Protocol of the Session on July 11, 2006

Herr Minister, Sie müssen jetzt selbst entscheiden, ob Sie diese Frage beantworten wollen. Zu diesem Tagesordnungspunkt jedenfalls passt sie nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Präsident, Sie haben wie immer Recht. Deshalb kann ich nicht antworten.

Meine Damen und Herren, es ist gesagt worden - das habe ich schon befürchtet -, dass interkommunale Zusammenarbeit ohne die Bezirksregierungen nicht organisiert werden kann. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Die Regierungsvertretungen haben den Schwerpunkt, interkommunale Zusammenarbeit gemeinsam mit den niedersächsischen Kommunen zu organisieren. Sie sind anerkannter Partner dafür, diesen Prozess zu moderieren. Sie

müssen sich einmal mit den Landräten und den Bürgermeistern darüber unterhalten, wie hervorragend die Regierungsvertretungen ihre Rolle als Moderatoren wahrnehmen. Leider werden Sie wohl nicht die Möglichkeit haben, dies nach den Kommunalwahlen auszuprobieren. Sie werden es aber hier vom Parlament aus noch weiter beobachten können. Die Regierungsvertretungen sind in diesem Bereich sehr erfolgreich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, meiner Meinung nach ist es sinnvoll, die interkommunale Zusammenarbeit über die Verwaltungsreform zu forcieren und eine Datenbank zu erstellen, um Beispiele zu nennen, damit wir hier weiter vorankommen.

Ich möchte noch sagen: Wenn es freiwillige Zusammenschlüsse unterhalb der Landkreisebene geben soll, dann werden wir das - wie schon in der Vergangenheit - wieder entsprechend beschließen. Auch hierzu ein Beispiel aus meinem Landkreis. Da gibt es die Samtgemeinde Stadtoldendorf, die Samtgemeinde Polle und die Samtgemeinde Bodenwerder, die schon jetzt beschlossen haben, dass sie im Jahr 2008 eine gemeinsame Samtgemeinde bilden wollen. Sie müssen ja auf den demografischen Wandel reagieren. Die Zahl der Einwohner geht zurück, und die Bevölkerung wird älter. Wenn man dies über die Regierungsvertretungen moderiert, ist das doch genau der richtige Punkt. Man muss das nicht von oben herab auf irgendeine Weise anordnen, sondern gerade die Kommunalpolitiker sind doch so hervorragend aufgestellt, dass sie diesen Prozess selber mit umsetzen können, wenn es denn notwendig ist. Wir sollten mehr Vertrauen in unsere Kommunalpolitiker vor Ort haben. Das haben Sie leider Gottes aber nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich finde es richtig, dass wir heute dieses Thema in der Aktuelle Stunde haben, damit deutlich wird, welche Ideen bzw. Modelle favorisiert werden: große Regionen oder interkommunale Zusammenarbeit oder mal so oder mal so, wobei man nicht genau weiß, in welche Richtung es gehen soll. - Diese Landesregierung hat klar gesagt: Wir werden keine Gebietsreform von oben herab verordnen. Wir werden das gemeinsam mit den Kommunalpolitikern ganz vernünftig moderieren; denn wir sind Partner der

Kommunen. Das ist meiner Ansicht nach genau der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir weitere Wortmeldungen nicht mehr vor.

Ich rufe nun auf:

d) Ihr könnt nach Hause fahren: Große Koalition ist großer Betrug - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3045

Eingebracht wird dieser Antrag zur Aktuellen Stunde durch den Abgeordneten Wenzel. Ich erteile ihm das Wort.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sind mal vor!)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst ein Wort an die FDP, Herr Rösler. Wir hatten Ihnen vorgeschlagen, gemeinsam ein Thema für die Aktuelle Stunde vorzusehen. Ich meine, es hätte der desolaten Regierungspolitik in Berlin gut getan, hier einmal eine kleine Koalition gegen das große Versagen zu bilden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bedaure, dass Sie sich hier nicht freischwimmen konnten.

Die Zeitungen der letzten Tage muss man sich wirklich einmal an die Seite legen. Selbst Kollegen von Herrn Wulff reden Klartext. Ziel der Union, so heißt es dort, sei es immer gewesen, die Sozialabgaben zu bremsen. Das sagte der Kollege aus dem Saarland. Dann weiter: Jetzt machen wir genau das Gegenteil, sagt Ministerpräsident Müller. „Experten zwischen Spott und Wut“, so schreibt die HAZ am letzten Dienstag. Der Leitartikel mit „Absurdistan“ überschrieben. „Ein Durchbruch in zwei Richtungen“, so sagt Frau Merkel, während Herr Struck vom „Wortbruch der Kanzlerin“ spricht. Herr Wulff - er ist zurzeit leider nicht anwesend -, wie Sie hier als stellvertretender Bundesvorsitzender und Wortführer im Bundesrat für einen Scherbenhaufen gesorgt haben, das knüpft unmittelbar an

Ihre Obstruktionsrolle im Bundesrat in der vergangenen Wahlperiode des Bundestages an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, dabei ist das Vorhaben der großen Koalition zur Reform der Gesundheitspolitik nur ein Punkt in einer Reihe von Absurditäten, Betrugsmanövern und Irrtümern. Als der Koalitionsvertrag fertig war, haben sich viele Bürgerinnen und Bürger die Augen gerieben. Wie konnte - -

(Ein Fotograf fotografiert die Minister Hans-Heinrich Ehlen und Hans- Heinrich Sander)

Herr Abgeordneter Wenzel, einen Augenblick! - Ich möchte den Fotografen bitten, diejenigen, von denen er Fotos machen möchte, nach draußen zu bitten. Wir sind hier kein Fotostudio. Ich bitte Sie, nach draußen zu gehen. - Herr Wenzel, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, wie konnten aus keiner Mehrwertsteuererhöhung, wie sie die SPD forderte, und einer Mehrwertsteuererhöhung um zwei Prozentpunkte, wie sie die CDU forderte, schließlich drei Prozentpunkte zusätzliche Mehrwertsteuer werden? - Dann wurde eine Föderalismusreform verabschiedet, die die entscheidenden Fragen der Finanzverfassung und der Neuordnung der Länder außen vor ließ und unserer vernetzten Welt ein Kooperationsverbot in der Bildungspolitik bescheren wollte. Abstrus und anachronistisch!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und jetzt versäumt die große Koalition den dringend notwendigen Strukturwandel im Gesundheitssystem. Für die Bürgerinnen und Bürger wird es teurer. Die privat Versicherten können sich aber weiterhin aus der solidarischen Versicherung verabschieden. Wettbewerbsverzerrungen und Sonderregeln für die Pharmalobby bleiben weitgehend unangetastet. Mit der geplanten Extraabgabe für die Versicherten bekommen wir den Einstieg in die Kopfpauschale.

Die Erhöhung der Beiträge für die Krankenversicherung zeigt, dass die beiden wichtigsten Ziele nicht erreicht wurden. Ihr Konzept bietet keinerlei

Perspektive für die Lasten einer alternden Gesellschaft, und sie wird die Lohnnebenkosten und damit den Arbeitsmarkt belasten. Sie wird insbesondere den niedersächsischen Arbeitsmarkt im Bereich der Niedriglöhne treffen. Dafür tragen Sie, Herr Wulff, die Verantwortung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zu allem Überfluss bekommen wir noch einen faulen Kompromiss, der eine neue Mammutbehörde zum Einsammeln der Krankenkassenbeiträge schafft.

An diese große Koalition wurden große Erwartungen geknüpft. Eine verfassungsändernde Mehrheit im Bundesrat und im Bundestag hat bei vielen Menschen die Hoffnung geweckt, dass Entscheidungen möglich werden, die vorher immer wieder durch die jeweiligen Parteiegoismen über den Bundesrat blockiert wurden, sei es in der Endphase von Kanzler Kohl, sei es durch die schwarzgelbe Mehrheit im Bundesrat zur Zeit der rotgrünen Bundesregierung. Das betrifft u. a. eine weit reichende Föderalismusreform mit einer Neuordnung der Länder und der Finanzen. Vor allem betrifft das vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung eine sinnvolle Reform von Pflegeversicherung und Krankenversicherung.

Jetzt, Herr Wulff und Herr Jüttner, müssen wir leider erkennen, dass beide großen Volksparteien die Parteiegoismen überwiegen lassen. Da tritt doch tatsächlich der SPD-Generalsekretär am Tag nach dem Kompromiss mit breitem Grinsen vor die Kameras und verkündet stolz: 8 : 2 für die SPD. Meine Damen und Herren, bei der großen Koalition geht es nicht um die Sache. Da geht es um Pfründe, ums Gesichtwahren, um die Profilierung der eigenen Minister gegen die Kabinettskollegen der anderen Partei. Die Losung der großen Koalition lautet: erst die zwei großen Parteien, dann das Land. - Dieser faule Kompromiss, meine Damen und Herren, gehört in den Papierkorb.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf den Straßen und Plätzen Deutschlands, auf denen in den letzten Wochen so fröhlich und ausgelassen gefeiert wurde, wird es meines Erachtens niemanden geben, der für diesen Murks die Hände zum Applaus hebt oder gar Fahnen schwingt. Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Thiele das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Parlamentskollegen von den Grünen haben uns darum gebeten, uns heute unter dem Titel „Ihr könnt nach Hause fahren“ mit den so genannten Fangesängen zu befassen. Die Frage ist allerdings, ob dies den Landtag weiterbringt. Eben gerade habe ich dies zumindest nicht gespürt.

Ich habe bei Wikipedia einmal nachgeschaut, was Fangesänge eigentlich sind. Sie sind ein gesellschaftliches Phänomen, das vor allem im Sport, insbesondere bei Fußballspielen auftritt. Die Fangesänge basieren auf bekannten, meist einfachen Melodien, die mit kurzen, neuen Texten versehen werden.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Haben Sie die Rede eben gehört?)

- Wenn ich zitiere, darf ich das auch vorlesen. Besonders beliebt sind die Melodien von bekannten, populären Liedern - das Gesinge will ich Ihnen jetzt ersparen -, die einfach mit einem anderen Text unterlegt werden.

Es gibt verschiedene Funktionen, die Fangesänge im Sport erfüllen. Herr Wenzel, erstens ist die Unterstützung der eigenen Mannschaft zu nennen. Zweitens erfüllen sie die Funktion der Kritik an der eigenen Mannschaft. Das wäre bei diesem Titel für die Aktuelle Stunde in ihrem Fall angebracht gewesen. Drittens erfüllen sie die Funktion der Verhöhnung der gegnerischen Mannschaft, viertens die Funktion der Verhöhnung des lokalen Gegners und fünftens die Funktion der Kritik am Schiedsrichter, die wir uns ohnehin alle ersparen wollen. „Ihr könnt nach Hause fahren“ ist ohne Zweifel in die Kategorie der Verhöhnung der gegnerischen Mannschaft einzuordnen.

Solche Fangesänge haben wir bei der gesamten Weltmeisterschaft - ich gebe zu, dass es nur bei den Holländern eine Ausnahme gab - nicht erlebt. Ich glaube, zwischendurch wurde einmal gesungen: Ohne Holland fahren wir nach Berlin. Das haben wir aber ganz schnell wieder eingestellt.

Liebe Kollegen von den Grünen, wir haben uns als gute und weltoffene Gastgeber gezeigt. Ein Schlachtruf wie „Ihr könnt nach Hause fahren“ gehört nicht mehr in das Repertoire der deutschen Fans.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die FDP kann für sich selber sprechen. Ich bin mir aber sehr sicher, dass auch sie keine Fangesänge aus dieser Schublade anstimmt. Die FDP ist, wie wir alle wissen, ein sehr konstruktiver Partner hier im Landtag. Im Gegensatz zur Klinsmann-Elf haben die Grünen nicht nur zwei Jahre, sondern sogar sieben Jahre trainiert. Sie haben nicht einmal die Vorrunde überstanden, sitzen jetzt auf den billigen Plätzen und mosern herum.

(Beifall bei der CDU)

Herr Wenzel, ich meine, der Schlachtruf „Super Deutschland - olé!“ und die Stimmung auf der Fanmeile passen besser zur Arbeitsmarktentwicklung und zum Konjunkturtrend als das, was Sie hier gerade vorgetragen haben.

Von einem Zuwachs an Arbeitsplätzen konnten wir unter Rot-Grün jedenfalls nur träumen. Bei Ihnen saßen die Arbeitslosen nicht einmal auf der Ersatzbank. Das war eine ganz tragische Zeit für dieses Land.