Protocol of the Session on June 22, 2006

Bereits 2004 hat der NDR zum Thema Programmauftrag verbindliche Leitlinien formuliert und veröffentlicht. Dies geschah vor dem Hintergrund der seinerzeitigen Einführung des § 11 Abs. 4 des Rundfunkstaatsvertrages, der alle in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten zur Festschreibung ihres jeweiligen Programmauftrages verpflichtete.

Im vergangenen Jahr gab es die Änderung des NDR-Staatsvertrages. Mit dieser Änderung haben die vier beteiligten Länder, also auch Niedersachsen, den Programmauftrag für den NDR spezifiziert und, meine Damen und Herren, vor allen Dingen gesetzlich verankert. Damit besitzt der Sender ein verbindliches Leitbild. Ihr Antrag läuft also ins Leere, und zwar nicht nur zum Thema Programmauftrag, sondern auch im Bereich Transparenz; denn was die Transparenz seiner Arbeit betrifft, veröffentlicht der NDR regelmäßig einen - so wört

lich - „Bericht über die Erfüllung seines Programmauftrages, über die Qualität und Quantität der Programme und Angebote sowie die geplanten Schwerpunkte der jeweils anstehenden programmlichen Leistungen“. Also auch dieser Punkt ist abgehakt.

Richtig ist, dass die Gremien des öffentlichrechtlichen Rundfunks gestärkt werden sollten. In dieser Sache sind wir uns absolut einig. Genau das ist ja auch erklärtes Ziel des neuen NDRStaatsvertrages, der vor allem auf unsere Initiative, nämlich die Initiative Niedersachsens, im letzten Jahr zustande gekommen ist. Aber das von Ihnen vorgeschlagene Instrumentarium wird entweder bereits seit Jahren genutzt oder ist nach unserer Auffassung untauglich.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Um nur ein Beispiel zu nennen: Selbstverständlich haben der Rundfunk- und der Verwaltungsrat als Organe des NDR jeweils das Recht, unabhängige Sachverständige zu konsultieren. Von dieser Möglichkeit haben beide Gremien in der Vergangenheit bereits Gebrauch gemacht. Deshalb, meine Damen und Herren, muss dies auch nirgendwo verordnet werden.

Ein Beispiel zum Stichwort „untaugliches Instrument“ ist Ihre Forderung, dass ausgerechnet der für Programmfragen zuständige Rundfunkrat die Beteiligungsgesellschaften und Tochterfirmen des NDR kontrollieren solle. So etwas, meine Damen und Herren, kann nur Sache des Verwaltungsrates sein, und so ist das auch geregelt; denn dieser Bereich fällt in die Geschäftsführung des Intendanten. Deren Überwachung ist, wie im Staatsvertrag ausdrücklich geregelt ist, Sache des Verwaltungsrates. Zur Verstärkung der Kontrolle hat diese Landesregierung dafür gesorgt, dass seit kurzem zusätzlich die Landesrechnungshöfe diese Unternehmen ebenfalls prüfen dürfen.

Ein weiteres Beispiel zum Stichwort „ungeeignete Vorschläge“: In Zeiten wie diesen stellt Ihre Forderung, der NDR solle eine Publikumsstelle einrichten, einen Anachronismus dar. Statt weniger wollen Sie mehr Bürokratie und damit mehr Kosten. Diese Kosten, meine Damen und Herren, fallen letztlich auf unsere Bürgerinnen und Bürger zurück.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Übrigen: Das Beschwerdemanagement des Norddeutschen Rundfunks gab und gibt keinen Anlass zu grundsätzlicher Kritik. Wir müssen uns fragen, was Ihre Vorschläge eigentlich sollen.

Alles in allem kann man nur zu dem Ergebnis kommen, dass der Antrag der SPD-Fraktion in diesem Fall der medienpolitischen Entwicklung hinterherläuft. Wir sollten ihn schnell abhaken. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest: Der Beschlussempfehlung des Ausschusses ist gefolgt.

(David McAllister [CDU]: Wieder ge- wonnen!)

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 33: Fortführung der Substitutionstherapie mit Heroin - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2921

Zu diesem Antrag findet nicht die erste Beratung statt. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, diesen Antrag direkt zu überweisen. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch.

Ich komme zur Ausschussüberweisung.

Dieser Antrag soll federführend dem Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit überwiesen werden. Mitberatend sollen sowohl der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen als auch der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien tätig werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das ist einstimmig so beschlossen.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Kindergesundheit fördern Stärkeres Durchimpfen zur Masernelimination - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP Drs. 15/2923

Frau Kollegin Prüssner hat sich zu Wort gemeldet.

(Unruhe)

- Frau Prüssner, bitte warten Sie noch einen Augenblick, sonst kann ich Sie nicht verstehen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sie sprechen zu leise!)

- Ich spreche mit ganz normaler Lautstärke, sogar mit Mikrofon. Ich meine aber, der Geräuschpegel im Plenarsaal sollte etwas leiser sein, Herr Kollege Klare.

Frau Prüssner, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schulmediziner haben vor Masern großen Respekt. Noch vor 100 Jahren starben in Deutschland jährlich 1 500 Kinder an diesem Virus.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Trotz der guten medizinischen Versorgung heute kommt es noch immer in etwa 20 % aller Fälle zu Komplikationen. Da das Immunsystem durch das Virus über mindestens sechs Wochen schwer angeschlagen ist, sind Folgeerkrankungen wie Lungenentzündung oder schwere Mittelohrentzündung nach Masernerkrankungen keine Seltenheit. Eines von 1 000 Kindern erleidet auch heute noch schwerste Komplikationen, wie z. B. die Maserngehirnhautentzündung, die sogar tödlich enden kann.

Jedes Kind hat das Recht auf ein Höchstmaß an Gesundheit, steht in der UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Hierzu gehört nach Ansicht der Weltgesundheitsorganisation auch die Masernprävention. Deutschland hat sich gegenüber der WHO verpflichtet, die Masern im Lande bis zum Jahr 2010 zu eliminieren.

Soll dieses Ziel erreicht werden, müssen adäquate Impfraten erreicht werden. Bei den Impfraten liegt Deutschland nicht auf dem Spitzenplatz im euro

päischen Vergleich. Es gibt immer wieder regelmäßige Ausbrüche mit schweren Erkrankungen so wie jetzt in NRW. Seit März sind in NRW etwa 1 400 Menschen erkrankt. Das ist die höchste Zahl seit Jahren in Deutschland. In Schleswig-Holstein sind 45 Kinder erkrankt.

In Niedersachsen sind es aktuell - wir konnten es heute alle in der Presse lesen - 28 Fälle. Betroffen sind neben der Region Hannover die Landkreise Northeim und Holzminden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Übrigens: Auch Erwachsene können sich anstecken. Insofern ist es ganz interessant, wenn man zuhört. - Es muss befürchtet werden, dass in den nächsten Tagen weitere Personen an Masern erkranken.

Alle betroffenen Personen waren nicht geimpft. In Deutschland gibt es keine Impfpflicht. Die Impfraten bei Kleinkindern haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahren zwar verbessert, sind aber immer noch zu niedrig. Viele Eltern und übrigens auch Ärzte sind immer noch der Ansicht, dass eine Maserninfektion für Kinder ungefährlich und für das Immunsystem gesünder als eine Impfung sei. Sie sind der Auffassung, dass Kinderkrankheiten durchlebt werden müssen, um ihr Immunsystem richtig aufzubauen.

Meine Damen und Herren, kennen Sie Masernparties? Wer heute die Zeitung gelesen hat, hat sich da schon vorinformieren können. Bei Masernparties läuft das so: Eltern informieren sich in ihrem Umfeld, geben sich Nachricht, wenn in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis ein Kind an Masern erkrankt. Dann besuchen noch gesunde Kinder ein bereits an Masern erkranktes Kind, um sich möglichst frühzeitig anzustecken und anschließend immun zu werden. Das Niedersächsische Landesgesundheitsamt warnt, dass solches Verhalten der Eltern grob fahrlässig ist.

(Walter Meinhold [SPD]: Allerdings!)

Durch die Umsetzung unseres vorliegenden Antrages erreichen wir sicher auch eine höhere Aufklärung der Eltern. Zwar bekommen inzwischen 92 % der Kinder vom vollendeten 11. bis 14. Lebensmonat die erste empfohlene Masernimpfung. An die zweite Impfung wird dann aber nicht mehr gedacht. Sie wird schlichtweg vergessen. Aus Schuleingangsuntersuchungen ist bekannt, dass die zweite Impfung, die vier Wochen nach der ersten Ma

sernimpfung gegeben werden sollte, deutschlandweit nur noch zu 30 % der Fälle erfolgt.

Die durch die Impfung bewirkte Immunantwort ist nach vier bis sechs Wochen nachweisbar. Die empfohlene Zweitimpfung soll den Kindern, die aus unterschiedlichen Gründen nach der Erstimpfung keine Immunität entwickelt haben, eine zweite Chance geben. So ist die empfohlene Zweitimpfung also keine Auffrischungsimpfung, wie fälschlicherweise gemeint wird.

Um, wie von der WHO geplant, die Masern in Europa zu eliminieren, müssen 95 % der Kinder bis zum zweiten Geburtstag zweimal geimpft werden. Das wird annährend in Finnland erreicht, wo sich in den letzten Jahren kein Mensch mehr mit Masern angesteckt hat. In Deutschland sind in den vergangenen Jahren immer wieder Kinder an Krankheiten verstorben, die es anderswo gar nicht mehr gibt.

Nur durch ein konsequentes Durchimpfen kann nicht nur die Erkrankung mit ihren schwer wiegenden Komplikationen, sondern auch die Weiterverbreitung eliminiert werden. Masernepidemien sind kein unabwendbares Schicksal. Durch konsequentes Impfen ist es in Deutschland gelungen, etwa die Polio, die Kinderlähmung, auszurotten. 2001 kam die Mitteilung der WHO, dass Europa und damit natürlich auch Deutschland poliofrei ist. Auch Diphtherie gibt es in Deutschland nicht mehr.

Um auch die Masern endgültig auszurotten, bitten wir in unserem Antrag um einen umfassenden Katalog von Maßnahmen. Dazu gehört eine möglichst vollständige Erhebung der Impfdaten, um gezielt Aufklärungsarbeit leisten zu können. Weiterhin sollen alle niedergelassenen Ärzte und Behörden des öffentlichen Gesundheitsdienstes motiviert werden, ihre Anstrengungen zu verstärken und konsequent auf die Notwendigkeit der zweiten Masernimpfung hinzuweisen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Entwicklung eines Konzeptes zur frühen Komplettierung der Impfungen gerade auch unter Einbeziehung der Kindergärten.

(Beifall bei der CDU)

Die Bundesländer haben jetzt noch dreieinhalb Jahre Zeit, die Masern fristgerecht zu eliminieren. Die WHO beobachtet Deutschland dabei alle sechs Monate aufs Neue. Der Wettlauf der Bundesländer hat begonnen. Vor allem aber steht die Gesundheit der Kinder an erster Stelle. Eben des

halb ist große Eile geboten. Handeln wir schnell! Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)