Protocol of the Session on May 16, 2006

Seit 1994 sind bis 2004 über 50 Millionen Euro an Bedarfszuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich dorthin geflossen. Jetzt ist die Situation so, wie sie eben beschrieben wurde.

Im Zuge der Verwaltungsreform des Landes - Abschaffung der Bezirksregierungen hat es nicht zuletzt durch unsere Initiativen Vorstöße zu einer Kreisreform im Gefolge dieser Verwaltungsreform gegeben. Andere Bundesländer, wie Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Sachsen und

Brandenburg, sind an einer Kreis- und Gebietsreform dran. Nur diese Landesregierung geht nicht diesen Weg, sondern begnügt sich mit immanenten Reparaturmaßnahmen, die sie beispielsweise unter dem Label „interkommunale Zusammenarbeit“ praktiziert. Ich nenne es ein Stück weit politische Feigheit, die Sie hier praktizieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Wo ist denn der Vorschlag der Grü- nen?)

Der ursprüngliche Ansatz, bezogen auf LüchowDannenberg, nämlich die kreisfreie Samtgemeinde zu schaffen, hätte so viel an Einsparungen erbringen können - im günstigsten Fall 20 Millionen Euro nach den Berechnungen -, dass die Verschuldung tatsächlich hätte zum Stillstand gebracht werden können.

Verfassungsrechtliche Bedenken sind geltend gemacht worden. Damit hat Herr Biallas zwar Recht. Aber für meine Begriffe hat diese Landesregierung nicht die Fähigkeit besessen, diesen ursprünglichen Ansatz, der fiskalpolitisch der intelligenteste gewesen wäre, wenn man nicht eine große Kreis- und Gebietsreform anpackt, verfassungsfest zu machen. Es ist eine Frage der Fähigkeiten, ob man das mit entsprechender juristischer Beratung schafft oder nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie gehen jetzt sozusagen den kleineren Weg der Fusion von ursprünglich fünf zu drei Samtgemeinden. Das bringt maximal 7 Millionen Euro an Einsparungen. Dies ist zugegebenermaßen mehr als nichts, gar keine Frage. Aber dafür bedürfte es dieses Gesetzes nicht.

Herr Biallas hat im Innenausschuss offensichtlich nicht zugehört; denn er hat der Opposition vorhin vorgehalten, es hätte keine Gegenvorschläge gegeben.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Ich kenne sie aber nicht!)

- Dann haben Sie nicht zugehört. Ich habe sie im Innenausschuss mehrfach vertreten.

Ich sage es noch einmal: Es bedarf dieses Gesetzes nicht, um das Ziel, nämlich die kleine Lösung, zu erreichen. Die Samtgemeinden Hitzacker und Dannenberg und ihre Mitgliedsgemeinden haben sämtliche Fusionsbeschlüsse unter Dach und

Fach, um freiwillig den Weg der Fusion gehen zu können. Die anderen in Betracht kommenden Samtgemeinden - nämlich Fusion Lüchow und Clenze - werden nach meiner Kenntnis ebenfalls den freiwilligen Weg gehen und auch weiterhin gehen wollen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das Gesetz regelt erheblich mehr!)

Wenn Sie die 30 Millionen Euro, die Sie aus dem kommunalen Finanzausgleich sozusagen beiseite gelegt haben, als Anreizfinanzierung verwenden würden, dann würden Sie ohne ein Gesetz - und das ist ja nur ein Gesetz, um Gesichtswahrung für Herrn Schünemann, den Innenminister, zu betreiben

(Widerspruch bei der CDU)

das gleiche Ergebnis erzielen. Sie hätten dabei sogar noch den Vorteil, verfassungsrechtliche Risiken - die gibt es noch, wenn auch in geringerem Umfang, auch bei diesem Gesetz - ausräumen zu können; denn es könnte sein, dass das Gesetz Klagen nicht standhält. Es ist eine Frage des übertragenden Wirkungskreises, also der Übertragung von Aufgaben auf den Landkreis. Nach meiner Kenntnis wird es von mehreren Samtgemeinden Klagen geben. Es wird Anträge auf einstweilige Anordnung beim Staatsgerichtshof geben. Sie sind insofern noch nicht auf der sicheren Seite.

Sie würden das gleiche Ziel über Freiwilligkeit mit dem goldenen Zügel der 30 Millionen Euro erreichen können. Aber hier muss ein Innenminister, der groß gestartet war - bekannte Pose; ich könnte verschiedene andere Beispiele nennen - und der in diesem Prozess einen massiven Einbruch mittragen und mitverantworten musste, jetzt aus Gründen der Gesichtswahrung gerettet werden. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Das ist aber Ausdruck eines schlech- ten Traumes!)

Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Bartling zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der heute zu beratende Gesetzentwurf ist das Eingeständnis, dass die Landesregierung mit ihrem krankhaften Bemühen, im Landkreis Lüchow-Dannenberg eine zukunftsfähige Struktur zu schaffen, grandios gescheitert ist.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Untersuchungsausschuss!)

War man zunächst auf die Idee gekommen, eine kreisfreie Samtgemeinde einzurichten, die insbesondere finanzielle Vorteile auf Dauer bringen sollte, z. B. durch Personalabbau und höhere Zuweisungen aus dem Finanzausgleich, nahm man dieses Vorhaben zurück, weil es niemanden in der Republik gab, der einem solchen Gebilde eine Überlebenschance einräumte.

Ich habe von Anfang an dieses Vorhaben als GAU, als den größten anzunehmenden Unfug, bezeichnet und wurde gerade durch die Anhörung im Innenausschuss in dieser Auffassung bestätigt. Das Konzept des Innenministers erlitt völligen Schiffbruch. Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Regierungsentwurf jemals in einer Anhörung so gescheitert ist wie das Modell der kreisfreien Samtgemeinde.

(Zuruf von der CDU)

„Verfassungsrechtlicher Blindflug“ ist noch eine vorsichtige Zusammenfassung des Anhörungsergebnisses. Nur am Rande sollte man noch erwähnen, meine Damen und Herren, dass zu diesem Projekt auch noch eine Volksbefragung durchgeführt wurde,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

die sogar zu einer knappen Mehrheit für dieses Modell führte. Vielleicht sollten Sie das auch zu dem heute zu beschließenden Modell machen. Ich vermute, dass nicht nur terminliche Gründe dagegen sprechen, sondern eher die Einschätzung, dass Sie inzwischen niemandem mehr erklären können, was Sie eigentlich wollen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat dem Parlament einen Gesetzentwurf vorgelegt, von dem heute faktisch so gut wie nichts mehr übrig geblieben ist. Dabei waren - Herr Lennartz hat das eben schon erwähnt - der Ministerpräsident und sein Innenminister mit großen Ankündigungen gestartet. Bundesweit vorbildlich wollten

sie sein - ebenso wie bei der so genannten Verwaltungsreform. Hier wie auch dort warten Sie heute vergeblich darauf, dass sich ein Nachahmer findet. Keine andere Landesregierung ist so kurzsichtig und zerschlägt ihre Mittelinstanzen, ohne sich Gedanken über die Frage der Kreisstrukturen zu machen.

Dementsprechend fällt übrigens auch eine Analyse der Wissenschaft aus. Ich erwähne eine von Professor Bogumil an der Universität Konstanz betreute Diplomarbeit. Die Verwaltungswissenschaftler haben die Verwaltungsreformen in Baden-Württemberg und Niedersachsen miteinander verglichen. Baden-Württemberg hat die Mittelinstanz bei gleichzeitiger Auflösung von Sonderverwaltungen gestärkt. Niedersachsen hat die Koordinierungsfunktion der Mittelinstanz aufgegeben und die Fachstränge der einzelnen Sonderverwaltungen massiv gestärkt. Ich komme darauf, meine Damen und Herren, weil es eine unmittelbare Auswirkung auf die Diskussion um die Zukunft des Landkreises Lüchow-Dannenberg gibt. Ich zitiere aus dem Gutachten. Dort heißt es:

„Es erscheint jedoch fraglich, ob die Entwicklung der Verwaltung auf Dauer auf eine Kreisgebietsreform und damit verbundene Schaffung von größeren leistungsfähigen Einheiten verzichten kann. Gerade in Niedersachsen erscheint es durchaus möglich, dass der Druck, der durch die Abschaffung der Bezirksregierungen auf die Kommunen ausgeübt wird, sowie die enormen Disparitäten in Größe und Leistungsfähigkeit der Landkreise zumindest in mittel- bis langfristiger Perspektive zu einer Umgestaltung der kommunalen Ebene führen werden. Damit könnte eine Stärkung der Bündelungsfunktion der Kreise durch eine Übertragung zusätzlicher, derzeit von Sonderbehörden wahrgenommener Aufgaben verbunden sein.“

Ich stelle fest: Die Landesregierung ist mit ihrem Lüchow-Dannenberg-Projekt auch deshalb gescheitert, weil sie mit ihrer Verwaltungsreform den Druck auf die Landkreise massiv verschärft hat, ohne Rücksicht auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der Kreise zu nehmen.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt hinweisen. Ausweislich

der Gesetzesbegründung verfolgte die Landesregierung ursprünglich das Ziel, die Effizienz der kommunalen Verwaltungsstrukturen wesentlich zu steigern und dabei die Situation der kommunalen Haushalte grundlegend zu verbessern. Auch von diesem Ziel ist so gut wie nichts mehr zu sehen. Anstatt die Region zukunftsfähig aufzustellen, wird an den Gemeindestrukturen herumgedoktert, ohne dass ein Konzept zu erkennen ist.

Um es ganz klar zu sagen: Wir unterstützen jeden freiwilligen Zusammenschluss von Samtgemeinden ausdrücklich.

(David McAllister [CDU]: Das wollen Sie doch immer schon!)

Die Übertragung von Gemeindeaufgaben aber auf den Landkreis werten wir als einen durch nichts begründeten Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Ich habe nach wie vor erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Konstrukts und sehe einer gerichtlichen Klärung dieser Frage vor dem Staatsgerichtshof mit großem Interesse entgegen. Ich vermute einmal, Sie werden sich hier die weitere Klatsche abholen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Hans-Christian Biallas [CDU]: Da weicht vor Schreck das Wasser weg!)

Nächster Redner ist Her Bode von der FDPFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja ganz erstaunlich: In der Einschätzung der Situation in Lüchow-Dannenberg, nämlich dass es eine dramatische Haushaltslage gibt, eine dramatische Entwicklung der Defizite und eine dramatische Entwicklung der Verschuldung, und zwar sowohl im Kassenkredit-, aber auch im investiven Bereich, sind wir alle uns einig. Alle sagen: Es muss etwas passieren.

Dann kommen wir aber zu der Frage und überlegen: Was muss denn passieren? Wie kann man Lüchow-Dannenberg helfen, damit man aus dieser problematischen Situation herauskommt? - Herr Bartling, es ist nicht nur so gewesen, dass Sie uns im Innenausschuss in all den Monaten der Beratung nicht erzählt haben, wie man das Problem

lösen kann, heute haben Sie uns ja auch nichts erzählt. Es war jedenfalls völlig unverständlich, wie Sie damit ein Problem lösen wollen. Und als Sie selber in der Verantwortung waren, haben Sie auch nichts gemacht, um Lüchow-Dannenberg zu helfen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zuruf von der FDP: So ist es!)

Da haben Sie die ganze Situation doch ausgelöst. Tun Sie jetzt doch nicht so, als wenn Sie hier der Retter sein könnten!

Ganz spannend ist die Situation auch bei den Grünen. Sie sind sozusagen der reformpolitische Zickzack-Geisterfahrer im Lüchow-Dannenberg-Reformverfahren. So war noch in der Pressemitteilung der Grünen vom 27. April letzten Jahres zu lesen: „Kreisfreie Samtgemeinde - Schritt in die richtige Richtung“. Dann ging es sogar noch weiter. Man sagte: Kreisreform. Lüchow-Dannenberg sollte danach allerdings aufgelöst werden.

Was passierte im November 2005? - Auf einmal wurde gesagt: Es gab eine Volksabstimmung. Ich zitiere: „Alternative Pläne, den Landkreis aufzuteilen, sind vom Tisch.“

Was passierte weiter? - Februar 2006: Eine weitere parlamentarische Beratung des Gesetzes zur kreisfreien Samtgemeinde sei „sinnlos“.

Und was war in der Zeit danach und ist heute wieder? - Eine Aufteilung des Landkreises, eine Kreisreform für Lüchow-Dannenberg soll das Modell der Grünen sein.

(Professor Dr. Albert Lennartz [GRÜ- NE]: Sie haben nicht zugehört!)

Sie sollten vielleicht grundsätzlich überlegen, wie Sie die Probleme lösen wollen, und nicht alle paar Monate umfallen und ein neues Konzept nach vorn heben. Das Ganze ist viel zu wichtig, als dass man einfach sozusagen eine plumpe Schlagzeile suchen sollte. Wir müssen versuchen, den Menschen dort zu helfen.