfeld“ sind mutige, aber nicht immer geliebte Projekte. Doch gehen sie wissenschaftlich begleitete Wege, die nachweislich zu spürbaren Erfolgen geführt haben.
„Wir sehen hier ein fraglos schwieriges Arbeitsfeld. Es kann tatsächlich nur niedrigschwellig funktionieren. Gleichzeitig darf es keineswegs den Anstrich eines Täterschutzes bekommen. Aber schwierig heißt eben nicht falsch. Das müssen wir uns in diesem Zusammenhang vor Augen führen.“
Ich bedauere zutiefst, dass wir hier zu keiner besseren Lösung kommen. Ich würde mich freuen, wenn es trotzdem klappen würde, und bin gespannt darauf, wie Sie die Mittel zusammenkriegen werden. Sie müssen Ihre Politik an dem messen lassen, was Sie tatsächlich umsetzen.