Protocol of the Session on May 17, 2006

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Hast du den Antrag gelesen, Claus?)

Einige Bundesländer hatten schon im Vorwege reagiert. Ich denke etwa an den Freistaat Bayern, in dem das Kabinett eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat, die aus den Ministern Seehofer, Miller und Schnappauf sowie einem EU-Parlamentarier besteht. Das Land Sachsen-Anhalt hat das, was Sie hier fordern, schon im letzten Jahr vollzogen. Alle Betriebe haben bereits im Jahre 2005 CDs mit individuellen Betriebsdaten und Handbüchern zur Beantragung der EU-Prämien bekommen. Das Bundeskabinett hat den Gesetzentwurf zum Abbau von Bürokratie beschlossen - darauf haben Sie hingewiesen -; allerdings sind nicht viele Handlungsspielräume aufgezeigt worden. Lediglich drei Punkte befassen sich mit dem Bereich Landwirtschaft.

Nun zu Niedersachsen: Seit über drei Jahren stellen Sie den Landwirtschaftsminister.

(Friedhelm Biestmann [CDU]: Und zwar einen guten!)

In Ihrer Rede haben Sie eben gesagt, Sie könnten nicht in wenigen Wochen das beseitigen, was über Jahre gewachsen sei.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das stimmt ja auch!)

Herr Biestmann, ich glaube, Sie haben noch nicht ganz mitbekommen, dass Sie schon drei Jahre an der Regierung sind.

(Zurufe von der CDU)

- Was sind Sie alle aufgeregt?

Ich weiß auch nicht, warum die Fraktionen diesem Tagesordnungspunkt so viel Redezeit zugeordnet haben, wenn niemand zuhört. Ich bitte jetzt wirklich um Ruhe.

Schönen Dank, Frau Präsidentin. Wir haben hierfür normale Redezeit beantragt; die Wichtigkeit des

Punktes wird auf unserer Seite des Hauses gesehen. Auf der anderen Seite hört man aber nicht zu.

Frau Kollegin Ortgies ist bei dem, was sie sagt, ehrlich. In der Nordwest-Zeitung vom 17. Mai wird Frau Ortgies mit den Worten zitiert, trotz etlicher Initiativen seien bisher keine Fortschritte beim Bürokratieabbau im Agrarbereich erreicht worden. Das könne so nicht weitergehen.

(Clemens Große Macke [CDU]: Des- halb haben wir den Antrag ja gestellt!)

- Arbeitet Ihre Regierung nicht von allein? Müssen Sie immer Anträge stellen?

(Beifall bei der SPD)

Es ist doch merkwürdig; ich habe gedacht, eine Regierung werde von allein initiativ, wie es in Bayern und Sachsen-Anhalt der Fall ist.

Sie fordern immer den Bürokratieabbau.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Ja, von euch kann man es nicht erwarten!)

Gerade gestern haben wir darüber diskutiert. Sie fordern Bürokratieabbau, und Herr Busemann kommt jeden Tag mit einem neuen Erlass in die Schule. Die Schule beginnt, und der Erlass kommt.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Dann ist der Erlass schon da!)

Herr Langspecht hat gestern gesagt, die Landesregierung sei angetreten, um Bürokratie abzubauen, und habe in den letzten drei Jahren auf diesem Gebiet beachtliche Erfolge erzielt. Ich verweise auf Frau Ortgies. Offensichtlich stimmen Sie sich in Ihrer Argumentation nicht ab.

(Inse-Marie Ortgies [CDU]: Sie haben den Antrag nicht gestellt!)

- Wo haben Sie denn abgebaut? In der Landwirtschaft ja nicht. Sie haben keine Bürokratie abgebaut, sondern Bürokratie verlagert, und zwar in die Selbstverwaltungsorgane der Landwirtschaftskammer. Jetzt ist es keine staatliche Bürokratie mehr, sondern eine Kammerbürokratie.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben das bürgerfreundliche Widerspruchsverfahren mit der Konsequenz abgeschafft, dass die Bürger - auch die Landwirte - vor die Verwal

tungsgerichte gezwungen werden. Es sind Tausende von Verfahren wegen der Differenzen in den Prämienanträgen bei den Verwaltungsgerichten anhängig. Erfüllen Sie doch die Forderung des Landvolkes, das Widerspruchsverfahren für die Landwirtschaft wieder einzuführen und so ein bürokratisches Hemmnis abzubauen!

(Friedhelm Biestmann [CDU]: Sie wollen bloß die Bezirksregierungen wiederhaben!)

Sie haben der Tierseuchenkasse zusätzliche Bürokratie aufgezwungen. - Ich verstehe ja Ihre Unruhe, Herr Biestmann. Ihre Landesregierung ist doch als „die Freunde der Bauern“ angetreten. Was aber haben Sie gemacht? All das, was Sie versprochen haben, haben Sie nicht eingehalten. Im Gegenteil, Sie haben noch massiv in die Finanzen eingegriffen. All das, was Sie vorher gefordert haben, war hinterher nicht mehr wahr. Mir sagte ein Vorstandsmitglied der Landwirtschaftskammer Hannover, der kein Arbeitnehmer, sondern ein Landwirt ist: Wir haben gedacht, wir hätten jetzt eine Landesregierung, die von unseren Freunden gestellt wird. Aber so ist mit uns Landwirten noch keine Landesregierung umgegangen. - Recht hat dieser Landwirt.

(Beifall bei der SPD)

Sie geraten doch bei Ihren Bauern massiv unter Druck. Deshalb haben Sie in fast jeder Sitzungswoche einen schönen Antrag. Ich erinnere an den Antrag zur Reduzierung der Milchquotenmenge. Sie wollten eine Änderung bei einer Sache, die die Kommission beschlossen hat. Wo ist denn der Erfolg dieser Initiative? Ich erinnere an den Saisonarbeiterantrag. Ihre Bundesregierung hat die Saisonarbeiterregelung auf Bundesebene getroffen,

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Wer ist denn in der Regierung?)

und hier ziehen Sie eine Show ab und beklagen das alles vor der Presse. Jetzt kommen Sie mit Ihrem Bürokratieabbauantrag, nachdem Sie drei Jahre lang nichts getan haben.

(Beifall bei der SPD - Friedhelm Biestmann [CDU]: Sie stellen den Ar- beitsminister!)

- Herr Biestmann, sagen Sie doch einmal konkret, was Sie wollen. Wollen Sie wirklich die Lebens

mittelsicherheit, den Verbraucherschutz, die Verbrauchergesundheit, den Tierschutz und den Umweltschutz einschränken?

(Inse-Marie Ortgies [CDU]: Er hat doch gesagt, dass er das nicht will!)

Nach dem Gammelfleisch-Skandal sind auch Sie mit Vorschlägen gekommen und haben vorsätzliche Überwachung verlangt. Vier Wochen später beantragen Sie jetzt den Abbau von Bürokratie und Kontrollen. Das, was Sie hier machen, sind reine Show-Anträge.

(Beifall bei der SPD)

Auch wir sind für Bürokratieabbau;

(Zurufe von der CDU: Aha!)

aber Verbraucherschutz, Umweltschutz und Tierschutz dürfen nicht angetastet werden. Wir brauchen eine vernünftige Ausstattung mit Personal bei den antragsbearbeitenden Stellen, den Kammern und Landkreisen; damit wäre den Landwirten sehr geholfen.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss und hoffe, dass dann das Schwarzbuch der Landwirtschaftsverbände mit Vorschlägen für konkrete Maßnahmen vorliegen wird. Auf dieser Basis werden wir diskutieren können; dann werden wir sehen, was machbar ist. Ich kündige jetzt schon an, dass wir zu diesem Punkt eine Anhörung beantragen werden. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Kollege Klein das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es gehört, das Thema Bürokratieabbau hat auf allen Ebenen Konjunktur. Da durften die Koalitionsfraktionen im Land natürlich nicht nachstehen. Einmal mehr wird diesem Grundübel unserer Zeit der Kampf angesagt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

- Wer will dem schon widersprechen, Herr McAllister?

Leider geschieht es einmal mehr in einer Form, die so allgemein ist, dass eine Erfolgskontrolle äußerst schwer, wahrscheinlich kaum möglich sein dürfte, und auch wieder so, dass die eigene Verantwortung gemieden und vor allem das Handeln von anderen verlangt wird. Das Motto lautet: Hannemann, geh du voran! Vielleicht auch: „Seehofermann“, geh du voran!

Was ist denn Bürokratie in der von Ihnen beanstandeten Form eigentlich? Wo verlaufen die Grenzen zwischen unverzichtbarer, sinnvoller und überflüssiger Bürokratie? Ganz ohne Gesetzesvollzug und Verwaltungshandeln werden wir im 21. Jahrhundert wohl nicht auskommen; hier sind wir sicherlich einer Meinung. Schauen Sie einmal Ihren eigenen Antrag an: Ist das mehr oder weniger Bürokratie? Ist es nicht zusätzliche Bürokratie, wenn Sie ein System zur Bürokratievermeidung aufbauen wollen? Oder ist es nicht zusätzliche Bürokratie, wenn Herr Seehofer einen Normenkontrollrat einrichten will?

Meine Damen und Herren, Bürokratie steht eben auch für Rechtssicherheit, für Rechtsschutz, für Gerechtigkeit, für Missbrauchsverhinderung, für Einheitlichkeit, für Interessenausgleich, für Rechtsstaatlichkeit im Allgemeinen. In diesem Sinne ist ein bürokratiefreier Zustand nichts anderes als Anarchie. Wollen Sie das etwa? - Das kann ich mir nicht vorstellen.