Protocol of the Session on May 17, 2006

Für die FDP-Fraktion ist Gesine Meißner schon unterwegs. Ich erteile ihr das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wahrscheinlich sagen Sie jetzt: Gabi Jakob hat auch wieder betont, sie sei für die Förderung von Mädchen- und Jungenhilfe in Niedersachsen. Warum geschieht das dann nicht? - Ulla Groskurt hat es so dargestellt, als würden wir das nicht tun.

Dass Männer und Frauen verschieden sind, wissen wir genau. Dass dies einem der beiden Geschlechter jeweils nicht immer zum Vorteil gereicht, wissen wir auch.

(Bernd Althusmann [CDU]: Gott sei Dank!)

Wenn wir mit dem Bereich der Politik anfangen, lässt sich feststellen, dass wir hier im Landtag immer wieder erleben, dass bei den Männern eher das Kämpferische, das Kräftemessen und manchmal auch Imponiergehabe im Vordergrund stehen. In der Hinsicht gibt es im Landtag einige Lokalmatadore.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn wir dann die Frauen anschauen, stellen wir fest, dass es bei ihnen durchaus anders ist. Die Frauen mögen nicht so gerne Inszenierungen. Sie machen Politik anders. Ihnen geht es mehr um das Kämpfen für die Inhalte; darum kämpfen sie leidenschaftlich und engagiert. - Ich habe meinen Beitrag zwar etwas spaßhaft angefangen.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es handelt sich aber um ein ernstes Thema. Ich stehe sehr wohl dazu, dass wir noch vieles tun müssen. In der Politik führt das erwähnte unterschiedliche Verhalten häufig dazu, dass mehr Männer als Frauen gewählt werden. Das gilt auch

innerhalb der Parteien bei bestimmten Positionen. Ich kämpfe leidenschaftlich dafür, dass man dies ändert. Im Beruf gereicht das unterschiedliche Verhalten den Frauen oft zum Nachteil. In der Schule haben die Jungen Nachteile, weil sie eher aufmüpfig sind und folglich die Mädchen unter Umständen besser behandelt werden. Das haben wir alles schon besprochen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir sind uns - das kann ich durchaus sagen - im Inhalt völlig einig. Wir wissen, dass im Bereich der Gleichberechtigung noch eine Menge zu tun ist. In den meisten Fällen müssen die Frauen noch besser gestellt werden, weil sie eher benachteiligt werden. Es gibt aber auch Bereiche, in denen die Jungen oder die Männer - ich nenne hier die Stichworte „Sensibilität“ und „Kinderphase“, in der die Väter durchaus eine stärkere Rolle spielen könnten; auch dies sind Themen für uns - ebenfalls aufholen können. Wir müssen für dieses Thema also mehr Sensibilität entwickeln. Dies ist natürlich so früh wie möglich nötig. Im Grunde genommen müssen wir sämtliche Erzieherinnen und sämtliche Lehrer und Lehrerinnen darüber informieren, damit sie für dieses Thema sensibilisiert sind und von vornherein geschlechtergerechter erziehen.

Jetzt geht es hier aber um die Jugendhilfe.

(Zuruf von der SPD: Jungenhilfe!)

- Nein, es geht um Jugendhilfe und dort um Mädchen- und Jungenhilfe. Ich weiß genau, was ich sage. - Ulla Groskurt hat am 10. November gesagt, wenn wir die vier Punkte aus dem Antrag beachten würden, kämen wir dahin, dass Frauen die Männer und Männer die Frauen verstehen. Das wollen wir auch erreichen. Wir brauchen auch eine Weiterentwicklung der Erkenntnisse, die wir bisher aus Projekten wie „Lebensweltbezogene Mädchenarbeit“ gewonnen haben.

(Unruhe)

- Ein bisschen mehr Ruhe im Saale wäre ganz gut. Ich finde es nämlich wichtig, dass wir uns über dieses Thema verständigen.

Im Grunde gibt es nur einen einzigen Punkt, weswegen wir den vorliegenden Antrag ablehnen. Den Punkten 2, 3 und 4 stimmen wir völlig zu. Wir wollen mit der Mädchen- und Jungenhilfe ja weitermachen. Wir haben uns aber überlegt, wie man am

effizientesten vorgehen kann. Es ist schon viel Vorarbeit geleistet worden, und es sind viele Erkenntnisse gewonnen worden.

Die Einrichtung einer neuen Fachstelle würde extra Geld erfordern. Ulla Groskurt, Sie haben gesagt, das Geld sollte direkt in die Mädchen- und Jungenarbeit fließen. Die Fachstelle würde ja aber auch Geld kosten. Wir wollen übrigens nicht Mediatorenausbildung, sondern Multiplikatorenausbildung betreiben. Mediatoren sind Streitschlichter. Streit gibt es zwar auch, aber es soll Multiplikatorenausbildung betrieben werden, und zwar für alle die, die in den Kommunen vor Ort Fachkräfte für Mädchen- und Jungenhilfe, für Jugendhilfe sind. Meistens verstehen sich die Betreffenden übergeordnet als Mitarbeiterinneren und Mitarbeiter für Jugendhilfe. Sie müssen für die entsprechenden Inhalte sensibilisiert werden und so ausgebildet sein, dass sich wirklich auch in den Angeboten Geschlechtergerechtigkeit besser als bisher wiederfindet. Das heißt, wir wollen das Gleiche. Wir wissen, dass es weitergehen muss. Es geht auch weiter. Der einzige Dissens ist, dass wir nicht sagen: Wir geben Geld für eine neue Fachstelle aus. - Wir sagen vielmehr: Wir betreiben Multiplikatorenausbildung und erreichen auf diese Art und Weise alle in Niedersachsen wirklich noch schneller. Das ist der Punkt, weswegen wir den Antrag ablehnen. Unser Ansatz ist im Vergleich zu Ihrem Antrag, den ich sonst durchaus gut finde, die effektivere Variante, wie man das Ziel wirklich erreichen kann und mit dem Geld, das wir haben, umgehen sollte. Ich hoffe, Sie können uns zustimmen. Ihren Antrag müssen wir leider ablehnen, obwohl wir die Punkte 2 bis 4 mittragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu einer Kurzintervention hat Herr Albers für eineinhalb Minuten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Frau Meißner, ich wundere mich über die fachfremde Diskussion, die Sie hier führen. Fakt ist: Kinder- sowie Mädchen- und Jungenhilfe hat originär eigentlich nicht viel mit Gender Mainstreaming zu tun. Fragen Sie einmal die Fachleute in der Mädchen- und Jungenarbeit, aber auch in der Jugendhilfe, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Das ist der erste Punkt.

Nun zum zweiten Punkt. Ich wundere mich schon, und zwar insofern, als auf allen Veranstaltungen auch von Vertretern der FDP und der CDU die Projekte der Mädchenarbeit gefeiert wurden, während Sie diese hier jetzt plötzlich mit einem Federstrich beerdigen.

Zum dritten Punkt. Sie haben gesagt, wir alle wollten das Gleiche. Wir alle wollen eben nicht das Gleiche. Ihnen geht es anscheinend nur darum, den Haushaltsansatz für jungen- und mädchenspezifische Arbeit platt zu machen. Dadurch erreichen Sie, dass sogar im Jahr der Jugend der Niedersächsische Landtag im Bereich der Jugend wieder einmal Gelder einspart, anstatt draufzusatteln. Das ist ein trauriges Beispiel für Politik hier in Niedersachsen.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Zur Erwiderung spricht Gesine Meißner, auch für anderthalb Minuten.

Lieber Herr Albers, wenn wir schon von platt machen reden, dann erwidere ich auf Sie, dass es schon recht platt ist, hier so zu argumentieren. Wir machen die Ansätze nämlich gerade nicht platt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir führen das fort und nutzen die Erkenntnisse, die man aus den bisherigen Konzepten gezogen hat. Das habe ich sehr deutlich gesagt. Wenn Sie genau zugehört hätten, dann hätten Sie es auch gehört. Wir sind einzig und allein unterschiedlicher Meinung darüber, wie wir das umsetzen wollen.

Mir ist sehr wohl klar, dass die Jugendhilfe nicht originär Jungen- und Mädchenhilfe ist. Ich weiß, dass Jugendhilfe normalerweise eine andere Aufgabenstellung hat. Aber es muss doch in der Jugendhilfe Sensibilisierung für Jungen- und Mädchenhilfe vorhanden sein. Darin sind sich alle einig. Das sagen auch alle diejenigen, die im Projekt „Lebensweltbezogene Mädchenarbeit“ gearbeitet haben. Wenn wir dieses Ziel erreicht haben, dann haben wir wirklich sehr viel geschafft, und dann sind wir der Gleichberechtigung ein ganz großes Stück näher, und zwar näher, als wenn wir eine Fachstelle einrichten, die gar nicht so nahe an die Basis herankommt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Janssen-Kucz, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einiges von dem, was hier gesagt wurde, stimmt ja in der Analyse. Aber den Schlussfolgerungen kann ich mich absolut nicht anschließen. Ein Schwankerl so nebenbei: Hier wurde immer gesagt, Männer und Frauen seien verschieden. - Dass ein Großteil der Frauen untereinander auch sehr verschieden ist, wird bei diesem Beitrag hier sehr deutlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Im Oktober wurden dem Modellprojekt von dieser Landesregierung noch gute Wünsche mit auf den Weg gegeben. Als im November der Antrag der SPD vorlag, wurde deutlich gesagt - Frau Groskurt hat das anhand der Zitate schon beschrieben -: Wir bemühen uns, einen Konsens zu finden, einen gemeinsamen Weg. - Frau Jakob, es ging nicht einfach um ein „Weiter so“. Es lagen Konzepte vor. Diese Konzepte hätten nicht ein „Weiter so“ bedeutet; denn das Modellprojekt ist kontinuierlich und mit Ergebnis evaluiert worden. Es ging darum, diese Ergebnisse umzusetzen. Etwas anderes wollten wir auch gar nicht.

Das Modellprojekt in Niedersachsen fand bundesweit Beachtung. In NRW hat Herr Rüttgers eine Fachstelle eingerichtet. Niedersachsen aber lehnt so etwas ab. Sie standen schlicht vor der Aufgabe, die Vernetzung von notwendiger praktischer Mädchenarbeit nicht mit Ende des Projekts ad acta zu legen, sondern die Erfahrungen in der Mädchenund Jungenhilfe gezielt zu nutzen und weiterzuentwickeln; denn nur durch Verstetigung und weitere Vernetzung mithilfe der Einrichtung einer Fachstelle kann es letztlich gelingen, das gewonnene Know-how und die aufgebauten Strukturen zu nutzen und weiterzuentwickeln und dem gemeinsamen Ziel der Geschlechtergerechtigkeit - ich hoffe doch, dass wir uns darin einig sind - ein Stückchen näher zu kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie aber haben irgendwie eine andere Schlussfolgerung gezogen. Sie haben das Projekt ohne Wenn und Aber beendet, trotz vieler freundlicher Worte auch heute hier wieder.

Das Allerschlimmste ist, dass der Sozialausschuss, insbesondere die Opposition, absolut an der Nase herumgeführt worden ist. Das, was dort geschehen ist und was ich deshalb hier skizzieren möchte, habe ich in acht Jahren Parlamentszugehörigkeit noch nicht erlebt.

(David McAllister [CDU]: Ach was!)

Am 15. Februar kam auf Drängen der Opposition der Antrag im Ausschuss auf die Tagesordnung.

(David McAllister [CDU]: Und dann?)

Dann wurden wir irgendwann darüber informiert, oder wir kriegten es selbst heraus,

(David McAllister [CDU]: Was denn nun?)

dass im Sozialministerium ein Konzept vorliegt, das den Gender-Aspekt auf die Ausbildung und Fortbildung von Führungskräften in der Jugendhilfe reduziert. Die geschulten Führungskräfte sollen dann die Verwaltung und die Politik informieren und beraten.

Meine Damen und Herren, wer weiß, wie Jugendhilfe funktioniert, weiß auch, dass das ein absolutes Luftschloss ist und wie wenig Sie über kommunale Jugendhilfe wissen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Außerdem werden mit einem solchen einseitigen Konzept die viel versprechenden Ansätze des Förderprogramms mit Füßen getreten.

Doch es kommt letztendlich noch heftiger. Weil wir das Konzept nur vom Hörensagen kannten und an der Ausschusssitzung niemand teilnahm, der uns informieren konnte, baten wir darum, dass man uns das Konzept zur Verfügung stellt und man bis dahin keine Entscheidung trifft. Der Konzeptbeginn war auf den 1. April terminiert. Das war am 1. März.

(David McAllister [CDU]: Das alles ist ja sehr interessant!)