Protocol of the Session on May 16, 2003

des Kultusministeriums auf die Frage 16 der Abg. Ingrid Eckel, Wolfgang Jüttner, Walter Meinhold, Claus Peter Poppe, Silva Seeler, Dr. Gitta Trauernicht, Jacques Voigtländer, Wolfgang Wulf (SPD)

Elternwünsche müssen berücksichtigt werden

In der Nordwest Zeitung vom 11. April 2003 wird berichtet, dass sich im Hinblick auf die Errichtung von Kooperativen Gesamtschulen der Ministerpräsident Christian Wulff zu den Forderungen einer Elterninitiative in Ottersberg wie folgt geäußert hat: „Da müssen wir großzügig sein und die Wünsche berücksichti

gen, auch wenn unsere Partei keine Gesamtschulen will.“

Diese Äußerung steht im Widerspruch zu den Aussagen des stellvertretenden CDU-Fraktionsvorsitzenden und bildungspolitischen Sprechers Herrn Karl-Heinz Klare, der in der Kultusausschusssitzung vom 25. April 2003 auf Nachfrage ausführte, dass ausschließlich die Gesamtschule Helmstedt realisiert würde. Herr Klare erklärte, dass alle Gesamtschulbefürworter in den vergangenen 13 Jahren ihre Anträge hätten stellen müssen.

Die Äußerungen des Ministerpräsidenten stehen auch im Widerspruch zum vorliegenden Entwurf zur Änderung des Schulgesetzes der Regierungsfraktionen, wonach die Neureinrichtung von Gesamtschulen nicht mehr möglich sein soll.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Will sie auch bei anderen Elterninitiativen zur Errichtung von Gesamtschulen bei ihrem Ansatz bleiben, „großzügig“ zu sein und Elternwünsche zu „berücksichtigen“?

2. Wird sie Einfluss auf die Fraktionen der CDU und FDP ausüben, ihren Schulgesetzentwurf entsprechend der Aussage des Ministerpräsidenten zu ändern?

3. Wie beurteilt sie in diesem Zusammenhang die von der Regierung Albrecht 1980 realisierte Lösung, Gesamtschulen als „schulische Angebote“ zuzulassen?

Mit der Novelle zum Niedersächsischen Schulgesetz, die die Koalitionsfraktionen im März 2003 im Niedersächsischen Landtag eingebracht haben, wird das Ziel verfolgt, künftig keine neuen Gesamtschulen in Niedersachsen mehr zuzulassen. Diese Novelle soll zum 1. August 2003 in Kraft treten. Die Koalitionsfraktionen begründen ihren Gesetzesantrag damit, dass die „Einführung weiterer Gesamtschulen... den Erhalt eines wohnortnahen, begabungsgerechten, differenzierten Schulwesens“ gefährdet und damit letztlich zulasten der Bildungsqualität in Niedersachsen geht.

In den Gesetzesberatungen ist deutlich geworden, dass sich das künftige Errichtungsverbot für Gesamtschulen auch auf laufende Genehmigungsverfahren erstrecken soll. Anderenfalls würde die Intention der Gesetzesnovelle der Koalitionsfraktionen unterlaufen. Die Landesregierung hat zu allen Zeiten im Sinne dieser Absicht der Koalitionsfraktionen informiert.

Während der Sitzungen des Niedersächsischen Landtages vom April dieses Jahres haben Vertreter

der Initiative in Ottersberg, die sich zum Ziel gesetzt hat, die vorhandenen Haupt- und Realschulen mit Orientierungsstufe dort in eine Kooperative Gesamtschule umzuwandeln, sowohl mit dem Niedersächsischen Ministerpräsidenten als auch mit anderen Mitgliedern der Landesregierung gesprochen. Dabei wurden der Initiative keine Zusagen gemacht. Allerdings - und so ist das Zitat des Ministerpräsidenten zu verstehen - wurde Verständnis für den Wunsch nach einem möglichst ortsnahen gymnasialen Angebot zum Ausdruck gebracht.

In diesem Sinne wurden der Initiative vom Niedersächsischen Kultusministerium andere Wege aufgezeigt, wie die schulische Situation in Ottersberg nach der Gesetzesänderung qualitativ verbessert werden kann. Im Laufe dieses Gesprächs äußerten Mitglieder der Initiative, dass diese für sie neuen Hinweise auch bei ihnen zu neuen Überlegungen führen würden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen wie folgt:

Zu 1: Entfällt.

Zu 2: Entfällt.

Zu 3: Die Landesregierung stimmt mit der Absicht der sie tragenden Koalitionsfraktionen vollständig überein, die vorhandenen Gesamtschulen in ihrem Bestand zu sichern, Neuerrichtungen jedoch nicht zuzulassen.

Anlage 15

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 17 der Abg. Bernd Althusmann, Friedrich Pörtner (CDU)

Gabriel spricht SPD wirtschaftlichen Sachverstand ab

Nach vorliegenden Presseinformationen der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 9. April 2003 hat der frühere Niedersächsische Ministerpräsident Sigmar Gabriel die Wirtschaftsund Steuerpolitik der SPD kritisiert. Laut der Rheinischen Post hat der heutige SPD-Fraktionsvorsitzende im Niedersächsischen Landtag in einem Gespräch gesagt, „man traue seiner Partei gegenwärtig keine wirtschaftliche Kompetenz zu“ und „sie hat sie auch nicht“. In der Bild am Sonntag vom 20. April 2003 rät Sigmar Gabriel (SPD) dem derzeit amtierenden Bundeskanzler Schröder (SPD), „er solle zugestehen, dass seine Politik im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit bisher weder erfolgreich

war noch die Menschen in Deutschland erreicht hat“.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie beurteilt sie die niedersächsische Wirtschaftspolitik in Sachen Arbeitsmarkt, Wirtschaftswachstum und Gesundung der niedersächsischen Staatsfinanzen insbesondere seit Amtsantritt des ehemaligen Ministerpräsidenten Gabriel (SPD)?

2. Worauf könnten sich die Vermutungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden hinsichtlich fehlender wirtschaftlicher Kompetenz angesichts der Wirtschafts- und Wachstumspolitik in Gesamtdeutschland gründen?

3. Kann die Landesregierung in Zahlen konkret bestätigen, dass der niedersächsische Fraktionsvorsitzende der SPD vermutlich Recht mit der Behauptung hat, die rot-grüne Bundesregierung habe im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit versagt?

Deutschland befindet sich heute in einer der schwersten strukturellen Wirtschaftskrise seit Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Sozialversicherungen sind quasi pleite und dringend reformbedürftig, sollen die Lohnzusatzkosten nicht noch weiter explodieren. Die Lage der öffentlichen Haushalte ist desolat.

Die Bundesbank spricht von einer Vertrauens- und Wachstumskrise und einer „Beinahe-Stagnation“. Die EU-Kommission sieht Deutschland zurzeit als einziges EU-Land am Rande einer Rezession. Die Entwicklung der wichtigsten Indikatoren wie das Wachstum des Bruttoinlandproduktes und die Arbeitslosenquote geben keine Anzeichen für eine Trendwende.

Die Prognosen zeigen eindeutig, dass es der Bundesregierung bisher nicht gelungen ist, durch Haushaltskonsolidierung, durch dringend erforderliche Reformen der sozialen Sicherungssysteme und der Arbeitsmarktpolitik eine Trendwende für mehr Wachstum und Arbeit herbeizuführen.

Objektiv können daher die dem Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion hier zugeschriebenen Äußerungen niemanden überraschen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Niedersachsen hat sich im Zeitraum 1998 bis 2002 – also in der Zeit der SPD-Alleinregierung im Vergleich zu den anderen westdeutschen Bundesländern, gemessen an wichtigen Indikatoren der

Wirtschaftsentwicklung, nur unterdurchschnittlich entwickelt:

So stieg das Bruttoinlandsprodukt im oben genannten Zeitraum in Niedersachsen real um 4,4 %, im Bundesgebiet West dagegen um 6,3 %; Niedersachsen lag damit im Vergleich der 10 westdeutschen Länder auf Platz 9.

Die Zahl der Erwerbstätigen (am Arbeitsort) stieg im oben genannten Zeitraum real um 3,7 %, im Bundesgebiet West dagegen um 4,3 %; Niedersachsen belegt damit unter den Westländern den siebenten Rang.

Niedersachsen lag 1998 mit einer Arbeitslosenquote (in Prozent aller Zivilpersonen) im Jahresdurchschnitt von 11,1 % im Vergleich der zehn westdeutschen Länder auf dem achten Platz. Eine höhere Arbeitslosenquote gab es nur in den Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Im Jahr 2002 lag die Arbeitslosenquote in Niedersachsen bei 9,2 %, dies entspricht Platz 9 unter den Westländern, nur in Bremen war die Arbeitslosenquote höher.

Die Entwicklung des Landeshaushalts und der Staatsverschuldung fällt noch Besorgnis erregender aus.

So stiegen die Defizite des Landes in den vergangenen zwei Jahren stark an. 2001 entstand ein negativer Finanzierungssaldo von 2,73 Milliarden Euro, im Jahre 2002 waren es 3,8 Milliarden Euro. Zwar waren alle Länder von der negativen Einnahmeentwicklung betroffen, doch für Niedersachsen war die Kumulation der negativen finanzwirtschaftlichen Ereignisse von Steuerrückgängen über BEB-Rückzahlung und EXPO-Verlust in den letzten zwei Jahren fatal.

Niedersachsen hatte 2002 unter den westdeutschen Flächenländern das relativ höchste Haushaltsdefizit zu verkraften - gemessen am Anteil an den Ausgaben. Unter allen Ländern Deutschlands hatte nur Berlin ein noch höheres Defizit.

Die Probleme des Landeshaushalts liegen dabei nicht nur in der Entwicklung der Einnahmeseite. Im Zeitraum 1990 bis 2002 stiegen die bereinigten Ausgaben des Landeshaushalts um 39,2 %, in keinem anderen westdeutschen Flächenland war der Anstieg so hoch. Der Durchschnitt der westdeutschen Flächenländer hatte einen Zuwachs von 37,2 % zu verzeichnen. Diese Entwicklung beruht vor allem auf einer überdurchschnittlichen Ausga

bensteigerung in den letzten Jahren seit 2001. Im Zeitraum 1999 bis 2002 stiegen die Ausgaben in Niedersachsen um 9,5 % am stärksten.

Niedersachsen hat also besonders in den letzten Jahren während der Regierung Gabriel „über seine Verhältnisse“ gelebt.

Zu 2: Nach 0,2 % im vergangenen Jahr wird das Wirtschaftswachstum in Deutschland nach allen Prognosen auch in diesem Jahr allenfalls 0,5 % betragen. Deutschland liegt mit einem prognostizierten Wachstum von rund 0,5 % abgeschlagen hinter den anderen EU- und OECD-Ländern auf dem letzten Platz. Auch von der OECD wurde die Wachstumsprognose für die Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2003 abermals nach unten korrigiert. Sie fällt mit 0,3 % noch pessimistischer aus als jene der deutschen Forschungsinstitute.

Sollten sich die Prognosen für dieses und nächstes Jahr hinsichtlich des Wachstums des Bruttoinlandsproduktes bewahrheiten, wird es keine Entlastung auf dem Arbeitsmarkt geben. Nach rund 4,1 Millionen Arbeitslosen im letzten Jahr werden es in diesem Jahr 4,45 Millionen und in 2004 sogar 4,5 Millionen im Jahresdurchschnitt sein.

Die Finanzlage des Staates verschlechterte sich im Jahr 2002 deutlich. Die ausgeprägte Konjunkturschwäche führte zu erheblichen Mindereinnahmen bei Steuern und Sozialabgaben sowie zu höheren Arbeitsmarkt bedingten Ausgaben. Außerdem kam es aufgrund von Sonderfaktoren im Zusammenhang mit der Reform der Unternehmensbesteuerung zu hohen Einnahmeausfällen. Das Budgetdefizit stieg auf 76,2 Milliarden Euro bzw. in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt auf 3,6 %. Die Defizitobergrenze des Maastricht-Vertrages von 3 % wurde damit deutlich überschritten. Für das Jahr 2003 wird sich das Budgetdefizit nach Prognose der Wirtschaftsforschungsinstitute auf voraussichtlich 73 Milliarden Euro verringern, sodass die Defizitquote mit 3,4 % erneut deutlich über der Obergrenze des Maastrichtvertrages liegen wird. Für das nächste Jahr wird aufgrund von Konsolidierungsmaßnahmen und der besseren Konjunktur ein Defizit von 2,9 % erwartet.

Angesichts dieser Zahlen und Daten scheint die Aussage des SPD-Fraktionsvorsitzenden hinsichtlich einer fehlenden wirtschaftlicher Kompetenz seiner Partei wohl begründet zu sein.

Zu 3: Die Bundesanstalt für Arbeit hat am 7. Mai die Zahlen zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit in Deutschland für den Monat April 2003 veröffentlicht:

Danach waren bundesweit 4,495 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet; dies entspricht einer Arbeitslosenquote (Zahl der Arbeitslosen in Pro- zent aller zivilen Erwerbspersonen) von 10,8 %.