Eine zentrale Grundlage der Ideologie des Rechtsextremismus ist das Prinzip, dass es ungleichwertige Menschen gibt. Darauf setzen die Rechtsextremisten mit aller Kraft und machen dieses Prinzip zum Muster. In einer Demokratie muss aber das Gegenteil gelebt werden, Herr Minister: Alle Menschen haben den gleichen Wert, ganz gleich, wo auch immer sie stehen, was auch immer sie glauben, wo auch immer sie hingehören. In diesem Kontext habe ich gesagt: Es wäre ein wichtiges Signal, wenn wir auch in den allgemein bildenden Schulen - also in den Grundschulen, den Hauptschulen, den Realschulen und den Gymnasien - auch gegenüber Kindern mit Behin
Ich sage Ihnen noch etwas: Auch mich erschüttern die Berichte über Überfälle auf Behinderte nachhaltig; denn diese Menschen sind aufgrund ihrer besonderen Situation zusätzlich wehrlos. Von daher sollte ich nicht so verstanden werden, dass ich die Förderschulen und die Arbeit der dort tätigen Lehrerinnen und Lehrer habe schlecht machen wollen, sondern es wäre ein wichtiges demokratisches Element, auch an dieser Stelle zu sagen: Wir alle gehören zusammen. Wir alle lernen voneinander. Wir alle sitzen zusammen. - In diesem Kontext habe ich das gemeint, also als Entziehung einer Grundlage, worauf die anderen immer setzen: ungleich, ungleich, ungleich.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in meiner Rede versucht, es ein bisschen deutlich zu machen. Es ist doch ganz wichtig, dass unter allen demokratischen Parteien eine gewisse Einigkeit herrscht. Ich habe versucht, dies hier differenziert darzustellen. Ich habe aber nicht gesagt, dass die Landesregierung in diesem Bereich nichts macht. Es hilft uns aber gar nicht weiter, wenn hier immer versucht wird, ein bisschen zu relativieren: Ja, ja, ja, ihr thematisiert immer den Rechtsextremismus. - Ich verwahre mich auch gegen den Vorwurf, Herr Busemann, dass das immer so quartalsmäßig kommt. Nein, wir wollen versuchen, das nicht quartalsmäßig und saisonal zu machen, um eine schnelle Schlagzeile zu produzieren. Dafür ist das Thema viel zu ernst. Das ist gar nicht unser Versuch in dieser Debatte.
Wir haben nun einmal das Phänomen - lesen Sie doch einmal die Berichte! -, dass der Rechtsextremismus momentan bundesweit zunimmt. Es gab mehrere sehr schlimme Vorfälle - zugegebenermaßen in anderen Bundesländern, aber mit Todesfolge. Das ist doch schlimm genug. Die NPD hat in großen niedersächsischen Städten mehrfach Demonstrationen durchgeführt. Es ist doch schlicht falsch, wenn Frau Ernst hier sagt: Alles in Ordnung, der Verfassungsschutzbericht spricht von Entwarnung.
- Natürlich haben Sie das in Ihrer Rede gesagt. Wir stehen vor dem Problem, dass die NPD einen sehr starken Zulauf hat, meine sehr verehrten Damen und Herren. Von daher ist es nicht zu viel verlangt, wenn wir jetzt sagen: Die Landesregierung muss in diesem Bereich ihre bildungspolitischen Aktivitäten verbessern.
Einen Satz noch, Frau Präsidentin. Ich komme sofort zum Schluss. - Es ist ganz einfach, Herr Busemann: Es gibt in Niedersachsen Institutionen und Initiativen, die momentan mit Bundesgeldern arbeiten. Sie befinden sich aber in einer sehr prekären Situation und stehen auf der Abschussliste.
Der Bund und die Länder haben immer vereinbart, dass die Länder dies verstetigen. An dieser Stelle sind Sie jetzt gefordert, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Der Ältestenrat empfiehlt Ihnen, mit der federführenden Beratung dieses Antrags den Ausschuss für Inneres und Sport zu befassen. Mitberatend tätig werden soll der Kultusausschuss. Zusätzlich zur Empfehlung des Ältestenrates ist beantragt worden, auch den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit mitberatend tätig werden zu lassen. Wer so entscheiden möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenprobe?
Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die Mittagspause ein und treffen uns um 15 Uhr wieder. Dann geht es mit der Großen Anfrage weiter.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mittagspause ist leider zu Ende. Wir fahren jetzt in unseren Beratungen fort. - Ich sehe, dass sich Herr Jüttner zur Geschäftsordnung gemeldet hat. Bitte!
Tagesordnungspunkt 34: Besprechung: Bezirksregierungen abgeschafft und was sonst noch? - Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2672 - Antwort der Landesregierung - Drs. 15/2852
- Ich habe gehört, dass das noch nicht bei allen der Fall ist, aber ich glaube, die Fraktionen wollen trotzdem die Besprechung durchführen. Zu Wort hat sich schon Herr Prof. Dr. Lennartz gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Vorbemerkung auf unsere Große Anfrage sagt die Landesregierung: Es gibt keine Alternativen zur Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen.
Das stimmt so nicht. Natürlich hätte es Alternativen gegeben. Ich verweise nur auf eine, die in Baden
Württemberg praktiziert worden ist, nämlich auf das Modell der so genannten integrierten oder konzentrierten Dreistufigkeit.
Die Schlüsselfrage bzw. Schlüsselalternative, um die es geht, ist: Schafft man die Mittelbehörden mit dem Ziel einer zweistufigen Verwaltung ab, oder integriert man die Landesämter in die Mittelbehörden, d. h. schafft man die Landesämter ab?
Ihr bevorzugter Gutachter, Herr Professor Hesse, hat in Baden-Württemberg für konzentrierte Dreistufigkeit und in Niedersachsen für Zweistufigkeit plädiert. Ist das konsequent? Unterscheiden sich die beiden Länder gravierend? - Meines Erachtens nicht. In Bezug auf die Einwohnerzahl liegt BadenWürttemberg vorn, in Bezug auf die Flächenausdehnung Niedersachsen.
In der Anhörung des Innenausschusses und des Umweltausschusses Anfang Mai zum Elbehochwasser haben Sie, Herr Schünemann, die Dreistufigkeit in der Katastrophenschutzverwaltung als besonderen Erfolgsmaßstab für die Bewältigung der Hochwasserkatastrophe an der Elbe angeführt. Wenn es politisch brennt - das ist meine Schlussfolgerung -, dann pfeifen Sie auch schon mal auf die Zweistufigkeit, die Sie ansonsten immer als hehres Gut vor sich hertragen.
Mal wissenschaftlich bewertet: Zweistufigkeit bedeutet Stärkung der politischen Exekutive, nämlich Stärkung der Fachaufsicht in den Ministerien, aber bedeutet auch, dass das operative Geschäft in den Ministerien zulasten der strategischen Steuerungsfähigkeit der Ministerien zunimmt.
Die Ausführungen der Gutachter Bogumil und Kottmann in einem Gutachten über die Verwaltungsreform in Niedersachsen will ich hier nicht weiter heranziehen. Aber ich habe gesehen, Herr Schünemann, Sie haben vorhin schon angefangen, das Gutachten zu lesen. Darin sind einige interessante Erkenntnisse, die Ihrer Verwaltungsreform eher kritisch gegenüberstehen.
Ich komme zur finanziellen Bilanz in Bezug auf unsere Fragen und Ihre Antworten. Ihre Zahlen, Herr Minister, sind so gut, dass sie unglaubwürdig werden.
Wir hatten nach dem reformbedingten Stellenabbau gefragt, waren also von 5 438 Stellen ausgegangen, die im Rahmen der Gesetzesfolgenabschätzung in den Gesetzeswerken des vorletzten Jahres verhandelt worden waren. Sie haben die Zahlen der Zielvereinbarung II in Höhe von 6 743 als Referenzgröße herangezogen. Bezogen darauf haben Sie nach eigener Aussage bislang 2 731 Stellen in einem Jahr eingespart. Zieht man die ca. 750 Stellen ab, die durch § 109 des Beamtengesetzes eingespart wurden, dann haben Sie in einem Jahr knapp 2 000 Stellen eingespart. Mit dieser Antwort verschleiern Sie zumindest, wie viele Stellen tatsächlich reformbedingt eingespart werden konnten. Das aber genau war unsere Frage.
Die größte Schwachstelle in Ihrem Umsetzungsprozess ist offensichtlich die Job-Börse. Sie sagen, die Job-Börse habe sich insgesamt bewährt, zum Ende April dieses Jahres seien 1 225 Personen gemeldet gewesen, bis Ende April dieses Jahres seien 332 Vermittlungen aus der Job-Börse geleistet worden - innerhalb eines Jahres. Wenn Sie die Zahl der Vermittlungen mit der Zahl der Beschäftigten in der Job-Börse in Relation setzen, dann kommen Sie zu einem sehr niedrigen Vermittlungsergebnis. Wenn man diese Quote im Zusammenhang mit der Arbeit der Bundesagentur für Arbeit heranziehen würde, würde sofort der Ruf nach deren Abschaffung auftauchen.
Da die Zahl der hier zu erbringenden Stellen mit Ihrer Fünftelungsregelung - Sie wollen ja bis zum Jahr 2009 sozusagen das Gesamtvolumen eingespart haben - weiter steigen wird - Sie sagen selbst, voraussichtlich wird bis 2009 die Zahl der vermittlungsbedürftigen Personen durch die JobBörse noch einmal um 1 800 ansteigen; das heißt, mit dem Stand, den wir jetzt haben, werden es insgesamt 3 000 Personen/Stellen sein, die sozusagen über die Job-Börse vermittelt werden müssen -, wird es immer schwieriger werden, Ihre Zielvorstellungen zu erreichen.
Unser Ergebnis ist: Die Job-Börse löst den Stellenabbau auch nicht ansatzweise. Krasseste Verlierer sind die Arbeiter; es sind 372 wegen - wie Sie sagen - begrenzter Verwendungsmöglichkeiten. Das Innenministerium empfiehlt selbst in einem Bericht an die Staatskanzlei, man müsse das Ausscheiden von Arbeitern im öffentlichen Dienst
der Landesverwaltung durch Abfindungen vor Erreichen der Regelaltersgrenze praktizieren. Damit würden Sie die 109er-Regelung auf den Arbeiterund Angestelltenbereich sinngemäß übertragen.
Mithilfe der 109er-Regelung haben Sie bisher nach eigener Aussage 746 Stellen abgebaut. Die Kostenersparnis aus diesen Stellen beziffert sich nach Ihrer Aussage auf miese, kleine 8,4 Millionen Euro. Das heißt, Sie haben 746 zum Teil hoch qualifizierte Beschäftigte abgebaut; die Ersparnis für diese 746 Stellen beträgt 8,4 Millionen Euro. Das ist in meinen Augen ein ganz schlechtes Ergebnis.
Berücksichtigt man noch die hohe Zahl der Ausnahmen vom Einstellungsstopp, den die Landesregierung 2003 erlassen hat, nämlich Ausnahmen in der Größenordnung von über 2 500, so prognostizieren wir Ihnen, dass Sie Ihr Ziel des Stellenabbaus bis 2009 nicht erreichen können.
Zu den Widerspruchsverfahren möchte ich aber doch noch eine kurze Aussage machen. Auf die Große Anfrage der SPD hat Justizministerin Heister-Neumann seinerzeit gesagt: Wir rechnen für 2005 mit 1 600 Verfahren mehr durch die Abschaffung der Widerspruchsverfahren. Tatsächlich - das wird jetzt in der Statistik in Ihrer Antwort deutlich - sind es 5 226 Verfahren mehr an den Verwaltungsgerichten in Niedersachsen. Wie man sich dann gleichzeitig zu der These versteigen kann, dass Personalbedarf in den Verwaltungsgerichten nicht bestehe, ist jedenfalls für mich schleierhaft. Das ist weder im Sinne der Rechtswegegarantie des Artikels 19 des Grundgesetzes noch im Sinne einer Kundenfreundlichkeit für diejenigen, die vor Gericht ziehen bzw. die gezwungen sind, vor Gericht zu ziehen, in irgendeiner Weise vertretbar.