Protocol of the Session on June 22, 2006

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich meine, wir alle hier im Plenum versuchen, einen richtigen Weg zu finden, wie wir mit so tragischen Einzelschicksalen, wie sie uns im Petitionsausschuss aber auch im Plenum beschäftigt haben, umgehen. Wir haben hierbei natürlich die bundesweit geltenden Regelungen und Gesetze zu beachten. Wir müssen aber auch einen verantwor

tungsvollen Umgang mit den Einzelfällen erreichen. Das haben wir - so meine ich - auch getan, als wir versucht haben, über den Petitionsausschuss und die Beratergruppe die Möglichkeiten des Zuwanderungsgesetzes in Niedersachsen auszugestalten. Wir haben dies getan, weil wir einen richtigen Umgang in den Einzelfällen erreichen wollten. Damit haben wir die Hoffnung verbunden, dass es im Landtag einen Konsens gibt und dass nicht die intimsten Details in die Öffentlichkeit gezogen werden, was die Betroffenen belasten würde.

Wir mussten feststellen, dass dieser Weg nicht gangbar war. Daher haben wir uns dazu entschieden - dabei besteht eigentlich auch fraktionsübergreifend Einigkeit -, den anderen Weg zu gehen, nämlich eine externe Härtefallkommission einzurichten.

Völlig unabhängig hiervon ist das, was der Kollege Bachmann kurz angesprochen hat, nämlich die Frage, ob und, wenn ja, welche weiteren bundesweiten Regelungen es zu den Problemen der Altfallregelung, der Kettenduldung und eines Bleiberechtes in diesen Fällen gibt. Hierüber werden wir nicht heute reden und abstimmen, sondern wir werden im Juli-Plenum, wenn die Beratungen entsprechend vorangeschritten sind, eine Entscheidung treffen. Sie haben gestern ja der Pressemeldung entnehmen können, dass wir uns darauf geeinigt haben, der Landesregierung Hinweise zu geben, wie wir uns das weitere Vorgehen bei der Evaluierung des Zuwanderungsgesetzes wünschen.

Wir können heute den Beschluss fassen, die Landesregierung zu bitten, eine Härtefallkommission einzurichten. Ich meine, man sollte in diesem Zusammenhang nicht nur auf ein einzelnes Bundesland abheben. Herr Bachmann, natürlich haben wir als FDP in Rheinland-Pfalz die Regelung mitgetragen. Aber warum sollten wir nicht auch BadenWürttemberg oder Nordrhein-Westfalen, wo die FDP den Innenminister stellt, als Beispiel heranziehen. Man kann die Erfahrungen aller Bundesländer berücksichtigen.

Ich bitte Sie heute eindringlich: Stimmen Sie unserem gemeinsamen Änderungsantrag zu, damit wir als Plenum heute einvernehmlich die Entscheidung für die Einrichtung einer Härtefallkommission treffen. Das wäre, so meine ich, ein angemessenes Zeichen für die Betroffenen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Schünemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich finde es schon hochinteressant, dass man jetzt beklagt, dass das Parlament das Zepter des Handelns nicht mehr in der Hand hat, sondern dass jetzt der Innenminister dieses Zepter mit der Härtefallkommission in die Hand bekommt. Ich bin - ich glaube, nachweislich - immer dafür gewesen, dass das Parlament noch mehr Einfluss hat. Das Petitionsverfahren ist ein Verfahren, welches das Parlament selber gestalten kann. Dieses ist jetzt ausdrücklich nicht mehr gewünscht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Von uns schon!)

Insofern werden wir jetzt über die Härtefallkommission - wie in allen anderen Bundesländern auch sicherlich eine vernünftige Lösung finden. Aber der Vorwurf, jetzt würde der Innenminister das durchsetzen, was er sich schon immer gewünscht hat, ist bar jeder Realität.

(Zustimmung bei der CDU)

Es wird immer gesagt, ich sollte doch eine Verordnung machen, die sich an der Verordnung von Rheinland-Pfalz orientiert. Schauen wir uns doch einmal die Ausschlusskriterien in der Verordnung von Rheinland-Pfalz an.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Polat?

Ganz am Ende meiner Ausführungen. Ich möchte erst einmal im Zusammenhang vortragen. Dann kann Frau Polat eine Frage stellen. Vielleicht kommen auch noch andere Fragen, dann kann ich sie im Paket beantworten.

Gemäß der Verordnung in Rheinland-Pfalz ist ein Antrag unzulässig, wenn die Zuständigkeit des

BAMF gegeben ist. Das steht in unserer Verordnung ebenfalls.

Unzulässig ist ein Antrag ebenfalls, wenn eine Abschiebungsanordnung nach § 58 a des Aufenthaltsgesetzes die zwingende Ausweisung nach § 53 des Aufenthaltsgesetzes rechtfertigt. Diese Regelung ist bei uns ebenfalls enthalten.

In der Regel ausgeschlossen ist die Annahme eines Härtefalls bei der Begehung von Straftaten von erheblicher Bedeutung. Sie ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn das Ausreisehindernis selbst verschuldet ist. Das heißt, wenn man selbst nicht mit versucht, Passersatzpapiere zu bekommen, dann ist das auch ein Ausschlusskriterium. Das ist in Rheinland-Pfalz so geregelt. Deshalb haben wir diesen Punkt auch in unsere Verordnung mit aufgenommen.

Ein weiteres Ausschlusskriterium ist, wenn man unmittelbar vor Antragstellung illegal, visumsfrei oder mit Besuchervisum eingereist ist oder wenn eine Regelausweisung nach § 54 des Aufenthaltsgesetzes gerechtfertigt ist. Alle diese Punkte sind in Rheinland-Pfalz genauso geregelt, wie dies bei uns vorgesehen ist.

Der einzige Punkt, den wir etwas anders gefasst haben, weil wir in der Verfassung eine strikte Konnexität beschlossen haben, bezieht sich auf den Lebensunterhalt. Dieser muss nämlich gesichert sein. Wir sagen aber: Wenn sich der betroffene Landkreis oder die betroffene kreisfreie Stadt bereit erklärt, die Kosten zu tragen, dann kann ein Fall der Kommission als Härtefall zugeleitet werden.

Meine Damen und Herren, wer die Musik bestellt, der soll sie auch bezahlen. Deshalb ist es notwendig, dass wir die Kommunen vorher fragen. Diesen Punkt haben wir in die Verordnung zusätzlich aufgenommen. Das ist nun wirklich nicht inhuman, sondern absolut sinnvoll. Aber mir vorzuwerfen, wir würden Familien oder eine allein erziehende Mutter mit Kind ausschließen, ist schlichtweg falsch und Quatsch; denn wir haben diese Sonderregelung vorgesehen. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch die Verordnung von Rheinland-Pfalz weiter an. Die Härtefallkommission soll acht Mitglieder umfassen. Zugegeben, in unserem Verordnungsentwurf sind

neun Mitglieder vorgesehen, aber ich bin bereit, auf ein Mitglied zu verzichten, sodass unsere Kommission auch acht Mitglieder umfasst.

Als Mitglied mit Stimmrecht ist in Rheinland-Pfalz der Leiter des Ausländerreferats vorgesehen. Ich bin bereit, das Stimmrecht in diesem Fall nicht vorzusehen, damit keine Abhängigkeit gegeben ist. Ich glaube es ist sinnvoll, dass wir an dieser Stelle sogar noch weiter gehen als Rheinland-Pfalz.

Weiter sind der Städtetag und der Landkreistag zu beteiligen - da gibt es schon einen Vorschlag -, die evangelische Kirche und das Katholische Büro sind zu beteiligen; auch den Wohlfahrtsverbänden werden wir einen Sitz anbieten. Ich finde es auch sinnvoll, die Gewerkschaften und auch Handwerks- und Unternehmerverbände mit einzubeziehen. Das werden wir machen. In diesem Fall weicht unsere Verordnung von der von RheinlandPfalz ab. In Rheinland-Pfalz soll noch der Landesbeauftragte für Asylfragen beteiligt werden. Aber ich glaube, wenn wir die Gewerkschaften mit einbeziehen, dann dürfte das von Ihrer Seite nicht unbedingt kritisiert werden. Meine Damen und Herren, ich frage mich wirklich, wo der große Unterschied ist.

Zu den Mehrheiten: In Rheinland-Pfalz muss bei acht stimmberechtigten Mitgliedern eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Stimmberechtigten gegeben sein. Genau das wollen wir auch vorsehen. Ich frage Sie: Was kritisieren Sie eigentlich im Vorfeld dieser Härtefallkommission? Da kann sich doch nur der Eindruck verstärken, dass es Ihnen genauso wie beim Petitionsverfahren nur darum geht, Klamauk zu machen, anstatt dieser Sache vernünftig entgegenzukommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dazu, dass die Jüdische Gemeinde Niedersachsen nicht beteiligt worden ist: Ich habe einen Brief von Herrn Fürst bekommen, in dem er mir geschrieben hat, dass er gerne beteiligt würde und dass er in Kürze mit einem Terminwunsch auf mich zukommen würde. Ich habe darauf gewartet, aber er hat sich bis heute nicht gemeldet. Trotzdem habe ich ihm den Verordnungsentwurf natürlich zugeschickt, damit eine Stellungnahme abgegeben werden kann. Das ist völlig unproblematisch. Aber eines steht fest: Bei keiner Härtefallkommission - auch in Rheinland-Pfalz nicht - gibt es eine Beteiligung der jüdischen Gemeinden. Die evangelische Kirche

und das Katholische Büro sind auch in RheinlandPfalz beteiligt. Das kann man als Fakt feststellen.

Meine Damen und Herren, wir sollten erst einmal abwarten, wie die Härtefallkommission arbeitet. Es hat bereits eine Anhörung stattgefunden. Vorgeschrieben ist übrigens nur eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände, weil diese die Kosten zu tragen haben. Wir haben aber die anderen Bereiche mit einbezogen. Natürlich haben wir auch ganz frühzeitig die Fraktionen mit einbezogen; Ihre Stellungnahmen habe ich ja auch bekommen.

Meine Damen und Herren, was das Bleiberecht insgesamt angeht, ist die Situation seit einigen Wochen völlig klar: Die Innenministerkonferenz und der Bundesinnenminister haben sich für eine Evaluierung ausgesprochen, an der sich das Land Niedersachsen beteiligen wird. Wenn im Herbst die Evaluierung ausgewertet sein wird, wird entschieden werden, ob schon umsetzt worden ist, was wir uns beim Zuwanderungskompromiss in die Hand versprochen haben, dass nämlich Kettenduldungen in der bisherigen Form nicht mehr möglich sein sollen. Sollten wir dies tatsächlich erreicht haben, brauchten wir kein Bleiberecht mehr. Im anderen Fall könnten wir über alle anderen Dinge sprechen. Diesbezüglich sollten wir unaufgeregt sein, da alles im Fluss ist.

Ganz zum Abschluss komme ich noch auf eines zu sprechen, was mich, wie ich offen zugebe, nervt. Frau Merk, Sie haben hier gerade noch einmal dargestellt, dass Sie seinerzeit beinahe aus dem Kabinett geflogen wären, weil Sie sich für Asylfragen eingesetzt hätten. Sie haben mir vorgeworfen, ich versuche nur abzuschieben, ich sei inhuman, unchristlich usw. Angesichts dessen weise ich darauf hin, was Sie ausweislich des Protokolls über eine Landtagsdebatte einmal zum Thema Abschiebung gesagt haben, als die damalige Opposition Ihnen unterstellt hatte, dass Sie auf diesem Gebiet nicht rigoros genug vorgingen. AlmMerk, Niedersächsischer Landtag, 12. Wahlperiode, 78. Plenarsitzung, 18. März 1993 - ich zitiere wörtlich -:

„Im Jahr 1989, als Sie noch munter regiert haben, haben Sie ganze 420 abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber abgeschoben.“

- Ganze 420! So sagten Sie, Frau Merk.

„Jetzt, im Jahr 1992, sind es 1 194 Asylbewerber.“

(Zuruf von der CDU: Sie ist noch stolz darauf gewesen!)

„Nun kommt jemand daher und fordert mich auf, ich möchte doch endlich die Rechte vollziehen und entsprechend abschieben. Das ist doch schon lächerlich; denn die Zahl, die Sie damals hätten abschieben können, war nicht minder klein. Sie haben es nicht getan, wir haben es getan.“

So Frau Merk.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Das ist der Spiegel! So ist sie! - Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ich zitiere weiter - ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich Sie zitiere -:

„1989 waren Sie bei ganzen 6 %, und wir sind inzwischen erheblich weiter. Sie haben gesehen, wie das gelaufen ist.

Lassen Sie mich noch eines sagen: Es ist ja nicht nur in Niedersachsen so. Ein Asylbewerber hat immer mehrere Möglichkeiten. Er reist freiwillig aus, oder er wird inhaftiert, oder er verspricht, freiwillig auszureisen. Das Versprechen ist das eine, das Halten dieses Versprechens ist das andere.“

So Alm-Merk zur Asylpolitik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Unglaublich!)

Gerade weil es hier um Einzelschicksale geht, ist niemandem in diesem Parlament und auch keinem Mitglied der Landesregierung in irgendeiner Weise zu unterstellen, dass er sich in einer so schwierigen Situation, in der das Recht umgesetzt werden muss, unchristlich und unbarmherzig verhalte. Dies dürfen Sie schon deswegen nicht, weil Sie selbst, als Sie in dieser Situation waren, so redeten, wie ich es gerade zitiert habe. Dies sollten Sie nicht vergessen. - Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Während der Rede des Ministers haben sich Frau Polat und Herr Bachmann zu Zwischenfragen gemeldet. Ich erteile daher den beiden Fraktionen eine zusätzliche Redezeit von zwei Minuten. Zunächst Frau Polat, dann Herr Bachmann.

Herr Minister Schünemann, zu Beginn Ihres Beitrages sind Sie auf die Verordnung eingegangen. Es wurde bereits kritisiert, dass das ganze Verfahren in Ihrem Ministerium hinter verschlossenen Türen abläuft. Die Stellungnahmen liegen vor, auch die Stellungnahme meiner Fraktion. Werden Sie diese Stellungnahmen berücksichtigen? Können Sie uns etwas zur Zusammensetzung sagen?