Protocol of the Session on March 24, 2006

Die Petition betrifft die Abschiebung einer syrischen Staatsangehörigen aus der Psychiatrie des Elbe-Klinikums heraus. Die Arbeiterwohlfahrt hatte Frau I. in der Zeit, während der sie in Deutschland lebte, beraten und betreut. Frau I. befand sich bereits vor der Beratung für einen längeren Aufenthalt im Fachkrankenhaus für Psychiatrie in Königslutter. Das Amtsgericht Helmstedt ordnete damals die Einweisung an.

Das Ergebnis auch weiterer Beratungen der AWO war, dass Frau I. wieder stationär eingewiesen

werden müsse. Sie hatte typische Anzeichen für traumatisierte Frauen. Damals ist sie auch zweimal während der Beratung zusammengebrochen.

Die Einweisung von Frau I. wurde ihr dagegen trotz klarer Diagnose erschwert. Sie wurde zunächst mit Vorurteilen bezüglich Verzögerung des Abschiebeverfahrens konfrontiert, mit denen sie sich auseinandersetzen musste.

An dieser Stelle muss ich sagen, dass es hier nicht um die Prüfung der Reisefähigkeit oder um die Verhinderung einer Abschiebung geht, sondern lediglich darum - so schreibt auch die Leiterin der AWO -, eine kompetente, umfassende und entsprechende Begutachtung sicherzustellen. - Diese Begutachtung sollte jedem Menschen zustehen, auch Menschen ohne Aufenthaltsstatus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nach den erfolgten Behandlungen im ElbeKlinikum wurde festgestellt, dass Frau I. suizidgefährdet ist und dass sie nicht innerhalb einiger Tage entlassen werden könnte. An dieser Stelle wurde aber auch versichert, dass Frau I. während der Therapie nicht abgeschoben werde.

Es ist anders gelaufen. Zwei Tage später wurde Frau I. um 23 Uhr aus dem Klinikum heraus abgeschoben. Sie konnte keine weiteren Sachen mitnehmen, keine Bekleidung, kein Bargeld. Die Reisefähigkeit wurde ihr attestiert und damit begründet, dass sie mit Medikamenten ruhig gestellt werde.

Sie wurde mit beruhigenden Mitteln so vollgepumpt, dass sie kaum laufen konnte.

(Unruhe bei der CDU)

Ihr wurden Handschellen angelegt, und sie wurde laut Aussagen der Schwestern über die Flure der Krankenhausräume geschleift; so schreibt die Leiterin der AWO.

Auf Nachfrage bei den Behörden, warum eine traumatisierte Frau aus der Behandlung auf diese Art und Weise abgeschoben werden müsse, antwortete die zuständige Sachbearbeiterin wörtlich, dass bei Frau I. nur die Suizidgefahr besteht und nicht eine Reiseunfähigkeit oder Ähnliches.

Meine Damen und Herren, ich habe bewusst nicht genau beschrieben, was dieser Frau im Her

kunftsland alles widerfahren ist, weil es darum hier nicht geht. Aber es war schrecklich. Mensch sollte diesen Frauen das Leben nicht noch schwerer machen und sie wie „Schwerverbrecherinnen“ behandeln, und dann noch ohne Rücksicht auf eine laufende stationäre therapeutische Behandlung. Dafür gab es keinen Anlass.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Arbeiterwohlfahrt hat uns, den Landtag, gebeten, unabhängig davon, dass Frau I. sich nicht mehr in der Bundesrepublik befindet, in ihrem Namen eine Überprüfung der ihr widerfahrenen - so wörtlich - menschenunwürdigen Abschiebepraxis vorzunehmen. Die Petition dokumentiert diese Abschiebepraxis des Landes Niedersachsen, die weit entfernt ist von der Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststandards.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Bernd Althusmann [CDU]: Ihr Vorwurf ist ja unverschämt!)

- Sie brauchen sich an dieser Stelle nicht zu empören. Hierin waren wir uns im Ausschuss nicht nur unter den Oppositionsfraktionen, sondern auch mit einem Teil der Koalitionsfraktionen einig. Wir stellen fest, dass die Abschiebung nicht nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit erfolgt ist und dass die Würde und die Persönlichkeitsrechte dieser Frau missachtet wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für meine Fraktion ist die logische Konsequenz hieraus, diese Petition der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, damit das Innenministerium als oberste Landesbehörde entsprechende Konsequenzen zieht, und zwar auch für zukünftige Abschiebungen. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass es unzureichend ist, hier auf „Sach- und Rechtslage“ zu entscheiden und die Stellungnahme mit einem Hinweis auf die Erwartung zu versehen, dass bei Abschiebungen auf eine menschenwürdige Behandlung geachtet werden soll, so wie es von einem Teil der Koalitionsfraktionen gefordert wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn man schon die menschenunwürdige Praxis der Landesbehörden kritisiert, dann doch mit dem

Mut, an dieser Stelle so weit zu gehen, mit uns zu stimmen, auch wenn das ein Votum gegen die eigene Landesregierung wäre. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nächste Rednerin ist Frau König von der FDPFraktion. Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Petentin ist durch Schleuser über ein Drittland nach Deutschland eingereist, zu ihren hier lebenden Verwandten. Nach dem DublinVerfahren müssen Asylanträge jedoch in dem ersten Staat der Einreise abgewickelt werden. Daher war es keine Frage, dass die Petentin nach Österreich zurückkehren musste. Die Ärzte haben eine Reisefähigkeit bescheinigt. Die Petentin kam der Aufforderung zur Ausreise jedoch nicht nach.

Die AWO hat die Abschiebung kritisiert. Wir haben uns jedoch auf die Aussagen der Ärzte gestützt und eine rechtmäßige Vorgehensweise festgestellt, zumal eine Weiterbehandlung der Petentin in Österreich genauso gewährleistet ist wie hier in Deutschland.

Das Asylverfahren sollte im Interesse der Petentin so schnell wie möglich durchgeführt werden, um sie - auch im Sinne ihrer Gesundheit - so schnell wie möglich in einen sicheren Status zu überführen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Frau Kollegin Lorberg hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, wir hätten von Frau Polat zu dieser Petition mehr Einzelheiten gehört, die den Sachverhalt etwas deutlicher dargestellt hätten. Denn man muss hier auch erwähnen, dass Frau I., die zur Abschiebung anstand, einen Abschiebungstermin nicht wahrgenommen hat, weil sie in der Wohnung nicht angetroffen

wurde und somit nicht abgeschoben werden konnte. Sie hat sich dann später bei der Ausländerbehörde gemeldet und dort eine ärztliche Bescheinigung vorgelegt, die ihr depressive Verstimmungen, Angst und Unruhezustände attestierte. Aufgrund der Aussage der Ausländerbehörde, dass sie das nicht vor der Abschiebung schützen würde, bekam sie dort einen Schreianfall; sie warf sich auf den Boden und schlug wild um sich. Aufgrund dieser Tatsache ist sie in das Landeskrankenhaus nach Königslutter gebracht worden, wo man anschließend die Reisefähigkeit von Frau I. feststellte und keine psychische Erkrankung.

Ähnliches hat sich dann im Elbe-Klinikum Stade abgespielt. Auch dort ist sie nach der Einlieferung untersucht worden, und der behandelnde Arzt teilte am 27. Juli 2004 telefonisch mit, Frau I. habe keine psychische Erkrankung und sei reisefähig. Als sie daraufhin abgeschoben werden sollte, spielte sich ein ähnliches Szenario ab wie schon zuvor bei der Ausländerbehörde. Sie warf sich auf den Boden und schlug wild um sich. Das machte es notwendig, ihr Handfesseln anzulegen, zu ihrem eigenen Schutz.

Meine Damen und Herren, wenn wir das einmal mit in die Waagschale legen, müssen wir uns wirklich fragen, ob die Behörden in diesem Fall nicht doch rechtmäßig gehandelt haben, um diese Frau zu schützen. Es steht völlig außer Zweifel, dass eine Abschiebung rechtmäßig war, und die Vorwürfe, die von dem Petenten erhoben worden sind, haben sich in der Prüfung des Ministeriums in keiner Weise bestätigen lassen. Die Abschiebung erfolgte nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und ist daher nicht zu beanstanden. Daher beantrage ich, die Eingabe mit „Sach- und Rechtslage“ zu beschließen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Frau Kollegin Merk hat das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht hier nicht mehr um die Frage, dass selbstverständlich rechtmäßig gehandelt worden ist und dass die Frau nach Österreich zurück verbracht wird. Darüber gibt es nicht den geringsten Zweifel. Das haben Sie, Frau König, als diejenige, die die Petiti

on bearbeitet hat, ebenso wie Frau Lorberg auch deutlich festgestellt.

Nein, es geht - das will ich noch einmal deutlich machen - um die Frage des Umgangs bei Abschiebungen. Meine Damen und Herren, nachdem der Ausschuss und damit auch Sie selbst diesen Umgang kritisiert haben, hätte ich schon erwartet, dass Sie auch hier in der Öffentlichkeit zu dieser Kritik stehen.

Es geht um die Art und Weise, wie mit den Menschen umgegangen wird. Dieser Fall ist ja nicht der erste, sondern wir kennen zahllose ähnliche Fälle. Meine Damen und Herren, die Würde des Menschen ist grundsätzlich zu achten, egal, ob ich es mit einem Kriminellen zu tun habe oder nicht, und das ist hier nicht geschehen. Und wenn das, wie in diesem Fall, nicht geschehen ist, dann ist es keine Schande, im Parlament zu sagen, dass wir die Verfassung zukünftig nicht mehr verletzt wissen wollen.

Allein darum geht es, und das wollen wir deutlich machen. Den Anspruch auf Einhaltung der Verfassung durchzusetzen, sollte eine wertvolle Aufgabe des gesamten Parlaments sein, unabhängig davon, zu welcher Fraktion man gehört. Das ist Aufgabe aller Parlamentarier.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Wir bitten Sie, dass Sie allen, die in solchen Fällen die Abschiebungen durchführen, etwas deutlicher machen, dass es in diesen Fällen um mehr geht, nämlich um die Achtung des Menschen und damit auch um die Achtung unserer Verfassung und unseres Staates.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Krumfuß, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Merk, ich bin schon erstaunt darüber, dass Sie hier in aller Öffentlichkeit Abstimmungsergebnisse aus dem Ausschuss vortragen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin auch sehr erstaunt über die Art und Weise, wie Sie vortragen. Nachdem uns vom Ministerium zweifelsfrei über die rechtliche und sachliche Prüfung dieses Falles berichtet und uns geschildert worden ist, wie sich die Abschiebung wirklich dargestellt hat und wie sie vorgenommen wurde, bin ich schon einigermaßen erschrocken darüber, dass Sie hier im Plenum so verzerrt darüber berichten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Kollegin Polat, wenn wir schon hier in aller Öffentlichkeit noch einmal über Vorgänge berichten, über die wir im Ausschuss beraten haben, möchte ich Sie darum bitten, dann auch zweifelsfrei den Gesamtvorgang hier darzustellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)