Wir buchstabieren Sozialstaatlichkeit anders. Für uns gehört das Thema Rechtsansprüche dazu, und für uns gehören Teilhabe und Optionen auf Chancen, die eingeräumt werden müssen, in den Mittelpunkt von sozialstaatlichem Handeln. Dies liegt quer zu dem Bild von der Feuerwehr.
Der Sozialstaat soll nicht erst kommen, wenn alles lichterloh brennt, sondern er hat durch vorsorgende Politik dafür zu sorgen, dass Brände erst gar nicht auftreten.
Wir befinden uns in guter Gesellschaft: Die Gewerkschaften sehen das so, die Wohlfahrtsverbände, die Kirchen.
- Ich rate Ihnen, einmal nachzulesen, was die EKD vor wenigen Wochen in ihrem Wort zum Thema Armut veröffentlicht hat. Seien Sie mit solchen Bemerkungen zurückhaltend! Sie werden sich
wundern. Nachher haben Sie jedweden Bündnispartner verloren, wenn es auch nur um irgendeine sozialpolitische Fragestellung geht. Mir kann dies egal sein, Ihnen sicherlich nicht.
Dieser Bauplan hat natürlich praktische Konsequenzen. Die erste Konsequenz, von der Sie hier sprechen und die Sie mitunter finanzpolitisch begründen, die von Ihnen aber von allen Dingen ordnungsrechtlich avisiert wird, lautet: Der Staat zieht sich zurück, wo es nur irgendwie geht. Dieses Prinzip leben Sie hier vor; ich nenne Ihnen hierzu wenige Beispiele. Das, was der Landtag bei der Änderung des kommunalen Wirtschaftsrecht mit Mehrheit beschlossen hat, hat praktisch zur Folge, dass alle Güter der Daseinsvorsorge, die in den Gemeinden unverzichtbar sind, nach heute gültigem Recht von der Kommune nicht mehr aufgebracht werden dürfen. Zu gut Deutsch: In Ihrer Logik können die Kommunen immer dann aktiv werden, wenn man dabei Miese macht.
Verluste dürfen sozialisiert werden, bei Gewinnen ist den Kommunen ein Handeln verboten, dann dürfen und müssen es Dritte tun.
Dies ist, meine Damen und Herren, wie ich finde, eine unverantwortliche Einengung des Gestaltungsspielraums kommunaler Demokratie.
- Wir sind mitten beim Haushalt, nämlich bei den Punkten, bei denen Sie dieses Land in eine Richtung bringen wollen, die ich überhaupt nicht akzeptieren will.
Das nächste Thema: Eine gleichartige Privatisierung betreibt dieser Umweltminister. Ich weiß nicht, ob Sie einmal zu Ende gedacht haben, was es bedeutete, wenn seine Ziele Wirklichkeit würden, was, wie ich hoffe, nicht eintreten wird. Er will die gesamte Wasserwirtschaft privaten Dritten überlassen, das Lebensmittel Nummer eins mit all den
Irgendwann wird sich der Private zurückziehen, und dann fällt die Wasserwirtschaft an die Kommune oder das Land zurück. Ich halte dies für hoch gefährlich, weil ich einen anderen Begriff von öffentlicher Daseinsvorsorge und von der dazugehörigen Verantwortlichkeit habe.
Wer an das staatliche Gewaltmonopol, beispielsweise im Bereich des Strafvollzugs, der Landeskrankenhäuser und des Maßregelvollzugs, herangeht, der setzt nicht nur die Psychiatriekonzeption des Landes aufs Spiel, sondern der bewegt sich im Graubereich des Verfassungsrechts. Ich halte dies für eine hoch problematische Angelegenheit.
Deshalb werden wir alle Möglichkeiten ausnutzen, solche Entwicklungen zu stoppen. Aber das macht nicht vor Dingen Halt, die auch noch Spaß machen. Meine Damen und Herren, die Versilberung der Spielbanken, die - das will ich gerne einräumen - vielleicht nicht unbedingt öffentlich geführt werden müssen
- nein, das fällt nicht unter Daseinsvorsorge -, war unter Gesichtspunkten der Konsolidierung von Landesfinanzen recht interessant. Sie gehen aus ordnungspolitischen Gründen daran, diese Braut auch noch zu verschönern, indem Sie mit der Konzessionsabgabe heruntergehen, damit überhaupt jemand bereit ist, sie zu nehmen. So gehen Sie mit öffentlichem Geld, mit öffentlichem Vermögen um. Ich halte das für hoch problematisch. Ich kritisiere nicht nur die ordnungspolitische Komponente, die darin steckt, sondern bin der festen Überzeugung, dass das, was Sie bei diesen Themen machen, auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten problematisch ist. Die Vorstellung, dass das dem Landeshaushalt zugute käme, wage ich sehr zu bezweifeln. Das gilt sowohl bei der Frage der langfristigen Berechnung von Einnahmen und Ausgaben beim Thema Spielbanken als auch beim Thema Landeskrankenhäuser. Und da sind wir mitten beim Thema Haushalt.
Aus Ihrem Bauplan folgt aber noch eine andere Konsequenz, und die hat mit Sozialpolitik zu tun. Sozialpolitik organisiert sich bei Ihnen nach dem Prinzip der Barmherzigkeit, meine Damen und Herren. Ich habe mit Interesse das gelesen, was Sie auf dem Landesparteitag, der bei dem mit Ihnen befreundeten und befeindeten Oberbürgermeister in Braunschweig stattgefunden hat, entschieden haben.
- Ja, das ist ein großer Wahlkämpfer. Ich bin übrigens der Meinung, dass er Sie für seinen Wahlsieg nicht gebraucht hat.
Meine Damen und Herren, Sie haben diese Veranstaltung unter das Motto „Für ein menschliches Niedersachsen“ gestellt. Das menschliche Niedersachsen haben wir hier in den letzten dreieinhalb Jahren erlebt. Es begann mit Frau von der Leyen, die ihre Humanität beim Thema Blindengeld hinreichend dokumentiert hat. Wer mit dieser Eiseskälte mit so einer Zielgruppe und so einem Thema umgeht, der hat seinen Anspruch auf angemessenen Umgang und auf Anerkennung seiner Humanität wirklich verspielt. Das muss ich einmal so deutlich sagen.
Als Frau Ross-Luttmann in das Amt kam, haben sicherlich Teile von Ihnen, aber auch wir das mit der Überlegung verbunden - Herr Schwarz hat das hier auch gesagt -, dass dies die Chance für einen Neuanfang ist, ein Stück sozialpolitische Befriedung im Lande wiederherzustellen. Frau RossLuttmann, ich weiß nicht, ob Sie nicht wollen oder ob Sie nicht können
oder ob Sie nicht dürfen. Das Ergebnis ist jedenfalls - das stelle ich heute fest -: Sie haben sich in Ihrem Job als Sozialministerin nicht freigeschwommen.
Ich will Ihnen auch Beispiele nennen, wo wir etwas von Ihnen verlangt hätten. Nehmen wir einmal das Thema „Klärung der Rechte von Behinderten“. Jedes Jahr im April geht die niedersächsische Sozialministerin zu den Behinderten und sagt: Dieses Jahr machen wir ein Gesetz. 2003, 2004, 2005, 2006. - Wann kommt das Gesetz? So gehen Sie mit einer gewichtigen Gruppe in Niedersachsen um. Die Gesetzentwürfe liegen seit drei Jahren auf dem Tisch. Sie weigern sich, die Debatte überhaupt aufzunehmen. Das ist auch parlamentarisch hoch problematisch. Aber Ihr Verhalten ist vor allem inhaltlich dieser Gruppe gegenüber hoch problematisch. Deshalb verlangen wir von Ihnen: Kommen Sie endlich mit einem Gesetzentwurf in dieses Haus, damit die Debatte begonnen werden kann!
Aber das ist nicht die einzige Gruppe, die unter Ihnen zu leiden hat. Ich nenne die immer größer werdende Gruppe von älteren pflegebedürftigen Menschen in Niedersachsen. Bis heute ist die soziale Herkunft immer wichtiger geworden, weil davon die Qualität der Zukunft dieser Menschen abhängt. Durch das Ende der so genannten bewohnerbezogenen Aufwendungszuschüsse für pflegebedürftige Menschen haben Sie in Niedersachsen 30 000 Menschen zu Sozialhilfeempfängern gemacht, meine Damen und Herren. So etwas ist nicht akzeptabel.
Deshalb stellen wir fest: Sozialpolitik hat in der Niedersächsischen Landesregierung weder Lobby noch Gesicht.
Die von Frau von der Leyen begonnene soziale Eiszeit wird unvermindert fortgesetzt, meine Damen und Herren. Es sind nicht nur die sozial Schwachen, die aus vielen Gründen ihre Probleme mit dieser Regierung haben. Sie bereiten auch dort Probleme, wo die Allgemeinheit betroffen ist. Wir haben hier heute Morgen über Verbraucherschutz diskutiert. Sie haben die Haushaltsansätze für den Verbraucherschutz in Niedersachsen seit Regierungsantritt um 30 % gekürzt, meine Damen und Herren. Gleichzeitig erklären Sie hier - Herr Ehlen heute Vormittag auch wieder -, dass Sie gewährleisteten, dass in Niedersachsen alles korrekt zugehe. Nein, es geht nicht korrekt zu. Da, wo es um
Transparenz und Sicherheit geht, versagen Sie, meine Damen und Herren. Hier erwarten wir andere Zeichen.
Deshalb ist für uns Sozialstaatlichkeit auch kein anonymes bürokratisches Monster, wie Sie, Herr Rösler, es gerne darstellen, sondern Sozialstaatlichkeit sind effektiv arbeitende Einrichtungen, die Chancen gewährleisten, Sicherheit geben und Lebensqualität sicherstellen. Das verstehen wir unter Sozialstaatlichkeit. Dafür wird die niedersächsische SPD in diesem Landtag weiter streiten.
Dazu gehört natürlich ein handlungsfähiger Staat, und dazu gehören ohne Frage solide Finanzen. Herr Möllring hat heute wieder ein Bild gezeichnet, das mich beeindruckt, weil man den Kriterien, die er in den Mittelpunkt der Politik gestellt hat, zustimmen könnte.