Protocol of the Session on December 9, 2005

Meine Damen und Herren, die Koalition, die Regierungsbank und insbesondere Herr Schünemann, der heute nicht anwesend, sondern bei der Innenministerkonferenz ist, vermitteln uns ein Bild dieser Koalition, das so gar nicht zu den Werten einer Christlich Demokratischen Union passt.

(Zurufe von der CDU: Was?)

Herr Schünemann führt heute Mittag Beratungen und wird offenbar - wie wir es von der Ministerin gehört haben - Entscheidungen herbeiführen, die weiterhin dazu führen, dass Kinder, die hier aufgewachsen sind, Kinder, die hier ihre Heimat haben, nachdem sie jahrelang hier gelebt haben, nach Hause geschickt oder von ihren Eltern getrennt werden.

Meine Damen und Herren, dies ist nur ein Bild. Es ist auch symptomatisch, dass die Ministerin sagt, sie kennt die Vorschläge aus Hessen nicht, die sich die Landesbischöfin heute Morgen zu Eigen gemacht hat, obwohl sie heute Morgen fett auf der ersten Seite der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung standen. Dieses Bild ist auch ein bisschen für die Wahrnehmungsverluste symptomatisch, die hier auftreten, wenn Herr McAllister eine Grafik hochhält, die mit der Wirklichkeit nur wenig gemein hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Warum will man, wenn man über den Haushalt redet, ausgerechnet bei den psychisch Kranken eine Privatisierung vorantreiben, die nur im ordnungspolitischen Weltbild der FDP Sinn macht, die aber finanzpolitisch nicht sinnvoll ist und die uns teuer zu stehen kommt?

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Warum zieht man ausgerechnet bei den Blinden eine Reform durch, die die Schwächsten trifft? Warum wollen Sie den Studenten, die Bafög erhalten, die also aufgrund ihrer sozialen Situation staatliche Transferleistungen erhalten, nun noch Studiengebühren auferlegen und sie dann zu allem Überfluss auch noch an diesem Ausfallfonds für sozial Schwache beteiligen? Das ist auf der einen Seite in seiner Wirkung ein bürokratisches Monstrum, das ein Vielfaches von dem an Bürokratieaufwand erfordert, was Sie auf der anderen Seite mit Ihrem Modellkommunengesetz abschaffen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das sind nur einige wenige Beispiele. Aber sie verdeutlichen im Kern eines: Diese Koalition, die diesen Haushalt beschließen will, hat kein Gefühl für soziale Balance.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren, Sie haben Wahlen verloren. Wir haben im Bund gewählt, und wir kennen auch die Ergebnisse in Niedersachsen. Sie haben im Bund die Wahl verloren, und Sie haben hier im Land die Wahl verloren.

(David McAllister [CDU]: Sie sind doch abgewählt worden!)

Sie haben bis auf eine Ausnahme auch alle Landratswahlen der letzten Monate oder des letzten Jahres verloren.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Göttingen, was?)

Sie sind hier angetreten und haben gesagt, Sie machen ordentliche und seriöse Arbeit. Und was müssen wir zur Kenntnis nehmen? - Schon zweimal haben Sie vor Verfassungsgerichten verloren; Sie sind mit Ihrem Polizeigesetz und mit Ihrem Mediengesetz gescheitert.

(Beifall bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Deswegen kandi- dieren Sie in Göttingen!)

Das ist ebenfalls symptomatisch für die Arbeit dieser Koalition. Ich habe den Eindruck: Sie haben in weiten Teilen den Kontakt zur Bevölkerung verloren.

(Reinhold Coenen [CDU]: Ach, nun hören Sie doch auf!)

Ich erwähne nur die gestrigen Demonstrationen von Eltern, von Studenten und von Beschäftigten hier vor der Haustür, die sich alle sehr ernsthaft mit den Vorschlägen auseinander gesetzt haben, die Sie hier heute beschließen wollen.

Meine Damen und Herren, trotz langer und intensiver Beratungen in den Fachausschüssen und im Haushaltsausschuss und obwohl Sie mittlerweile seit drei Jahren hier im Land regieren, ist es Ihnen nicht gelungen, einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen - und das, obwohl Sie im nächsten Jahr sogar im Bund mitregieren und auch dort wirklich dafür sorgen könnten, dass wir die Haushalte entlasten und konsolidieren können. Stattdessen - das hat auch der Kollege Jüttner hier noch einmal deutlich gemacht - werden wir im nächsten Jahr Rekorde brechen. Sie haben die Rekordverschuldung des Landes zu verantworten. Die Neuverschuldung, also die Summe, die ein einzelner Finanzminister in der Geschichte des Landes auf den großen Haufen noch aufgehäuft hat, wird so groß sein, dass Herr Möllring damit an der Spitze aller Finanzminister dieses Landes stehen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und Sie häufen Schattenhaushalte an. Das weiß in Niedersachsen mittlerweile jedes Kind.

(Bernd Althusmann [CDU]: Dann sind es aber keine Schattenhaushalte mehr!)

Darum kann man gar nicht mehr herum reden, diese Schattenhaushalte muss man mit einrechnen. 2006 wird es mit Ihrer Regierung im Bund auch keine Entlastungen für das Land geben. Stattdessen werden dort wichtige Reformen in die Zukunft verschoben.

Auch dringend notwendige Investitionen im Bildungssektor unterbleiben. Hier liegt der Dreh- und Angelpunkt für eine Volkswirtschaft; denn es

kommt in erster Linie darauf an, dass die Menschen einen Schulabschluss, eine Berufsausbildung, eine Hochschulausbildung oder eine Ingenieurausbildung haben. Da liegt die Zukunft unseres Landes, und das entscheidet darüber, ob wir vorhandene Arbeitsplätze sichern oder neue Arbeitsplätze schaffen können.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustim- mung bei der SPD - Ursula Körtner [CDU]: Das war in der Vergangenheit aber auch schon so!)

Herr Wulff, mit Interesse habe ich vorgestern in der Zeitung gelesen, dass Sie angesichts der ideenlosen und wenig handlungsfähigen Koalition im Bund jetzt dafür plädieren, dass die unionsgeführten Bundesländer ihre Arbeit etwas besser herausstellen und mit ihrem Wirken in den Ländern das Elend im Bund überstrahlen. So konnte man das nur verstehen; man musste das förmlich so verstehen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das war wahrscheinlich auch so gemeint!)

Wenn man sich Ihre Bilanz ansieht, Herr Wulff, dann kann man nur feststellen: Es gibt kein Strahlen hier im Land. Es gibt allenfalls eine Götterdämmerung nach dem Abstieg aus dem Umfrageolymp - für Sie ganz persönlich, aber natürlich auch für Ihre Partei. Ich prophezeie Ihnen: 2003 war der Einstieg in Ihre Regierung. 2004 war der Aufstieg. 2005 war der Abstieg. 2006 bekommen Sie eine Quittung bei der Kommunalwahl. 2007 oder 2008 bei der Landtagswahl sollten Sie sich sehr warm anziehen. Darauf können Sie sich verlassen. - Herzlichen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei den GRÜNEN und Zustimmung bei der SPD)

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Rösler.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Jüttner, ich glaube, meine Generation weiß sehr wohl um die Verdienste auch der 68er.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Soziallibe- rale Koalition!)

Aber wenn Sie zur Schule kommen und der Lehrer, ein Alt-68er, hereinkommt und sagt „Du, ich bin der Dieter, du“, dann darf man sich am Ende nicht über schlechte Bildungsqualität beschweren.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Herr Jüttner, Sie als frischer - nein, als neuer Fraktionsvorsitzender müssen natürlich Ihren eigenen Stil entwickeln. Deswegen gestatten Sie mir, Ihnen ein paar Tipps zu geben.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD)

- Das mag Sie zwar ärgern, aber ganz objektiv betrachtet ist es nun einmal so, dass der Kollege McAllister und ich die dienstältesten Fraktionsvorsitzenden im Amt sind.

(Lachen bei der SPD)

Ich finde, dann - das sage ich in aller Bescheidenheit - dürfen wir zwei „alte Hasen“ Ihnen als neuem Fraktionsvorsitzenden auch einmal einen Tipp geben.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich wollte Ihnen ja auch nur die Empfehlung geben:

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Sind wir hier im Bierzelt?)

Bei aller Kritik an Ihrem Vorgänger, Herrn Gabriel, und bei allen Fehlern, die er mit Sicherheit nach wie vor hat, kann man eines sicherlich nicht sagen: Langweilig waren seine Redebeiträge jedenfalls nie.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Man stellt sich ja schon die Frage: Was war eigentlich am Mittwoch los, Herr Kollege Jüttner? Stress gehabt in der Fraktion? Oder Weihnachtsstress? Wir fragen uns nämlich: Warum haben Sie sich vor allem an der mittelgroßen FDP abgearbeitet und die Union an dieser Stelle so besonders geschont?

Ich habe mir auch ein paar Zitate herausgesucht. Ich darf - ich habe ja gelernt - jetzt einmal Geschichten erzählen

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Hoffent- lich gute!)

und zitiere aus der Nordwest-Zeitung vom 9. September 2005: