Protocol of the Session on December 7, 2005

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Norbert Böhlke [CDU]: Das stimmt!)

Über die Zukunft dieses Landes entscheidet die Zahl der Menschen, die über einen Schulabschluss verfügen, die über eine gute Ausbildung verfügen, die über eine Hochschulausbildung verfügen, und auch die Zahl der Menschen, die im kreativen Sektor, im Kulturbereich, im Bildungsbereich, als Ingenieure oder im Wissenschaftsbereich tätig sind. Das sind die Wachstumstreiber, die für nachhaltige Wertschöpfung sorgen und damit Arbeitsplätze sichern und neu schaffen.

Herr Ministerpräsident Wulff, mehr als zwei Monate nach den Wahlen haben Sie sich jetzt ein paar Stunden der kritischen Analyse gegönnt. Offenbar war es ein Scherbengericht ohne Scherben „in sehr, sehr angenehmer Atmosphäre“.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Mit Nach- tisch!)

Das ist ein Originalzitat von Herrn Wulff. So muss es bei Ihnen zugegangen sein. Ich kann es mir nicht recht vorstellen, aber es war wohl so.

(Bernhard Busemann [CDU]: Und? Ist das schlimm? Das würden Sie sich auch mal wünschen!)

Wenn Herr Wulff das sagt, dann glaube ich ihm das aufs Wort.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist ein guter Ansatz!)

Meine Damen und Herren, diese CDU ist nicht nur im Wahlkampf kalt und herzlos aufgetreten. Diese CDU hat ihre soziale Balance verloren.

(Beifall bei den GRÜNEN - Joachim Albrecht [CDU]: Im Gegenteil!)

Diese CDU hat auch ihre Wurzeln verloren, Herr Althusmann, aber sie will es nicht wahrhaben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Davon merkt man nur noch nichts!)

Diese Politik der niedersächsischen CDU, die wir heute diskutieren, ist ein Spiegelbild der Politik der Bundespartei.

Herr Finanzminister Möllring, warum schafft es diese Landesregierung nicht, den Haushalt verfassungskonform zu gestalten und den sozialen und bildungspolitischen Anforderungen gerecht zu werden? Wir müssen leider feststellen, dass schon die Begründung Ihres Haushaltsgesetzes falsch ist. Wenn es dort heißt, alle Handlungsoptionen seien ausgeschöpft worden, die Einnahmesituation sei unverschuldet - so steht es da - dramatisch und eine stärkere Rückführung der Nettokreditaufnahme sei ohne Verletzung von Bundesrecht nicht möglich, dann ist das schlichtweg Quatsch.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich will hier gar nicht wiederholen, was Sie alles im Bundesrat blockiert haben. Das weiß jede und jeder von Ihnen, die Sie hier sitzen.

Ihr Haushaltsplanentwurf entspricht nur zum Teil der Wahrheit. Aber auch dieser wahre Teil ist schon erschreckend: 1,8 Milliarden Euro zusätzliche Schulden wollen Sie im Jahr 2006 machen; das sind 858 Millionen Euro mehr, als verfassungsrechtlich zulässig sind. Sie werden mit diesem Haushalt im Jahr 2006 zwei historische Messlatten reißen: Wir werden 50 Milliarden Euro offizielle Schulden im Schuldbuch des Landes zu verzeichnen haben, und Sie, Herr Minister Möllring, werden der größte Schuldenmacher in der Geschichte Niedersachsens werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Das ist falsch! - Weitere Zurufe von der CDU)

- Ich kann Ihnen das gern vorrechnen, Jahr für Jahr.

(Bernd Althusmann [CDU]: Dass Sie nicht rechnen können, war vorhin schon klar!)

Selbstverständlich dürfen wir auch die Schattenhaushalte nicht vergessen. Natürlich neigt man als Regierungspartei leicht dazu, die Schattenhaushalte nicht mitzurechnen. Es gibt natürlich auch 2006 wieder einen Teil des Haushaltes, der das Licht der Öffentlichkeit scheut.

(Bernd Althusmann [CDU]: Dann hät- ten Sie es aber nicht sehen dürfen!)

Das nennt man gemeinhin Schattenhaushalt. Der Finanzminister spricht immer vom „Nebenhaushalt“. Es ist mir ganz egal, wie er das nennt; wir sagen dazu „Schattenhaushalt“. Sie mögen tricksen, Sie mögen hexen, Sie mögen mit Ihrem Besen durch die Ressorts fegen, Herr Möllring, trotzdem werden Sie nicht zum Hartmut Potter. Mit diesem Haushalt bleiben Sie nichts anderes als der Lord Voldemort aus Hildesheim,

(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN - Bernd Althusmann [CDU]: Der war nicht so schlecht!)

eine Bedrohung für Konsolidierung und Zukunftssicherung.

Auch 2006 nehmen Sie wieder zusätzliche Kredite bei der Hannoverschen Beteiligungsgesellschaft und bei der Landestreuhandstelle auf. Die bereits eingegangenen Pensionsverpflichtungen für Beamte des Landes wachsen mit exorbitanten Steigerungsraten. Derzeit liegen die Versorgungslas

ten etwa bei 10 % des Haushaltsvolumens. Mittelbis langfristig können daraus aber 20 % werden. Auch heute werden noch immer neue Beamte eingestellt, ohne dass gleichzeitig eine entsprechende Versorgungsrücklage in der notwendigen Höhe gebildet wird.

Meine Damen und Herren, ich muss auch an dieser Stelle einige Worte zu den Kommunen sagen. Die niedersächsischen Kommunen sind bundesweiter Spitzenreiter bei den Kassenkrediten. 43 % aller Kassenkredite der Landkreise in Deutschland laufen in Niedersachsen auf.

(Joachim Albrecht [CDU]: Das meiste davon in Hannover!)

- Das muss man immer ins Verhältnis zu den Einwohnerzahlen setzen. Wir haben die Zahlen im Haushaltsausschuss noch einmal angemahnt, damit wir sie besser vergleichen können. Dabei sind auch die Zinslasten zu berücksichtigen. Nur so bekommen wir über das Jahr hinweg ein objektives Bild dieser Lage. Nur auf Hannover zu kloppen, ist, glaube ich, ein bisschen zu kurzsichtig.

Besorgnis erregend ist auf jeden Fall der Trend. Er weist nämlich steil nach oben.

(Joachim Albrecht [CDU]: Ich habe schon gesagt: Das meiste kommt aus Hannover! Das liegt an der SPD- Regierung in Hannover!)

Es hilft auch nicht, wenn Herr Schünemann bei dieser Gelegenheit mit dem Zeigefinger auf seinen Vorgänger zeigt. Das erklärt nämlich allenfalls die Hälfte des Problems. Damals hatten wir 2 Milliarden, nach drei Jahren Ihrer Regierung haben wir jetzt 4 Milliarden. Das macht auch deutlich, wie sich der Trend entwickelt, wie schnell im Moment die Kurve nach oben geht. Bisher ist mir noch nicht deutlich geworden, was Sie unternehmen wollen, um diesen Trend zu brechen. Die Verantwortung für die 4 Milliarden Euro Kassenkredite der Kommunen müssen Sie sich zumindest mittelbar zurechnen lassen. Eine vernünftige Erklärung für diesen bedenklichen niedersächsischen Sonderweg sind Sie jedenfalls bislang schuldig geblieben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die kommunalen Spitzenverbände sprechen mittlerweile bereits von einem weiteren Schattenhaushalt. Ihr Griff in die Kassen der Kommunen hat nämlich lediglich zu einer Verschiebung der Kre

ditaufnahme geführt. Diese Schulden werden jetzt in den kommunalen Haushalten ausgewiesen und nicht im Landeshaushalt. Das Ganze dient letzten Endes der nur scheinbaren Senkung der Nettokreditaufnahme um 350 Millionen Euro. Das ist das Credo Ihrer Haushaltspolitik und wird immer wieder gern hier vorgetragen. Leider ist es aber eine Zahl, die mit der Wirklichkeit nur sehr wenig zu tun hat.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, im Jahr vor der Kommunalwahl in Niedersachsen muss man an dieser Stelle auch feststellen, dass Ihr Haushalt und Ihre Politik in hohem Maße kommunalfeindlich sind. Die Einführung des Konnexitätsprinzips in die Verfassung war doch, wenn ich mich recht erinnere, Teil Ihres 100-Tage-Programms. Wenn ich richtig rechnen kann, sind 100 Tage etwas mehr als drei Monate. Jetzt sind fast drei Jahre ins Land gegangen und Sie haben sich gerade mal intern über die Formulierungen für den Gesetzestext geeinigt.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie hätten doch mitstimmen können!)

Kommunalfeindlich sind auch die Novellierung des Gemeindewirtschaftsrechts und die vom Umweltminister angestrebte Privatisierung der Abwasserentsorgung. Hier geht es aber offenbar allein um das Seelenheil neoliberaler Bekenntnistäter.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Der Herr Umweltminister ist aber leider nicht da.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist auch umweltpolitisch blind. Die Energiepolitik von CDU und FDP ist eine Nullnummer.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Da brauche ich gar nicht Herrn Söder aus Bayern zu zitieren, der in der Frankfurter Allgemeinen vom letzten Sonntag sehr richtig festgestellt hat, dass die Unionsparteien an dieser Stelle ihr Programm umschreiben - besser müsste man vielleicht sagen: neu schreiben - müssen. Das war in der Tat eine klare Ansage.

(David McAllister [CDU]: Wenzel zi- tiert Söder!)

Mich hat es überrascht, dass man diesen Fehler so deutlich zugibt. Aber das ist ja immer der erste

Schritt zur Veränderung. Insofern habe ich darin durchaus einen positiven Aspekt gesehen.

Von der FDP will ich gar nicht reden. Herr Sander lässt sich seine Reden von den Verbänden der großen Monopolisten diktieren und passt lediglich auf, dass die Textbausteine hier nicht auffallen. Wettbewerb auf den Energiemärkten ist für Herrn Sander und die FDP ein Fremdwort.

(Jörg Bode [FDP]: Andersrum! Sie sehen das falsch!)

- Nein, das ist ganz richtig so. Das ist auch das, was Ihre Politik in der Praxis bedeutet. Sie schützen in der Regel die Monopolisten und setzen sich an dieser Stelle nicht dafür ein, dass wir im Energiemarkt zu Wettbewerb kommen und dass Mittelständler und kleinere Unternehmen, die Strom produzieren, an den Markt kommen.