Protocol of the Session on March 22, 2006

Ich bitte alle hier im Landtag vertretenen Fraktionen, diesem gemeinsamen Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Professor Dr. Lennartz das Wort. Bitte schön!

Professor Dr. Hans-Albert Lennartz (GRÜNE) :

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Leuschner hat die wesentlichen inhaltlichen Gründe unseres gemeinsamen Antrags vorgestellt. Deswegen werde ich mich kurz fassen

(Zustimmung bei der CDU)

und ein paar andere Akzente ansprechen. Es geht um den Stellenwert des Datenschutzes. Das ist das Motiv dieses Antrags. Wir wollen, dass der jeweilige Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz im Landtag erörtert wird. In Artikel 62 der Niedersächsischen Verfassung heißt es - ich zitiere -: Er - der Landesbeauftragte für den Datenschutz - „berichtet über... seine Tätigkeit und deren Ergebnisse dem Landtag.“ Es heißt nicht „... den Ausschüssen des Landtages“. Insofern ist unser Antrag bereits ein Hilfsinstrument, um überhaupt das Plenum bzw. den Landtag zu erreichen. Eigentlich ist die Verfassung vom Wortlaut her eindeutig.

Dahinter steht die Frage: Wie wichtig nimmt man den Datenschutz? - Für manche von Ihnen vonseiten der Regierungskoalition scheint Datenschutz immer noch eher ein Hindernis zu sein.

Wir leben in Zeiten von RFID: Nahezu an jedem Produkt kann ein Chip angebracht werden - in großen Handelsketten wird dies bereits in der Experimentierphase praktiziert -, wodurch jedes Produkt, das Sie oder ich als Kunde kaufen, identifiziert und daraus ein Verhaltensprofil abgeleitet werden kann. Wir leben in Zeiten, in denen Firmen dazu übergehen, ein so genanntes Scoring zu etablieren, mit dem sie ihre Kunden in verschiedene Risikoklassen einsortieren, etwa nach Solvenz oder Nichtsolvenz. In solchen Zeiten ist nach unserem Verständnis Datenschutz keine Sache von gestern, sondern eine absolut aktuelle Angelegenheit, die genau im Auge behalten werden muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb ist es auch so bizarr, Herr Innenminister, dass Sie die Zuständigkeit für die Datenverarbeitung Privater und deren Kontrolle vom Datenschutzbeauftragten in das Innenministerium zurückgeholt haben.

Bei dem letzten Punkt, den ich ansprechen möchte, habe ich eine etwas andere Meinung als die Kollegin Leuschner von der SPD-Fraktion. Herr

Innenminister, nachdem Sie den bisherigen Datenschutzbeauftragten, Herrn Nedden, erfolgreich vergrault haben, muss jetzt schnell eine qualifizierte Nachfolgelösung her. Das ist auch im Datenschutzgesetz angelegt und vordefiniert. Sie wissen das. Ich glaube, dass man nicht warten kann, bis hinsichtlich der europarechtlich höchst zweifelhaften Maßnahme, die Sie getroffen haben, eine Klärung erfolgt ist. Diese Klärung kann noch Monate dauern. Ich sage Ihnen aber auch dies: Den Vorschlag, den Sie - noch inoffiziell - gemacht haben, halten wir nicht für die optimale Lösung. Suchen Sie also nach einem anderen qualifizierten Kandidaten oder einer anderen qualifizierten Kandidatin, schlagen Sie diesen oder diese den Fraktionen vor, und dann ist es kein Problem - das ist jedenfalls meine Position -, im Plenum im Mai die Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin durchzuführen. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Schrader das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Leuschner, ich will ganz kurz auf Ihren Wortbeitrag eingehen. Ich denke, in diesem Hause möchte niemand den Datenschutz demontieren, auch der Innenminister des Landes Niedersachsen nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie sprachen von einem gemeinsamen Antrag. Sie meinen wohl den gemeinsamen Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der Grünen.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Das habe ich gesagt!)

- Es kam hier etwas missverständlich an.

Frau Kollegin Leuschner, Sie hatten 13 Jahre Zeit. In diesem Zusammenhang will ich auch Herrn Kollegen Bartling als Vorgänger des derzeitigen Innenministers ansprechen. Der Bericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz, über den jetzt im Innenausschuss beraten wurde, wurde auch schon zu Ihrer Zeit im Innenausschuss beraten, obwohl der derzeitige Landesbeauftragte und seine Vorgänger diesen Bericht und die Stellung

nahme der Landesregierung nicht nur im Innenausschuss vorgetragen und diskutiert wissen wollten, sondern auch einen breiten Erörterungsprozess im Plenum des Landtages wünschten. Die CDU-Fraktion wundert sich daher, dass die SPDFraktion nach 16 Jahren - ich betone: nach 16 Jahren - jetzt ihre Meinung geändert hat und den vorliegenden Antrag einbringt. Die CDU-Fraktion wäre auch zur Regierungszeit der SPD diesem Antrag nicht gefolgt. Beide Fraktionen waren bislang immer der Ansicht, dass an dem Verfahren, wie es bislang praktiziert wurde, festgehalten werden sollte.

Herr Kollege Schrader, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Leuschner?

Nein. - Wir von der CDU-Fraktion wollen an der Praxis festhalten, den Tätigkeitsbericht im zuständigen Fachausschuss zu diskutieren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, auch im Land des Bundesvorsitzenden Ihrer Partei, in Brandenburg, wird nach der niedersächsischen Praxis verfahren. Ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass es nicht um Geheimniskrämerei geht; denn man kann sich den Tätigkeitsbericht jederzeit aus dem Internet herunterladen.

Außerdem wurden bereits wesentliche Teile aus dem gemeinsamen Antrag von SPD und Grünen erfüllt oder sie sind in Bearbeitung. Im Folgenden möchte ich auf einige Punkte aus Ihrem Antrag eingehen.

Die Nr. 1 Ihres Antrages beinhaltet nur eine Beschreibung der gegenwärtigen Situation.

Zu Nr. 2: Bereits heute wird der Datenschutzbeauftragte bei der Ausarbeitung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften im Vorfeld in die Überlegungen einbezogen. Deshalb ist dieser Punkt des Antrags ohne jeden konkreten Bezug.

Über die Nr. 3 wurde heute unter dem Tagesordnungspunk 12 ausführlich gesprochen. Es wurde auch gesagt, dass im April der entsprechende Gesetzentwurf der Landesregierung vorgelegt wird.

Zu Nr. 6: Mit der Novellierung des niedersächsischen Verwaltungsverfahrensrechts wurden ein

verlässlicher und klarer Rahmen für einen modernen Rechtsverkehr und zugleich eine wesentliche Voraussetzung für E-Government geschaffen.

Zum Schluss noch zu Nr. 7: Auch mir ist bekannt, dass verschiedene andere Bundesländer unabhängig von der parteipolitischen Couleur der jeweiligen Landesregierung Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet haben. Die Niedersächsische Landesregierung beabsichtigt nach meinem derzeitigen Kenntnisstand nicht, einen entsprechenden Gesetzentwurf einzubringen. Gerade vor dem Hintergrund, dass immer wieder Entbürokratisierung gefordert wird, fehlen mir angesichts der Erfahrungsberichte aus anderen Bundesländern gute Argumente, die für die Verabschiedung eines solchen Informationsfreiheitsgesetzes sprechen.

Ich erinnere abschließend noch einmal daran, dass zu Zeiten der SPD-geführten Landesregierung aus guten Gründen so verfahren worden ist, wie es die CDU-Fraktion auch jetzt für richtig hält. Auch damals schon hat sich die CDU der Auffassung der damaligen SPD-Mehrheitsfraktion und der von der SPD-geführten Landesregierung ausdrücklich angeschlossen. Oppositionsarbeit, die im Wesentlichen darin besteht, Entscheidungen der Mehrheitsfraktionen oder der Landesregierung lediglich zu kritisieren, zahlt sich auf die Dauer nicht aus. Wir lehnen den Antrag deshalb ab. Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Bode das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Lennartz, es ist immer so eine Sache, wenn irgendwo steht, es werde dem Landtag berichtet oder es werde einem Ausschuss berichtet. Wer soll dann wie Kenntnis nehmen? Ich frage mich immer: Wenn man eine Vorlage hat, in der steht, man solle Kenntnis nehmen, und es kommt dann die Abstimmung, wie will man dann eigentlich die Kenntnisnahme verweigern? - Das ist eine rein formale Fragestellung, die gar nicht beantwortet werden kann. Das heißt, es ist völlig egal, wo wir abschließend über diesen Bericht reden: Jeder Landtagsabgeordnete hat diesen

Bericht zur Kenntnis genommen. Daran wird ein Beschluss hier im Plenum gar nichts ändern. Jeder Abgeordnete sollte sich mit diesem Bericht auch auseinander gesetzt haben. Aber auch in dieser Hinsicht würde ein Beschluss hier im Plenum nichts ändern.

Von daher ist der Ansatz, den Sie in der Überschrift gewählt haben, durchaus vernünftig. Sie schreiben dort: „Handlungsfolgen aus dem Tätigkeitsbericht“. „Handlungsfolgen“ heißt, dass wir eine Aktivität beschließen müssten. Das heißt, aus dem Bericht müssten Dinge hervorgehen, zu denen Sie sagen: Es muss etwas passieren.

Und was sagen Sie in den sieben Punkten Ihres Antrags? - Zunächst begrüßen Sie den Tätigkeitsbericht. - Eine aktuelle Handlungsfolge kann man daraus nicht ableiten.

Dann halten Sie es für wichtig, dass der Landesbeauftragte immer informiert wird. - Auch das ist keine konkrete Handlungsfolge.

Sie bitten die Landesregierung ferner, eine Novelle zum SOG vorzulegen. - Das haben wir schon gemacht. Der Minister hat diesbezüglich sogar schon geantwortet und gesagt, dass er das macht. Auch dieser Punkt ist also überflüssig.

Sie halten es weiterhin für wichtig, dass bei den Personal- und Haushaltsbewirtschaftungsverfahren Vertraulichkeit gewahrt wird. - Auch das ist keine Handlungsfolge, die Sie aus dem Bericht ableiten. Sie können dies natürlich - genauso wie wir - für wichtig halten.

Sie begrüßen die Aktion „Datenschutz in der Arztpraxis“. - Auch das ist keine Handlungsfolge, die zu beschließen sinnvoll wäre, weil es sich um nichts anderes handelt als um die Kenntnisnahme des Berichtes.

Sie begrüßen die Bemühungen des Datenschutzbeauftragten im Bereich E-Government. - Auch das ist keine Handlungsfolge.

Was unter Nr. 7 steht, ergibt sich nicht einmal aus dem Bericht des Datenschutzbeauftragten und wurde hier im Plenum bereits intensiv diskutiert.

Von daher ist Ihr Antrag nichts anderes als ein Placebo-Antrag, mit dem Sie sich für den Datenschutz einsetzen und sich selber als Anwalt des Datenschutzes aufspielen wollen. Das lasse ich Ihnen nicht durchgehen, Herr Dr. Lennartz. Denn wenn man wie die Grünen der automatisierten

Kontoabfrage im Bundestag zustimmt und damit die Daten von rund 500 Millionen Konten und Depots für den Staat durchsichtig macht, kann man kein Anwalt für Datenschutz sein, auch nicht mit solchen Placebo-Anträgen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Mir liegt noch eine Wortmeldung vor. Für die SPDFraktion hat nun Frau Kollegin Leuschner das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schrader, es geht nur darum, die Bevölkerung durch eine öffentliche Debatte zu informieren und sie auch zu sensibilisieren. Sie haben uns vorgeworfen, dass wir 16 Jahre lang keine öffentliche Debatte gefordert haben. Wir haben aber mittlerweile ganz andere Anforderungen an den Datenschutz, sodass diese zwingend erforderlich ist.

In Ihren Ausführungen haben Sie ja im Grunde genommen gesagt, dass Sie unseren Punkten zustimmen könnten. Lesen Sie bei Nr. 7 bitte noch einmal nach: Es handelt sich dabei um einen Prüfauftrag. Einem Prüfauftrag kann man sich nun wirklich nicht verschließen. Herr Schrader, ändern Sie Ihre Position, und überlegen Sie es sich noch einmal! Wir halten eine öffentliche Debatte im Interesse des Datenschutzes für notwendig.